Sollte ich vorweg erwähnen, wie froh ich bin, diesen Artikel nicht bereits vor Wochen im Affekt getippt zu haben, als 80% des Grundgerüstes an einem Abend als Notizen auf ein zuvor unbeschriebenes Blatt wanderten? Sicher hätte es sich seinerzeit großartig angefühlt, das empfiehlt sich aber nicht in Zeiten wie diesen, in denen das, was gestern noch sicher war, heute schon wieder überholt ist.
Der eigentliche Punkt ist, dass diese Zeilen ihren Ursprung irgendwann Ende 2019 hatten und nicht erst inmitten der Vereinsamung oder im Angesicht leerer Regale entstanden sind. Es ist meine tiefste Überzeugung, keine Momentaufnahme, dass wir a) alle sterben müssen (irgendwann) und b) die Menschheit dem unvermeidlichen Untergang entgegensteuert, weil sie unfähig ist, einfachste Dinge gemeinsam zu erkennen und sich auf einen Nenner zu einigen. Können wir doch? Ach! Wir könnten uns ja mit zehn beliebig herausgepickten Lesern noch nicht einmal auf eine Band oder Platte einigen, die wir alle gleichermaßen gut oder kollektiv scheiße finden, ohne dass jemand beleidigt ist.
Die Zeichen der Zeit, vor allem die aktuellen (Stand heute, 23. April, Tag des deutschen Bieres), belegen eindeutig, dass die Menschheit unweigerlich auf ihren zivilisatorischen Untergang hinsteuert, und es sind viele Anzeichen, die in ihrer Summe mehr als die Einzelteile der Blödheit ergeben, so viel ist sicher.
Es gibt unzählige Dinge, die ich einfach nicht verstehe. Dinge, die mir tagtäglich begegnen und nur den einen Schluss zulassen: Wir sind verdammt. Jedes Mal, wenn ich hinter einem dieser übergroßen Autos herfahre, die Lkw-Maße haben, aber mit einem einfachen Führerschein Klasse 3 bewegt werden dürfen. Auspuffgetunete, hochgezüchtete SUVs, die offroadfähig sind, mit Pferdestärken unter der Haube, die man aber trotzdem permanent in den Stillstand bremsen muss, weil der Fahrer vor einem mit seiner Kompensation des kleinen Genitals ganz, ganz vorsichtig über eine kleine Unebenheit (ein Ast, ein Kieselstein, ein geplätteter Igel) fahren muss, damit das zwischen Paris und Dakar erprobte Allradgefährt nicht kaputtgeht. Momente, in denen ich froh bin, dass Waffenbesitz nicht überall so leger gehandhabt wird wie in den USA.
Mir sind Menschen ein Rätsel, die trotz anhaltender Dürre täglich ihren immer brauner werdenden Rasen mähen, weil sie sonst nichts zu tun haben, um dann zu jammern, dass sie ihn jeden Abend wässern müssen. Flip-Flop-Bergwanderer sind mir zutiefst suspekt, und wie oft habe ich schon beim Abstieg bedauert, dass die eigene Pumpe für einen erneuten Bergaufstieg, einfach so, nur zur Begleitung des Scheiterns, leider nicht reichte. Wo Horden bei der Vorgabe, einfach mal ein paar Tage zu Hause zu bleiben (außer um Einkaufen und zur Arbeit zu gehen), sich mit Zelluloseartikeln eindecken, die ganz am Ende der Nahrungskette stehen, und das auffüllen, was offenbar noch nie zu ihrer normalen Grundausstattung gehörte (Seife), verschwinden die Fragezeichen von ganz alleine.
Dabei kann man einigen vielleicht nicht einmal wirkliche Vorwürfe machen, denn das, was sie tagtäglich sehen, wird von Idioten fabriziert, die seit etlichen Jahren mit Dingen durchkommen, für die unter normalen Umständen jeder Hofnarr vor die Tore der Stadt gejagt worden wäre, statt überzogene Honorare einzustreichen. Sofern du einmal einen Herzinfarkt haben solltest, bete darum, dass der „Ersthelfer“ keine Arztserien verschlungen hat, um dich dann an die Starthilfe „Defibrillator“ anzuschließen und wie Dr. Victor Frankenstein mittels Elektroschock ins Leben zurückholt. Frag als Hobbytaucher bei der Aushilfe am Strand lieber zwei Mal nach, ob er dir wirklich eine Sauerstofflasche aufgefüllt hat oder ob es sich nicht nur um einfache Pressluft handelt, die um ein Vielfaches bekömmlicher ist. Wann immer ich in Filmen und Serien solche Dinge sehe, wünsche ich dem Drehbuchautor alles Gute beim schnellen Sterben, weil man ja niemandem etwas Böses wünschen sollte. In dieselbe Kategorie fallen Filmemacher, die suggerieren, dass es bei einem drohenden Meteoriteneinschlag hilfreich ist irgendwohin zu rennen oder bei einer Flutwelle erst einmal nachzusehen, wo denn das Wasser hin ist, um anschließend irgendwohin zu flüchten, außer auf irgendeine Erhebung. Dieselben Pfuscher halten Dachböden für sichere Rückzugsorte vor Zombies und Feuer, außerdem „Ach, trennen wir uns“ für eine immer noch legitimes Script bei Horrorfilmen. Aber es soll ja auch bis heute Leute geben, die den Trick mit der zersägten Jungfrau noch nicht kennen. Vor allem „Jungfrau“, wer’s glaubt!
