(CD, Massproduktion, 1998)
1998 brachte das 1979 gegründete schwedische Label Massproduktion zwei Compilation-CDs heraus, die den passenden Untertitel „Punk Från Provinserna 78-82“ tragen – Punk aus der Provinz. Insgesamt 41 Bands sind mit jeweils einem Song vertreten und beweisen nachdrücklich, dass Punkrock in Schweden auf äußerst fruchtbaren Boden gefallen war. Dazu dürfte unter anderem auch der Auftritt der SEX PISTOLS im Juli 1977 in Stockholm beigetragen haben. Die ersten Aufnahmen von Bands stammen schon aus dem Jahr 1978, wie etwa von P-NISSARNA, die mit „Benzin“ den Auftakt machen. Und keine Band kling wie die andere. Natürlich ist es Punk, aber der Bogen wird gespannt von klassischem Punkrock über Post-Punk zu durchaus experimentellen Klängen, auch mal mit Saxophon wie bei MACKT. Dagegen spielen MASSMEDIA, deren Song den Titel „Das Jazz“ trägt, wilden Punkrock, der mich an RAZORS erinnert. Im Gegensatz zur BRD, wo viele der frühen Bands englische Texte hatten, sind hier alle Songs auf Schwedisch. Bekannteste Bands auf Volume 1 dürften neben P-NISSARNA auch MISSBRUKARNA und SHIT KIDS sein. Meine persönlichen Hits kommen von URBAN SLÄKE oder auch NOISE. LOLITA POP spielen, wie der Name schon sagt, eher Pop mit Punk/New-Wave-Einschlag und sind wie MIZZ NOBODY, BESÖKARNA und SVART eine Band mit Frauenbeteiligung, alle sind „female fronted“. Volume 2 gefällt mir aber insgesamt besser, es startet mit der wohl bekanntesten Band dieser Zeit – den immer noch aktiven ASTA KASK aus Linköping, die in „Ringhals brinner“ den Brand in einem schwedischen AKW besingen. Bands wie TRASTE OCH SUPERSTARARNA, gegründet im April 1977, BAD BOO BAND, KRIMINELLA GITARRER, VACUM, SARAH COFFMANN oder auch TST spielen diesen einzigartigen schwedischen Punkrock dieser Zeit, während TT-REUTER definitiv gerne DAMNED gehört haben. Düsterer Post-Punk kommt von UNTER DEN LINDEN/ATT SOM ebenso wie von ONBIRDS oder DIESTINCT, die wie eine Symbiose aus JAM und JOY DIVISION klingen. Die Aufmachung der CDs ist vorbildlich. In den Booklets werden alle Bands ausführlich vorgestellt, teilweise auch mit Fotos – leider natürlich nur auf Schwedisch. Was ich lesen und verstehen kann, ergibt in der Summe eine Geschichte des schwedischen Punkrock der Jahre 1978 bis 1982, der wirklich etwas ganz Besonderes war – noch vor der grandiosen Dis-Hardcore-Welle und Trallpunk. Eingedenk dessen, dass Schweden nur rund 10 Millionen Einwohner hat, ist nicht nur die Tatsache, dass es so viele Punkbands gab – und auch noch gibt – ein Unikum. Auch die Stilvielfalt sucht weltweit ihresgleichen. Von daher ist es sehr bedauerlich, dass es bisher noch keine Neuauflage dieser zweiteiligen Compilation gegeben hat.
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