V.A.

NME C86

Wie einflussreich eine Compilation sein kann, beweist „NME C86“ aus dem Jahre 1986. Damals veröffentlichte das Leitmedium der britischen Popkultur, der New Musical Express alias NME, eine MC-Compilation mit diesem denkbar simplen Titel, der wiederum den des fünf Jahre zuvor erschienenen „NME C81“ zitierte.

22 Bands fanden sich darauf, 40.000 Stück wurden verkauft, und etwas später (1987) gab es auch eine LP-Version – die ich damals aus purer Neugier kaufte, weil billig und obwohl ich die Bands darauf höchstens mal dem Namen nach kannte.

Die britische, aber auch die europäische Indie-Szene war begeistert, was sie da zu hören bekam, bald schon war von einer „C86-Szene“ die Rede. Aber was war geschehen? Neil Taylor, der Kompilierer, hatte zu einer Zeit, als Punk in England gefühlt ebenso tot war wie Wave/Goth, eine Reihe irgendwie neuer Bands zusammengesucht und damit eine Klammer um etwas gemacht, das bis dato vor sich hin wucherte.

Von PRIMAL SCREAM, THE MIGHTY LEMON DROPS, SOUP DRAGONS, WOLFHOUNDS, THE BODINES, MIGHTY MIGHTY, STOMP (unglaublich kurios, ihr „Buffalo“, auch bald dreißig Jahre später noch), BOGSHED, A WITNESS, THE PASTELS, AGE OF CHANCE, SHOP ASSISTANTS, THE CLOSE LOBSTERS, MIAOW, HALF MAN HALF BISCUIT, THE SERVANTS, MacKENZIES, BIG FLAME, FUZZBOX, McCARTHY, THE SHRUBS und THE WEDDING PRESENT (von den BOXHAMSTERS bald darauf zu „Wedding Präsident“ verballhornt) hatte eigentlich nur gehört, wer das seit 1952 wöchentlich erscheinende „Zentralorgan“ der britischen Musikszene las.

Ich bin ernsthaft erstaunt, dass ich beim Abtippen der Liste feststellen musste, dass mir jede Band zumindest vom Namen her noch bekannt war – verblüffend, was sich in jungen Jahren so im Hirn festfrisst ...

Für meinen damaligen Punk-Geschmack war gar nicht mal so viel dabei, SOUP DRAGONS (UNDERTONES und BUZZCOCKS ließen grüßen) und FUZZBOX vielleicht, der Rest war ganz schön ... indie. Musik irgendwie, die zwar an Bekanntes anknüpfte, aber damals in die Zukunft wies, neu war.

Diverse der Bands wurden groß, andere gerieten bald wieder in Vergessenheit – welche kann man leicht feststellen, indem man die Liste durchgeht und wissend nickt oder eben nicht. Nach dem opulenten Compilationwerk „Scared To Get Happy“ mit ähnlicher Thematik hat Cherry Red nun diesen Klassiker neu aufgelegt und um zwei weitere CDs ergänzt, auf der sich Bands finden, die damals schon, wäre es eine Triple-LP gewesen, hätten dabei gewesen sein können.

Hier stößt man auf THE PRIMITIVES, B.M.X. BANDITS, THE MEMBRANES, THE WEATHER PROPHETS, TALULA GOSH, THE JESUS AND MARY CHAIN, THAT PETROL EMOTION, THE CHESTERFIELDS, THE NIGHTINGALES, HAPPY MONDAYS, BIFF BANG POW!, THAT PETROL EMOTION, BLUE AEROPLANES, POP WILL EAT ITSELF und einige andere mehr, insgesamt sind hier 72 Bands/Songs vertreten.

Wer zu jung war, um damals dabei gewesen zu sein, wer damals zwar das richtige Alter hatte, aber zu Punk für diese Bands war, wer seine Erinnerung auffrischen will, der sollte unbedingt zugreifen und sich in einer ruhigen Stunde (eher drei oder vier) durch das Booklet arbeiten, in dem es auf 48 Seiten ausführliche Linernotes von Taylor gibt.