V.A.

Ich möchte ein Eicher sein CD

Wie schön, nachdem ich mir die mittlerweile schon ein halbes Jahr alte Platte längst (teuer!!!) aus Frankreich besorgt habe, erbarmt sich nun auch endlich ein deutsches Label mit Vertrieb. Eine gute Sache, denn die bisher nur in der Schweiz und in Frankreich erschienene CD hat es durchaus verdient, zumal beide Landesnachbarn im Bezug auf Plattenexporte manchmal so weit entfernt scheinen, wie die argentinische oder mexikanische Musikszene.

Der Sampler ist eine Hommage, eine Huldigung und eine Verbeugung vor dem frühen Schaffen der beiden Eicher-Brüder Stephan und Martin, besser bekannt als GRAUZONE und eben dem Solokünstler Stephan Eicher in seiner frühen elektronischen Schaffensperiode, die an das GRAUZONE-Werk anschließt.

Das Phänomen GRAUZONE begann als Quartett, bescherte der Neuen Deutschen Welle einen ihrer größten Hits, der eigenartigerweise aus der Schweiz kam, und ist eine der vielen unvollendeten Stories der Musikgeschichte.

Die Band, nach der ersten LP zum Duett geschrumpft, dann wieder zum Trio angewachsen, löste sich während der Aufnahmen zur zweiten Platte auf. Martin zog sich in die Berge zurück, um sich Jahre später mit einer Mini-LP noch einmal zurückzumelden.

Stephan Eicher machte da weiter, wo er schon während GRAUZONE angefangen hatte, nämlich solo. 17 Musiker aus der Schweiz und dem nahen Frankreich widmen hier nun ihre Aufmerksamkeit dem elektronischen Werk der Eicher-Brüder, das von 1980 ("Noise Boys Song") bis 1987 zum jüngsten Ausreißer ("Combien de temps") reicht.

Das Schöne an der Sache ist, dass die Stücke weder 1:1 nachgespielt noch ausschließlich auf eine Art gecovert oder neu interpretiert werden. Die Bandbreite reicht von Minimalelektronik über Remixe, abgehobene Spaceversionen hin zu charmanten Songs, die mit frankophilem Akzent einem bekannten Stück eine völlig neue Note geben.

Einige setzen die angefangene Film-Reihe mit "Film 3" fort, während an anderer Stelle gekonnt mit Samples gearbeitet wird. Zum Beispiel bei "Two people in a room", das zu einem waschechten Discohit umgebaut wird, so wie ihn auch Tok Tok hätten produzieren können.

"Les filles du Limmatquai" (im Original der eigentliche Tanzflächenfüller) wurde zu einem völlig relaxten Song, der neben dem Eicher-Schaffen gleich auch noch AIR gerecht wird. Es macht Spaß diese CD mehrfach anzuhören, denn eines haben alle 17 Songs auf diesem exquisiten Sampler gemeinsam: Sie werfen auf jedes Stück ein völlig neues Licht, eines, das auch nach dem zehnten Durchlauf immer wieder neue Schatten wirft.

Wer will, der findet auch einen klitzekleinen Schönheitsfehler, denn "Nice" stammt nicht aus der Feder eines Eichers, sondern von KLEENEX. Wer aber hier nörgelt, der fliegt raus und darf erst wiederkommen, wenn er sich schriftlich in alle Form entschuldigt hat.

Eines der besten Samplerdenkmäler, das jemals errichtet wurde. (9)