126. Woche – Zwei Mal anwesend und doch allein, drei Mal in bester Gesellschaft
– SPLIFF. Beim Entsorgen des Altglases im häuslichen Altglasmülleimer dominieren SPLIFF mit „Carbonara“ die Charts. „Amaretto ist ein geiles Zeug ...“. Entweder kann man damit irgendetwas backen oder jemand im Haus hat sich die Birne mit fünf Flaschen Amaretto weggeballert. Igitt!
– Querduschen. „Wenn die linksgrünversiffte Regierung uns Vorschriften über energiesparende Körperhygiene und Stromsparen machen will, dann hat sie sich aber geschnitten!“ Ich sehe sie schon, die Protestduscher, die lang und gründlichst, ja porentief gereinigt bei den Montagsmärschen auflaufen, eine wohlriechende Duftfahne hinter sich herziehend, um es „denen mal so richtig zu zeigen“. Ab jetzt wird zurückgeduscht und extra viel Zeit unter der Brause verbracht, wäre doch gelacht.
– Deine Mutter containert bei der Tafel! Nie vergessen: Mit nichts kann man sich mehr erbitterte Feinde machen, als mit einem schlechten Review zur abgöttisch geliebten Lieblingsband, die, wenn’s blöd läuft, sogar die eigene sein kann. Selbst übelste Beleidigungen der Mütter erzielen nicht annähernd denselben Effekt wie eine Rezension, die gerade noch auf ein gnädiges „nett“ hinausläuft. Wenn man dann aber den heißgeliebten Star durch den Schmutz zieht, nur weil der seit Jahrzehnten nur noch Schrott am Fließband produziert, wird es persönlich. Dann ist man ein übler Schmierfink, das Heft, in der das Pamphlet abgedruckt wurde, ein schon immer furchtbares, ekelerregendes Hetzblatt und leiden konnte man einen sowieso noch nie.
127.-129. Woche – Frenchlaub!
– All borders are porous to cats. Selbst wenn man ganz oben im vierten Stock wohnt, kommt die Nachbarskatze eben über die Dachrinne zu Besuch.
– When in France, do as the French. Trink ausländisches Bier! Wenn auf der Karte eines auf edel getrimmten Lokals an allererster Stelle Peroni steht, weißt du, was die Uhr geschlagen hat und wie groß das Vertrauen in die örtliche Braukunst ist. Dabei gibt es inzwischen durchaus lokale Brauereien, die ihr Handwerk beherrschen. Trink halt Wein, du dumme Nuss.
– Gemach, gemach. Der urdeutsche Reflex, im Supermarché nach einer weiteren Kasse zu brüllen, ist überflüssig, da von den gut dreißig bis vierzig sowieso mindestens zwanzig besetzt sind. Der Punkt ist, dass sie alle langsam sind und noch langsamer werden, wenn du es sichtbar eilig hast oder gar rumnörgelst. Hier haben Kassenkräfte noch Würde, die Macht und vor allem die Ruhe weg.
– Nasensound. Wenn dir im Pub auf der Toilette der Krabbengeruch von der Markthalle nebenan durch die Nase weht.
– Wetten dass ... ich zwanzig europäische Großstädte allein an der Größe, Menge und Konsistenz ihrer Hundehaufen erkennen kann?
– Bohren. Das halbe Dutzend ist nun voll. Zweimal am selben Tag von wildfremden Menschen auf mein schönes Bohren-Shirt angesprochen worden (ich weiß!), einmal von einem Familienvater mit Baby vor dem Bauch und einmal von einem Plattenladenbesitzer, also ist es nichts Sexuelles, es geht ausschließlich um die Band oder das Motiv. Ich benötige dringend ein Backup-Shirt, für den Fall, dass diesem einen was passiert.
