Legendäre Compilations

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WILD RIDERS OF BOARDS LP, High Speed Productions, 1985

Wer diesen LP-Sampler einmal in der Hand hatte, wird ihn nie wieder vergessen! Vor allem nicht, wenn man auch nur ansatzweise etwas mit der Skateboard- und Punk-Szene zu tun hatte. Wobei es wohl auch einige Leute geben wird, die von diesem legendären Sampler hier zum ersten Mal hören werden. Die Überschrift für den Titel der LP lautete „Thrasher Skate Rock Volume 3“, was ein klarer Hinweis auf das Thrasher Magazine ist, welches 1981 in San Francisco als reines Skateboard-Magazin gegründet wurde und bis heute existiert. In der gesamten Skateboard-Szene genießt das Thrasher ein hohes Ansehen, weil es seinen Wurzeln immer treu geblieben ist.

Der ursprüngliche Skateboard-Hype der Mittsiebziger war schon längst abgeflacht, so dass es fast ausschließlich die uncoolen Punks in den USA waren, die Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger in den USA mit ihren Brettern entgegen jeglichem Trend weiterfuhren. Heute weiß jeder, dass es die Punk-Szene war, die das Skateboardfahren wieder populär gemacht hat. Erst in den USA, danach in Europa. In Deutschland war es Titus aus Münster, der den Trend massiv förderte, wobei die Underground-Skate-Punk-Szene gerade aus dem Ruhrpott (ich erinnere hier gerne an die „Skatebrigade“ aus Marl und Mülheim) nur mäßig von Herrn Titus angetan war. Als Skateboarder braucht man seinen eigenen Sound, der einem das Gefühl von Wildheit und Freiheit vermittelt. Auch dann noch, wenn man sich das nächste Mal mit seinem Board langmacht. Das ist nicht als Verarsche gemeint, sondern klar ein wichtiger Teil dessen, was das Rollbrettfahren ausmacht. Es geht darum, dass man als Skateboarder eines akzeptieren muss: an den regelmäßigen Stürzen auf die Fresse führt kein Weg vorbei, diesen Schmerz muss man aushalten, und es einfach wieder versuchen. Bis es irgendwann klappt mit dem Skateboardfahren ...

Von den „Skate Rock“-Samplern gibt es inzwischen über ein Dutzend Ausgaben, wobei die meisten stilecht nur auf Kassette rausgekommen sind. Lediglich ein paar wenige erschienen auch auf Vinyl, wie etwa „Volume 3“. 1985, zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser LP, gab es beim Thrasher Magazine einen talentierten Redakteur namens Brian Schröder, viel besser bekannt unter seinem Pseudonym Pushead. Seinem musikalischen Geschmack und Einfluss ist auch die grandiose Bandzusammenstellung auf „Wild Riders Of Boards“ zu verdanken.

Es gab damals eine ganze Reihe von Bands, die mit Skatepunk/Hardcore in Verbindung gebracht wurden: GANG GREEN, die hier mit ihrem genialen Song „Skate to hell“ am Start sind, oder die kanadischen BEYOND POSSESSION mit „Skater’s life“. Weitere tolle Hardcore-Smasher gibt es von THE ACCÜSED aus Seattle, CORROSION OF CONFORMITY aus Raleigh in North-Carolina, von Pusheads eigener Band SEPTIC DEATH (die ursprünglich aus Boise, Idaho stammt), CHRIST ON PARADE aus der Bay Area in Kalifornien, BONELESS ONES aus Kalifornien, sowie von der schwedischen Band SLAM, von denen der Titeltrack „Wild riders of boards“ stammt. Die hier auf diesem Sampler vereinten Bands sind allesamt für ihre krasse Wildheit und die Schnelligkeit der Songs bekannt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass man bis heute kaum jemanden findet, der bereit wäre, sein Exemplar zu verkaufen.

 


In der Prä-Internet-Zeit, als nicht jeder jederzeit überall Zugang zu beliebigen Streaming-Playlisten hatte, stellten Compilations, egal, ob auf Tape oder professionell auf LP vervielfältigt, ein wichtiges Austauschmedium statt. Oft international besetzt, verknüpften sie Städte, Regionen, Länder, Kontinente in Sachen Punk. Bands wie Compilation-Macher legten Wert darauf, sich mit ihren ein, zwei Songs möglichst gut zu präsentieren, im Wissen darum, dass auf diesem Wege Punks weltweit ihre Band kennen lernen würden. Fast immer lag den Compilations ein Booklet bei, mit Songtexten, Fotos, Kurzinfos zu den Bands – und der Postadresse. Brieffreundschaften entstanden so, Touren und Konzerte wurden auf dem Postwege organisiert, Platten bestellt, Mailorder und Labels entstanden, ganz zu schweigen vom musikalisch-kulturellen Austausch.

Neue Bands lernte man fast nur so kennen, oft wurden sämtliche Platten der vorgestellten Bands nach und nach zusammengekauft, Bands ließen sich voneinander beeinflussen, musikalisch wie inhaltlich. Der Aufwand zur Erstellung solcher Compilations war erheblich, der Postweg dauerte von Land zu Land oft Wochen, und so gingen auch mal ein, zwei Jahre ins Land, bis so ein Sampler stand.

Mit dem Aufkommen der CD wurden Compilations zunehmend zum billigen Marketinginstrument, Playlists zu beliebigen Themen kann heute jeder bei diversen Streaming-Diensten zusammenstellen, und doch geht eigentlich nichts über sorgsam kuratierte Themen-Compilations mit dickem Booklet, die Ewigkeitscharakter haben. Solche Compilations werden in dieser Serie vorgestellt.