LEGENDÄRE COMPILATIONS

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Mutti’s muntere Melodei

(LP, Destiny, 1984)

In den frühen Achtziger Jahren waren Punk-Labels in der Bundesrepublik Deutschland noch eine Seltenheit. Wer nicht das Glück hatte, Aggressive Rockproduktionen, Mülleimer oder Rock-O-Rama von seiner Band zu überzeugen oder sich im Repertoire der Veröffentlichungen nicht wiederfinden konnte, dem blieb entweder die Möglichkeit, seine Songs auf Tape aufzunehmen oder ganz im Sinne von DIY ein eigenes Label zu gründen, so wie es David Pollack 1983 mit Destiny tat. Eines der Ziele war es auch, besonders Bands aus Berlin zu unterstützen. Eine der ersten Veröffentlichungen des jungen Labels ist ein LP-Sampler, auf dem fünf vor allem Berliner Bands mit mehreren Songs vertreten waren. Zu den bekannteren zählen BETON COMBO aus der Gropius Stadt, die drei sehr gute Songs beisteuerten. Die weiteren Bands aus Berlin sind PORNO PATROL, bei denen David auch sang, THE REST und TBC, die hier alle ihr Vinyl-Debüt gaben. Die einzige West-Band sind TOXOPLASMA, die mit zwei Non-LP-Tracks, „Bunker party“ und „Noch mehr Orden“, vertreten sind. Von TBC gibt es ebenfalls zwei Songs zu hören, die unter anderem „St. Tropez“ besingen und etwas an CANAL TERROR erinnern. THE REST hämmerten drei Songs runter, davon zweimal hyperschneller Pogo-Punk mit diesem typischen West-Berliner Feeling. PORNO PATROL hatten schon eindeutig einen von US-Bands beeinflussten Sound. Die Zusammenstellung der Bands erweist sich im Rückblick als richtungsweisend für die BRD-Punk-Szene, da der Sampler sehr gut die Übergänge vom „Deutschpunk“ hin zum Hardcore dokumentiert. Während BETON COMBO, TBC und TOXOPLASMA eher den in dieser Zeit vorherrschenden Pogo-Punk spielten, ist es bei PORNO PATROL definitiv schon der Sound, der in dieser Zeit noch unter dem Namen „Ami-Punk“ lief und bald als Hardcore bekannt werden sollte. Und auch bei THE REST sind die Übergänge fließend. Vielen von uns war das ja egal – Hauptsache es knallte ordentlich aus den Boxen. Und da ist der Name „Mutti’s muntere Melodei“ schon Programm. Die Coverzeichnung zeigt dann auch die entsprechende Mutter, na ja, eher ein Zombie, im Schaukelstuhl im Wohnzimmer vor einem Kamin. Und ich bin mir sicher, dass seinerzeit jede unserer Mütter absolut nicht darüber erfreut war, welche Klänge da aus den Zimmern ihrer Sprösslinge an ihre Ohren drangen. Das Backcover zeigt keine Tracklist, sondern Fotos der vertretenen Bands und Crowd Pictures. Die Titel finden sich dann auf dem Label der jeweiligen LP-Seite. Die LP kam mit Textblatt und ist leider nicht mehr aufgelegt worden. Die nächste Veröffentlichung auf Destiny war folgerichtig die PORNO PATROL-EP „Jump Back“, und David begann bald darauf, auch Punk-Konzerte zu organisieren – und das macht er bis heute.