– Philanthropie. Die beste Medizin gegen das Aufkeimen von zu viel Menschenliebe? Aufenthalte in Hotels und Frühstücksräumen. Ich weiß genau, warum ich gerne alleine oder in trauter Zweisamkeit beim Frühstück meinen Kaffee trinke. Kein Lärm, keine Typen, die sich leger ihren Kackpulli über die Schulter werfen und vorne locker zusammenbinden. Niemand, der mit offenem Mund schmatzt oder mit dem rastlosen Fuß wippt. Und keine Menschen, die ihr mit Butter beschmiertes Brötchen falten, um es in den Kaffee zu tunken. Warum stehen solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit eigentlich nicht unter Strafe?
– Zuheim again. Wie toll das eigene Bett ist, weiß man erst, wenn man in einem unbequemen in der Ferne geschlafen hat.
130. Woche – Teilzeitknechtschaft, hier und dort
– Punk 2022. Wir sind die geworden, vor denen wir unsere Eltern immer gewarnt haben.
– Kreislauf. Wenn man zu denen zählt, die es gewohnt sind mitzudenken, hat man zwangsläufig ein Problem. Der Prozess als solcher ist ein permanenter Hürdenlauf über eine 400-Meter-Bahn und hält geistig fit. Das Kunststück dabei besteht lediglich darin, nicht über die zu stolpern, die sich jede Runde die Schuhe binden, hingefallen oder gar nicht erst aus den Startlöchern gekommen sind. Und man muss natürlich auch dem Drang widerstehen, den „Gefallenen“ ständig aufhelfen zu wollen, denn vielleicht möchten sie ja gar nicht rennen, sondern lieber da liegen.
– Chaos + Rebellion. Ich mag keine Konzertposter und Flyer, deren Artwork lediglich aus der Auflistung von Bandnamen besteht. Diese Veranstaltungen sind mir, neben den reißerischen Mottotiteln, die absolut nicht dem Dargebotenen entsprechen, zutiefst suspekt. Der neueste heiße Trend sind Kreuzfahrten und Cluburlaubtotalbespaßung mit Abendmusikunterhaltung irgendwo in der Karibik, also exakt das, weswegen man damals eine Band gegründet hat.
– Energie sparen. Aus Rücksicht auf den anstehenden Winter und die mögliche Energieknappheit verzichten alle Label (egal ob groß oder klein) bis zum nächsten Sommer auf alle möglichen Schnickschnack-Releases, die unnötig Ressourcen fressen. Bis dahin gibt es nur noch maximal zwei Vinylfarben, keine 180-g-Pressungen und vor allem keine 7x7“-Boxen oder auf Doppel-Album gestreckten Ausgaben einer einfachen LP.
131.-132. Woche – Da, dort und vor allem auf der Insel
Post-pandemische Regeln für die Arbeit:
– Dir ist langweilig und du willst einfach nur Zeit totschlagen? Such dir einen Kaffeepartner!
– Wenn ich deinen Atem spüren kann und wir keinen Sex haben, bist du zu nah.
– Du fühlst dich mit Rotz im Hals nicht wohl und brauchst irgendwie die Nähe von Mitmenschen? Geh auf den Friedhof, die mögen das.
– Wenn du in meinem Einkaufswagen sitzen willst, dann bezahl gefälligst auch meine Sachen.
– Nein, mein Schreibtisch ist kein Stuhl!
– Iwo, wir müssen nicht lüften, aber du solltest deine Socken öfter wechseln und die Zahncreme auch auf die Bürste packen.
– Falls ich dich riechen kann, überdenk dein Parfum.
– Teambuildingmaßnahmen und Gruppenkuscheln? Super Idee, aber fass mich bloß nicht an, sonst schreie ich. Ich komme sehr gerne per Teams dazu.
– Sofern ich dir einseitig beim Frühstück zusehen kann, ist einer von uns im falschen Raum.
– Entschuldige, wenn ich gähne.
– Wenn du kurz meine Arbeit erledigst, höre ich dir anschließend liebend gerne zu.
– Warum hat sich deine Frau noch mal scheiden lassen?
– Ich weiß, mein Ruf als taktvoll und sensibel eilt mir voraus, aber ich habe keinerlei Lust, ihn einzuholen.
