V.A.

Atomic Platters

Es gab eine Zeit, als Atomkraft als fortschrittlich galt. Damals waren Hiroshima und Nagasaki gerade mal 5, 10, 15, 20 Jahre her, und die Bomben hatten ja nur Japsen getroffen, die selber schuld waren.

Atombomben und -kraftwerke hielten „uns“ die Roten vom Leib, wer dagegen war, war selber einer (remember McCarthy?), also verlangte es die Bürgerpflicht „pro-Atom“ zu sein. Diese Einstellung herrschte in der Nachkriegszeit, in den späten Vierzigern, den Fünfzigern und Sechzigern nicht nur in den USA vor und schlug sich auch in der Popkultur nieder – lange vor BLONDIEs „Atomic“ stand Atombombe und -kraft nicht für Vernichtung und Tod, sondern für Macht und Schutz vor den Russen.

Wie schräg damals argumentiert wurde, ist auf diese Compilation dokumentiert. So ziemlich das krasseste Zeitzeugnis ist „Atomic power“ von THE BUCHANAN BROTHERS, geschrieben unmittelbar nach dem Angriff auf Hiroshima und Nagasaki, in dem die Auslöschung der Städte als „Strafe Gottes“ bezeichnet wird.

Ganz kranke Scheiße – da wirkt die Argumentation von „Dr. Strangelove“ in jenem grandiosen Film schon beinahe sachlich. Zweifler an der Regierungslinie gab es damals kaum, eine der wenigen dissidenten Stimmen ist in Form von Sam Hintons „Old man atom“ enthalten, und immer, wenn man einen der Songs hier als besonders skurril empfindet, bleibt einem das Lachen bei genauerer Betrachtung im Halse stecken.

Aufgelockert wird diese exzellent zusammengestellte Compilation – ein achtzigseitiges Booklet ist auch mit dabei – durch Zivilschutz-Radioclips aus der damaligen Zeit, gesprochen von Stars wie Johnny Cash, Connie Francis oder Groucho Marx.

Wie absurd das alles war, kann man sich übrigens auch im extrem „lustigen“ Pro-Atom-Werbeclip-Zusammenschnitt „The Atomic Cafe“ anschauen, und YouTube hat auch einiges im Angebot.