V.A.

Close To The Noise Floor

Der Untertitel „Formative UK Electronica 1975-1984 – Excursions in Proto-Synth, DIY Techno and Ambient Exploration“ erläutert, worum es auf dieser vier CDs umfassenden Compilation in Form eines kleinen, gebundenen Buches mit dickem Booklet geht.

Parallel zu den Ausläufern von Krautrock in Deutschland, zu NDW, zu den Nachwehen von Punk in Großbritannien, entstand in Großbritannien eine nur lose zusammenhängende Szene von oft eigenbrötlerischen Soundtüftlern, die mit dem Aufkommen erster bezahlbarer Synthies und einfacher Homerecording-Ausrüstung im sprichwörtlichen Schlafzimmer an neuen Klängen bastelten – oft im Alleingang, zu zweit, eher selten in klassischer Bandbesetzung.

Neue Klangwelten wurden erkundet und erschaffen, Geräusche weiterverwendet und verfremdet, Popmusik dekonstruiert und neu erfunden – incredibly strange music, die mit dreißig, vierzig Jahren Distanz aber durch ihren Einfluss und ihre Spätfolgen oftmals aus heutiger Sicht weitaus weniger seltsam wirkt, als sie es seinerzeit tat.

Konzipiert und zusammengestellt wurde „Close To The Noise Floor“ von Richard Anderson zusammen mit Dave Henderson, der Anfang der Achtziger als junger Journalist unter anderem für „Sounds“ jenes aufkeimende, oft auf Cassette per Hometaping veröffentlichende und zunächst unverstandene und wenig beachtete Phänomen begleitete und dies auch in seinen Linernotes schreibt.

Unter den sechzig Bands (?) auf dieser Compilation, die sich über vier CDs und mehr als vier Stunden Spielzeit erstreckt, finden sich an bekannten Namen etwa John Foxx, BLANCMANGE, ORCHESTRAL MANOEUVRES IN THE DARK, THE HUMAN LEAGUE, EYELESS IN GAZA, THROBBING GRISTLE, LEGENDARY PINK DOTS und MUSLIMGAUZE, aber es geht hier explizit nicht um ein virtuelles Best-Of-DJ-Set, sondern um den Versuch, möglichst viele Facetten einer disparaten Szene abzubilden.

Ich wette, hätte man fünf Sammler entsprechender Platten gebeten, ihre sechzig besten Songs auszuwählen, es hätte nur minimale Überschneidungen zwischen den Listen gegeben. Und so sind es Songs wie Alan Burnhams „Music to save the world by“, „Drugface“ von THE PASSAGE oder „(Leaving me) Now“ von WORLDBACKWARDS, die zu den heimlichen Hits gehören und Jahrzehnte nach ihrer Kreation für mich eine interessante Entdeckung darstellen.

Hintergründe zu den jeweiligen Tracks gibt’s in den teils recht ausführlichen Artikel im Booklet, ergänzt durch Flyer- und Cover-Abbildungen.