– Zapfenstreich. Von zehn Litern Bier werden in englischen Pubs nur acht tatsächlich ausgeschenkt, der Rest läuft über oder wird in den Ausguss abgestrichen. Was für eine Verschwendung.
– „Immigrant“-Song (LED ZEPPELIN). Wer zuhört, statt zu diskutieren, kann an mancher Stelle viel lernen. Wir sind zu Gast bei einer Familie aus Nepal, die mittlerweile britische Staatsbürger sind, lernen den wahren Grund für den Brexit kennen (Polen!), erfahren jede Menge Weisheiten und Vorurteile, für die man lange hart arbeiten muss. Die Frage, warum hierzulande so viele Spätaussiedler AfD wählen, erübrigt sich. Ich sehe an diesem Abend auch noch ein Bild der wahrscheinlich schlechtesten Whiskysammlung aller Zeiten. Normalerweise betrinken sich die Leute mit so was einfach nur, nennen es aber nicht Sammlung. Die Frau ist sehr nett, kommt aber nicht zu Wort, weil er permanent Müll redet. In solchen Momenten hilft einem nur ein japanisches Lächeln.
133. Woche – Teilweise bettlägrig und genervt
– Saufi-Saufi-Tarnkappe. In der U–Bahn und rund um dem Wasen nur uniformierte Menschen in unterschiedlichen Abfüllstadien. Ähnlich wie im Karneval eine Tarnkappe, mit der man mit jeglichem Exzess unerkannt davonkommt. „Wie sah der aus, der Ihnen in den Briefkasten gegöbelt und auf Ihr Rosenbeet uriniert hat?“ – „Lederhose, kariertes Hemd ...“ – „Danke, wir melden uns!“ Mit Aldi-Dirndl und Lidl-Lederhose perfekt getarnt, nicht wiederzuerkennen und fast so anonym wie eine einzelne Sardine im großen Schwarm.
– Durchlaucht. Was für eine wunderschöne Anrede für jemanden, den man durch und durch für einen Lauch hält. „Eure Durchlaucht, was kann ich bringen?“
– Word. Ich verabscheue billige Altersreunions zutiefst. Reunions mit Originalbesetzung, zu denen ich allerdings definitiv gehen würde: WHITE STRIPES, NIRVANA (nur wenn sie in der Nähe spielen), BIG BOYS, LOST SOUNDS (auch max. 200 Kilometer, weil schon gesehen), DIE FLIPPERS, HÜSKER DÜ, GUN CLUB.
134. Woche – Es zieht
– Longcut. Der Zeitraum, in dem ein Dreitagebart bei mir verwegen gut aussieht, bis hin zum Stadium „ungepflegter alter Sack“, beträgt exakt 3 Stunden und 24 Minuten (handgestoppt).
– Einebnung. Wenn am Ende der Pforzheimer Vollsperrung herauskommt, dass man das Kaff endlich zugeschissen hat, dann hat sich die Gurkerei über die Dörfer voll und ganz gelohnt.
– Bizarroworld. Die unbekannten, missratenen Geschwister der Götter Pt. 1:
Glykolos: Der Gott aller Weinpanscher
Pollutionissos: Gott der Umweltverschmutzung und der vorzeitigen Ejakulation
Dispositos: Der Gott des leeren Kontostandes und sein kleiner Bruder Inflatio, der sein Geld schneller ausgeben kann, als er es verdient
Euronegite: Die Göttin, die stets dagegen schießt
Meineidhuberos: Der Gott aller Wilderer
Diskompassos: Gottvater aller Orientierungslosen
Proditius: Urvater aller Verräter
Mendacius Donaldus: Gott aller chronischen Lügner
Absinthos: Der stets hackedichte Bruder von Bacchus
Zechprellos: Der, der nie bezahlt, Schutzgott aller Schuldner
– Black Metal. Wenn dein Partner irgendwie kacke aussieht, kannst du immer noch einen Panda schminken und dich weitab jeglicher Zivilisation mit ihm ungestört in den Wäldern paaren. Vielleicht eine von mehreren Erklärungsmöglichkeiten für die Langlebigkeit dieses Genres und definitiv meine liebste.
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