Legendäre Compilations

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V.A. Punk Dead – Nah Mate, The Smell Is Jus Summink In Yer Underpants Innit (12“, Pax, 1983)

Großbritannien 1983. Die ’82er Punk-Welle ebbte langsam ab. Viele Bands, die von der Öffentlichkeit als Protagonisten wahrgenommen oder in den Musikmagazinen als solche gehypet wurden, veränderten ihren Stil, weg vom Punk hin zu Pop, New Wave oder Heavy Metal. Die Londoner Musikpresse beschwor erneut den Tod von „Punk“ und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder anderen Musikgenres zu. Außerhalb von London war die Wahrnehmung eine ganz andere. Das Pax Label aus Sheffield veröffentlichte als Reaktion auf die „Is Punk dead?“ Artikel einen 12“ Sampler, um diese Aussage zu widerlegen.

Die musikalische Antwort geben sechs Bands aus Sheffield und Umgebung mit jeweils zwei Songs. Alle Bands spielen Anarcho-Peace- oder Hardcore Punk britischer Prägung. MAU MAUS, die gerade ihre ersten beiden 7“s auf Pax veröffentlicht hatten, eröffnen mit der Forderung „Give us a future“, gefolgt von XTRACT und ANTI SYSTEM, die mit Songs von ihrem Demotape vertreten sind. SEPTIC PSYCHOS zeichnen in ihrem Song „The Thatcher“ das Bild eines Monsters, das nachts kleine Kinder frisst und am Tag das Land regiert. Ähnlichkeiten mit der damaligen Premierministerin dürften rein zu fällig gewesen sein. XPOZEZ und MANIA vervollständigen das Line-up des Samplers, der einen kleinen Einblick in die sehr agile Punk-Szene Mittelenglands der frühen Achtziger Jahre gibt. Die 12“ kommt im aufwändigen Klappcover in typischer Schwarzweiß-Optik. Im Innenteil sind alle Texte der Bands abgedruckt. Fast die gesamte Fläche des Backcovers nutzte Marcus Featherby, der Betreiber von Pax, dann für seine Ansichten bezüglich der Frage „Is Punk dead?“.

Dabei beschränkte er sich nicht darauf, die Londoner Musikjournalistenzunft – allen voran Gary Bushell, der zu dieser Zeit für das Magazin Sounds schrieb – als „Schreibtischtäter“ ohne Bezug zu den „Kids on the streets“ zu diffamieren. Featherby skizzierte auch anhand mehrerer Beispiele, wie schon am Ende der Siebziger Jahre mit geringen Mitteln und Eigeninitiative D.I.Y.-Strukturen in Sheffield aufgebaut werden konnten, um so für alle erschwingliche All-Ages-Punk-Konzerte oder Radio-Airplay für unbekannte Punkbands zu ermöglichen. Weiterhin gab er Tipps, um selbst aktiv zu werden, und bot dabei auch seine Unterstützung an, denn „Punk ist genau das, was du daraus machst“. Zum Schluss konnte Featherby immerhin doch noch einer Aussage von Bushell zustimmen: „Der Schlüssel für das Jahr 1983 muss die Aufgeschlossenheit sein.“ Die Veröffentlichungen von Pax sind, abgesehen von einer lieblosen Zusammenstellung auf Anagram aus dem Jahr 1996, leider nicht wieder aufgelegt worden.