V.A.

Brazilian Nuggets – Back From The Jungle Vol. 1 & 2

Edgar Groovie weilt regelmäßig in Brasilien und hat durch Flohmarktbesuche und Kontakte zu Sammlern einen Stapel obskurer, rarer und vergessener Singles der brasilianischen Sixties-Musikszene angehäuft, der hier für die Nachwelt konserviert wurde.

Bei Samplern dieser Art tun sich in der Regel zwei Probleme auf: zum erweisen sich „Nuggets“ oftmals als Aneinanderreihungen von Songs, die aufgrund minderer Qualität mit gutem Recht von den Chronisten vernachlässigt wurden und zum anderen kommt es schnell zum Phänomen des „poverty porn“.

Als rückständig, grotesk und belächelnswert werden die Interpreten dann – vor allem mit den Bewertungskriterien des angloamerikanischen Garage-Kanons – wahrgenommen und bestenfalls als „Exotica“ katalogisiert.

Beiden „Brazilian Nuggets“ gelingt es, diese Handicaps zu umgehen: die Songs können sich im Wiederveröffentlichungswust behaupten, die Tracklist wurde sorgfältig koordiniert und das ganze ansprechend aufbereitet.

Ausführliche Linernotes, Label- und Coverscans und eine charmante Covergestaltung von Darren Merinuk lassen keine Zweifel daran, dass es sich hier um das Resultat vom glühenden Enthusiasmus eines Musikbesessenen handelt.

Um 1965 fand brasilianischer Teensound vor allem durch den Musik-TV-Kanal „Joven Guarda“ Verbreitung, weswegen sich dessen Name auch bald als Genrebezeichnung etablieren sollte. Zwischen Yéyé, Psych, Surf, R&B, Doo-wop, tropischen Beachsounds und Sixties-Garage gedieh also trotz der Militärdiktatur von 1964-1985 ein lebendiger Rock’n’Roll-Underground, dessen populäre Artists sich zum Teil auf den „Brazilian Nuggets“ wiederfinden.

Zum anderen, größeren Teil jedoch wurden lokale One-Hit-Wonder als auch Bands, die es niemals in die Öffentlichkeit geschafft haben, gewählt. Auch in den Stilistiken spiegelt sich diese Vielfalt wider, so dass bei keiner Umdrehung Langeweile aufkommt.

Unruhiges, fuzzlastiges Psych-Gefrickel trifft auf Tropicalismo-R&B-Stomper wie Sonny Delane’s „Não sei“; den DAKOTAS wird mit einer manischen „Mar cruel“-Version Tribut gezollt und überhaupt lohnt es sich, auf die Suche nach Coversongs zu gehen – der Teen-Angst-Klassiker „Pushin’ too hard“ (THE SEEDS) und „Born to be wild“ sind wohl am einfachsten zu erkennen.

Es tauchen zwar auch schwächere Songs auf, das Remastering hätte sauberer ausfallen können und leider verfügt Vol. 2 nicht über ein so schönes Klappcover, aber nichtsdestoweniger darf man sich auf den dritten Streich freuen.