V.A.

Aggropunk Vol. 1

In Zeiten, da es möglich ist, dass sich um eine Band wie die widerwärtigen Onkelz-Nachahmer FREI.WILD eine neue, nicht genau eingrenzbare Szene namens „Deutschrock“ etabliert, die sich vor allem durch ihre jämmerlichen Texte und miserabelsten Stumpfprock auszeichnet, ist es ein nobles Anliegen, dass Matze von Concrete Jungle aus Nürnberg mit APP ein neues Label ins Leben gerufen hat, das sich explizit gegen eine solche Entwicklung stellt.

Das ist nötig in Zeiten, da man es mehr als „nix gut“ finden muss, wenn ein Label aus dem Stuttgarter Raum sich entschließt, für FREI.WILD das Merchandise herzustellen, und damit Grenzen verwischt, die aus gutem Grund bestehen.

Matze beruft sich bei APP explizit auf Weird System und Aggressive Rockproduktionen als Vorbilder, was in ersterem Fall lobenswert ist, ist WS aus Hamburg doch schon seit 30 Jahren ein mustergültiges Label.

Von AGR wiederum werden wohl nur die wenigsten Bands, die einst dort unter Vertrag waren, etwas Gutes sagen können, waren die Deals doch legendär mies für die Bands, was nicht bedeutet, dass Labelboss Walterbach nicht doch einst ein gutes Händchen bei der Bandauswahl hatte.

Deutschpunk vor der Verdummung zu retten, das ist das erklärte Anliegen von APP, und das bedeutet viel Arbeit, und da ist diese Compilation ein gutes Wahlprogramm. Los geht’s mit RAWSIDE, KOTZREIZ, POPPERKLOPPER und FAHNENFLUCHT machen weiter, Elf (SLIME) ist auch mit dabei, SLIME auch („Mensch“, live 1994), ebenso RASTA KNAST, ALARMSIGNAL, KEIN HASS DA (die Band von Karl Nagel), EMSCHERKURVE 77, SS-KALIERT, EMILS,, NIKOTEENS, DISTRICT, RADIO DEAD ONES, BOTTROPS und BILDUNGSLÜCKE, aber auch OHL, deren letztes Album an dummpolemischer Hetze kaum zu toppen ist.

Und BETONTOD, die einst als Deutschpunk-Band anfingen, sich mittlerweile aber bewusst als Deutschrock-Band positionieren, weil hier, inklusive Heckscheibenaufkleber à la Onkelz und FREI.WILD, mehr Geld zu verdienen ist.

Von daher muss ich sagen, dass diese Compilation ihrem hohen Anspruch nicht in vollem Umfang gerecht wird, aber doch sicher eine Diskussion mit anstoßen und weitertreiben kann, die angesichts der bekannten „Grauzonen“-Problematik und boomender Deutschrock-Festivals (immer interessant zu sehen, wer etwa beim „Ehrlich & Laut“-Festival oder beim OFT so spielt ...) bitter nötig ist.

Deutschpunk ist dumm, Deutschrock auch, deutschsprachiger Punkrock aber nicht – so verläuft meine Frontlinie.