V.A.

Wrecktrospective

Ich erinnere mich noch dunkel an ein NOFX-Interview 1992, als deren Sänger Fat Mike was davon erzählte, er wolle ein Label machen und ob ich nicht einen Song von seiner ersten Band namens LAGWAGON auf meine Compilation packen wolle, die ich damals – das Ox hatte noch 7“-Beilagen – plante und von der ich ihm gerade erzählt hatte.

Bald darauf hatte ich tatsächlich ein DAT-Tape von LAGWAGON in der Post, meine Compilation erschien, bald darauf auch das erste Album von LAGWAGON sowie eine 7“, mit den Katalognummern 502 und 504.

Auch zuvor waren schon zwei Platten auf Fat Wreck erschienen, am 1. Januar 1990 die „The P.R.M.C. Can Suck On This“-7“ von NOFX (501) und im Mai 1992 die EP „The Longest Line“, doch selbstveröffentlichte Platten der eigenen Band machen noch kein richtiges Label aus, weshalb für mich die eigentliche Geburtsstunde von Fat Wreck im Jahr 1992 liegt.

1993 kamen dann Alben von NO USE FOR A NAME und PROPAGANDHI, später im gleichen Jahr Singles von RANCID, 88 FINGERS LOUIE und FACE TO FACE, Anfang 1994 ein zweites Album von LAGWAGON, bald darauf STRUNG OUT, und damit war Fat Wreck schon richtig gut im Rahmen, war das Fundament von dem gelegt, was im weiteren Verlauf der Neunziger als „Fat Wreck-Sound“ bezeichnet wurde.

In diesen Jahren erlebte auch Epitaph Records einen märchenhaften Aufstieg, an den sich Burning Heart Records aus Schweden mit Bands wie MILLENCOLIN oder SATANIC SUFFERS dranhängen konnte, und Konzerte mit Bands dieser Labels waren plötzlich so was wie Klassenfahrten, wo Horden von Kids mit Mutters Geldbörse in der Hand die Merchstände stürmten und Kapus und Shirts der entsprechenden Bands beinahe im Klassensatz abgegeben wurden.

Ja, damals lohnte es sich, ein Punk-Label zu machen, was natürlich auch Kritiker auf den Plan rief. Obwohl die Bands von Epitaph, Fat Wreck und Burning Heart zwar gewisse Gemeinsamkeiten hatten, vor allem eine gewisse Eingängigkeit, waren es doch alles andere als gleich klingende Retortenbands, die Kritik ging eigentlich am Ziel vorbei und war wohl eher auf die jungen Fans gemünzt.

Ein Großteil der damals gekauften Shirts und Kapus werden heute längst im Altkleidercontainer gelandet sein, doch nicht wenige, die sich heute eines exquisiten Musikstils rühmen, wurden seinerzeit erst durch die Releases von Fat Wreck auf Punk aufmerksam – und alles, was als Einstiegsdroge taugt, ist mir recht.

Seitdem hat sich vieles verändert: Epitaph hat sich weit von den musikalischen Wurzeln entfernt, Burning Heart ist mehr oder weniger tot, und allein Fat Wreck kämpft noch weiter in Zeiten, da illegale Downloads längst nicht nur Majors schwächen, sondern auch sympathische Szene-Labels wie Fat Wreck und deren Bands massiv schädigen, was Cretins wie die Aktiven der „Piratenpartei“ freilich nicht wahrhaben wollen.

Nun also feiert Fat Wreck, das seit 2003 erst auch das offizielle Erst-Label für Releases von NOFX ist, seinen 20. Geburtstag, und das mit einer Triple-CD mit 88 Songs zum Budget-Preis. Auf dem beiliegenden Poster gibt’s eine Galerie aller Cover sowie nette Worte der Labelbands dazu, warum sie auf Fat Wreck sind/waren – einer der Gründe ist, dass Bands sich immer nur für eine Platte entscheiden müssen und nicht, wie so oft üblich, für zwei, drei oder mehr Alben festzulegen brauchen.

Auf CD1 gibt’s das große Hitfeuerwerk („Fattest Hits“), auf CD2 die Raritäten („Demos“), und auf CD3 schließlich die Songs der sich längst in Sammlerhand befindenden Vinylsingles des „Fat Club“.

Macht knapp vier Stunden Musik von AGAINST ME! bis ZERO DOWN. Und ich stehe immer noch drauf, denn der Kommerz geht heute längst woanders ab und man fragt sich, wofür Fat Wreck überhaupt einst kritisiert wurden.