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V.A.

C90

1986 veröffentlichte das damalige Leitmedium der britischen Popkultur, der New Musical Express alias NME, eine MC-Compilation mit dem denkbar simplen Titel „NME C86“. 22 Bands fanden sich darauf, 40.000 Stück wurden verkauft, und etwas später (1987) gab es auch eine LP-Version – die ich damals aus purer Neugier kaufte, weil billig und obwohl ich die Bands darauf höchstens mal dem Namen nach kannte.

Die britische, aber auch die europäische Indie-Szene war begeistert davon, was sie da zu hören bekam, bald schon war von einer „C86-Szene“ die Rede. Aber was war geschehen? Neil Taylor, der Kompilierer, hatte zu einer Zeit, als Punk in England gefühlt ebenso tot war wie Wave/Goth, eine Reihe irgendwie neuer Bands zusammengesucht und damit eine Klammer um etwas gemacht, das bis dato vor sich hin wucherte.

Als 2014 eine Neuauflage von „NME C86“ erschien, war diese bereits um zwei weitere CDs erweitert worden, um das gesamte Spektrum dieses Phänomens abzudecken, das natürlich auch auf der ursprünglichen Compilation nicht enthaltene Bands umfasste.

Mit „C87“, „C88“ und „C89“ wurde dieses Spielchen dann 2016, 2017 und 2018 weitergetrieben. Nun wurde dieses Konzept auch für das Jahr 1990 fortgeführt und es hat sich tatsächlich nicht abgenutzt – zumindest für mich nicht, Menschen, die nur noch in Spotify-Playlists denken, mögen das anders sehen und sollten bedenken, dass längst nicht alle Musik in deren Repertoire ist.

Sich allein dort musikalisch weiterzubilden, hat also was davon, beim Pizzataxi seiner Wahl auch mal was Chinesisches, Mexikanisches oder Türkisches zu ordern und das als Gourmet-Neugier zu bezeichnen ...

Im dicken Booklet dieser Triple-CD-Box kann man zunächst einen spannenden Text von Tim Barr zum Jahr 1990 und den popkulturell-politischen Verknüpfungen in Bezug auf die britische Gesellschaft lesen – er erklärt den Kontext, in dem sich die auf „C90“ präsentierten Bands entwickelten.

Los geht es mit CHARLATANS, dann kommen OCEAN COLOUR SCENE, SAINT ETIENNE, NORTHSIDE, LUSH, SPIRITUALIZED, BOO RADLEYS, SWERVEDRIVER, SLOWDIVE und PALE SAINTS, es folgen MANIC STREET PREACHERS, NED’S ATOMIC DUSTBIN, THE TELESCOPES, SPACEMEN 3, THE DARKSIDE, JANE FROM OCCUPIED EUROPE und zig andere, 63 Songs in rund vier Stunden Spielzeit.

Eine Menge Stoff für spannende Entdeckungen und kundige Linernotes gibt es on top. Wann macht mal jemand so was für die deutsche Szene ...?