Wie schlecht es um den menschlichen Verstand bestellt ist, offenbart sich nicht nur jedes Jahr in der Faschingszeit – ja, ja, ich weiß, ihr Rheinländer habt eure eigene Religion, die hatten die Maya mit ihren Menschenopfern aber auch –, sondern auch jedes Mal bei einem Geburtstag, wenn du ein Buch in der Hand hältst, auf dessen Umschlag der Preis mit dickem Edding „unkenntlich“ gemacht wurde. Dieselben Gratulanten „vergessen“ normalerweise, die Preisschilder von ihren hundsteuren Schuhen abzumachen oder interessieren sich einen Scheiß dafür, dass auf den Balkonblumen noch immer der dekorative Barcode der Gärtnerei zu sehen ist, während er auf jeder Getränkeflasche wegen „der Strahlen“ penibelst entstört wird, damit das Mondwasser keinen Schaden nimmt.
Zu meinen erklärten Lieblingen gehören Menschen, die ihre Platten mit Permanentmarkern für immer und ewig als ihr Eigentum markieren, um sie dann doch auf den Flohmarkt zu schleppen. Unschlüssige, die sich nicht so sicher sind, dass diese eine Band für immer an sie gebunden ist, besitzen immerhin noch so viel Würde, die Markierung nur mit den Spuckadressauflebern vorzunehmen, die sie in geistiger Umnachtung mal im 10.000er-Pack bestellt haben. Wenigstens kriegt man die, im Gegensatz zu Stempeln, Kuli oder Lackstift, mit noch mehr Spucke wieder weg. Auf dem Weg zum Untergang bewundere ich tagtäglich impfbefreite Sagrotan-Muttis, die alles rund um ihr Kind desinfizieren, und sich dann wundern, warum es wirklich jede nur erdenkliche Allergie bekommt und letztendlich an einem simplen Schnupfen beinahe zugrunde geht.
Noch mehr herze ich alle, die zu jeder Gelegenheit nur „ohmygod“ oder das muslimische Äquivalent von sich geben. Beides ist in jeder Lebenslage gleichermaßen unhilfreich und Ausdruck der eigenen Beschränktheit. Ebenfalls ganz vorne dabei: Whatabouts! Egal welches Thema, hier eine ganz andere Sache, die noch viel schlimmer ist. Facebook-, Foren- oder Twitter-Poster, die bei einem Atomunfall oder der Auslöschung eines halben Kontinents mit Statistiken von Verkehrstoten, hungernden Kindern oder Genderungerechtigkeitsmemes voller Schreibfehler um sich werfen, weil ja alles nicht so schlimm sein kann. Manche Menschen sollten einfach keinen Zugang zum Internet haben, meine Meinung. Krebserregend? Giftig? Schädlich fürs Weltklima? Solange keine Arbeitsplätze bedroht sind! Die ganzen Sitzenbleiber, die keine zwei geraden Sätze hinbekommen, aber über Geheimwissen verfügen, das nur sie besitzen und verstehen, machen mir wirklich Angst. Was ist, wenn sie doch recht haben? Niemals! Wenn für die Erklärung eines einfachen Sachverhaltes Stunden draufgehen, um das Ganze aus einer „alternativen Sichtweise“ aufzubereiten, bin ich mir ziemlich sicher, dass das Ende der Einbahnstraße eine Sackgasse ist.
Dann wäre da noch die Frage aller Fragen, wann die Bundesliga wieder spielt? Wenn wir schon dabei sind: Wie kann den armen notleidenden Konzernen, die jahrzehntelang von einer Gewinnausschüttung zur nächsten geeilt sind, dringend, vor allem aber schnellstens geholfen werden, und was macht an dieser Stelle eigentlich der DAX? Artgenossen, die ihren Thailandurlaub ohne die Frau als „Kulturreise“ verkaufen, sind nicht das Problem, vielmehr sind es die Leute, die ihnen das tatsächlich abkaufen. Solange Mopeds oder Cabriolets den schwindenden Haaransatz übertünchen und begattungswillige Spielgefährten erzeugen, die dank Hubraum über ebenjenen oberhalb der Genitalien hinwegsehen, mache ich mir keine Sorgen, dass sich mein Weltbild ändern könnte. Wenn Haarwuchs- und Potenzmittel einen höheren Stellenwert in der Forschung haben als die Krebsvorsorge, dann sind die Prioritäten eindeutig gesetzt, Hauptsache, er steht!
Ich für meinen Teil gehe am letzten Tag vor dem Untergang definitiv plündern, kralle mir einen 72-Zoll-Großbildschirm in Ultra-HD und schaue am Ende dann doch nur aus dem Fenster, weil es keinen Strom mehr gibt. Ach ja, Bands, die nach dem, was in den letzten Wochen passiert ist, kein neues Material auf der Pfanne haben oder immer noch über Belanglosigkeiten wie Probleme mit dem Partner, Partymachen oder eingewachsene Zehennägel singen, kannst du unter „überflüssig“ beziehungsweise „Belanglospop“ abheften, um dich wichtigeren Dingen zuzuwenden.
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