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V.A.

A Revolution In Sound: Pop Culture And The Classical Avant-Garde

Ich muss gestehen, dass ich hinsichtlich bestimmter Bereiche von musikalischer Hochkultur wie Jazz, Klassik oder Musique concrète durchaus sehr ignorant sein kann, meist als bewusste Trotzreaktion auf Wichtigtuer, die einem mit kaum unterdrückbarem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck von ihrer großen Liebe zu John Cage und Stockhausen erzählen, die man ja unbedingt mal gehört haben müsse, am besten täglich. Wer es dabei allerdings mit Biegen und Brechen vor allem auf avantgardistische Unhörbarkeit wie manche substanzlose Lärm-Fetischisten abgesehen hat, ist in meinem musikalischen Wertekosmos nicht willkommen, was nicht heißt, dass man sich mit dem Alter nicht doch auch mal komplexerer Musik ausgesetzt hätte. Wem das bisher ähnlich ging, dem kann ich nur wärmstens die fünf CDs umfassende Compilation „A Revolution In Sound: Pop Culture And The Classical Avant-Garde“ empfehlen, ein absolut bewusstseinserweiterndes Erlebnis. Natürlich ist der Titel schon mal unangenehm wichtigtuerisch, zumal dieser Einfluss klassischer Avantgarde auf die Popkultur erst mal nur behauptet wird, aber nicht konkret belegt. Was man allerdings hier geliefert bekommt, ist ein absolut hochkarätiger, historisch bedeutsamer Querschnitt einflussreicher, meist männlicher Musiker und Komponisten (die britische Elektronikpionierin Daphne Oram, deren Sounds in den frühen James Bond-Filmen zu hören sind, ist hier die einzige Frau) aus den Bereichen Jazz, Klassik und Musique concrète beziehungsweise ganz generell der musikalischen Avantgarde seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Darunter viele Namen, von denen man sicher schon mal gehört hat, ohne dass sie bisher eine große Bedeutung für die eigene Plattensammlung gehabt hätten. Neben den erwähnten Cage und Stockhausen (ein wichtiger Einfluss für die Krautrocker CAN) etwa Ornette Coleman, Béla Bartók, Edgard Varèse, Maurice Ravel, Claude Debussy, Igor Stravinsky oder Erik Satie (bei dessen hier nicht enthaltener Klavierkomposition „Gymnopédies“ sich JAPAN 1980 für ihren Song „Nightporter“ bedienten). Darunter jede Menge wunderschöne, meisterhaft komponierte Musik, die wirklich Lust macht, sich näher mit den jeweiligen Künstler:innen zu beschäftigen, neben deutlich avantgardistischeren Formen zeitgenössischer Musik, die in diesem Umfeld aber ebenfalls großen Reiz entfalten können, zumindest als erhellende „What the fuck?“-Momente.