DIE STIMME DER VERNUNFT

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Stay home, sort your records

94. Woche – Stay home, sort your records
- Platten sortieren. Es gibt definitiv etwas, das langweiliger ist als eine Datensicherung: Das komplette alphabetische Sortieren der Plattensammlung, damit im zweiten Schritt aussortiert und reduziert werden kann. Bei manchen Platten stellte sich tatsächlich die Frage, warum ich die überhaupt habe und weshalb sie nicht nach dem ersten Anhören gleich wieder rausgeflogen sind? Warum habe ich mehr als eine SAXON-LP? Warum habe ich überhaupt eine SAXON-LP? Wieso steht hier so viel KISS? Warum gibt es immer wieder Bands, die ihren blöden Bandnamen nicht mal auf den Etiketten leserlich schreiben? 1st world problems.
- Spaltung. Wir sind nicht „ein Volk“, wir sind auch nicht „eine Menschheit“. Es gibt lediglich Idioten und Nichtidioten. Da verhält es sich wie bei Kieselsteinen und Murmeln, die lassen sich auch nicht verrühren.
- Endemie = Harter Entzug. Wenn es nach der Pandemie aus dem Homeoffice wieder zur Arbeit geht, wird das für nicht wenige Menschen entweder ein harter Entzug oder sehr, sehr schwer. Wenn man neben der Vesper jeden Morgen den „Orangensaft“ mit Wodka anreichern muss, um irgendwie über den Tag zu kommen.

95. Woche – Zuheim, Zuheim (Polarkreis Achtzehneinhalb)
- Dinge, die die Welt bewegen. Zwei Wochen beherrscht ein Inselbegabter, der mittels eines mit Darm bespannten Schlägers einen kleinen Filzball über ein Netz prügeln kann, die Schlagzeilen. Das verdrängt immerhin andere Themen, die weit schlimmer sein könnten und unmittelbare Auswirkungen auf unser aller Leben haben.
- Erfolge. Nach zwei Jahren Pandemie würde ich folgende Dinge feiern:
• Immer noch kein Likörchen oder Bier während der Arbeit getrunken, geht auch ohne.
• Zu mehr als 85% direkt geputzt und gekämmt pünktlich zur Arbeit erschienen.
• Weniger als ... sagen wir fünf bis sieben Kilo in der ganzen Zeit zugenommen.
• Kein Gewehr gekauft, um auf nervige Nachbarn zu schießen.
• Das Internet nicht bis in die hintersten Winkel komplett ausgelotet!
• Keine imaginären Freunde erfunden und mit Topfpflanzen geredet, wozu hat man schließlich einen Kater im Haus?
• Das selbstgesteckte Budget (0 Euro) für Streamingportale eisenhart eingehalten.
• Fahrrad nicht nur repariert, sondern auch benutzt.
• Auch wenn sich alte Zeitungen an den Wänden stapeln, kommt man immer noch problemlos in alle Räume.
• Ich kenne immer noch keinen Pizzalieferanten beim Vornamen.
• Wir leben noch!
Ach, gibt nix zu feiern? Es gibt immer was zu feiern, frag einfach mal die Leute, die mit ihrem Bier in der Hand auf so gut wie alles anstoßen können.

96. Woche – Home is where the fuckers aren’t
- Die Besten sterben dumm. Ähm, nein! Die Besten sterben jung? Auch nicht. Seit 2020/21/22 wissen wir: Die Dümmsten spacken rum!
- Moschdriebel. Der schwäbische Ausdruck für die Suffköppe am Stammtisch, die während der Zeit von Bestellung bis zur Einnahme deiner Mahlzeit mal eben kurz vier bis fünf Halbe verhaften und leuchten wie die Lampe im Fenster eines Straßenstrichwohnmobils. Moschdriebel verwenden für das Wasserabschlagen übrigens stets das gefühlvolle und warm klingende Wort „Brunza“, das sie lauthals in den Gastraum schmettern, damit auch jeder mitbekommt, wo der Weg hinführt, nach dem sie sich garantiert nicht die Hände waschen.
- Check24. Meine Prostata ist noch vorhanden, anders kann ich den Ausdruck „Alles in Ordnung“ nicht deuten. Immerhin hatte mein Hausarzt keine kalten Finger.

97. Woche – 3 Zimmer, Bad, Balkon
- Der Ton macht die Musik. Stimmt nicht! Auch wenn es korrekt ist, dass das schwächste Glied deiner Stereoanlage den Sound limitiert, der am Ende aus den Boxen tönt, ist es nur die halbe Miete. Wenn alles stimmt, vom Tonabnehmer über die Nadel, den vergoldeten Klinkensteckern, dem Oberklasse-Verstärker bis hin zu den schweineteuren Markenboxen, die selbstverständlich mit den feinsten mundgeblasenen Kabeln verdrahtet wurden, bleibt es dabei: Es kann noch so gut klingen, wenn deine Platten scheiße sind, dann wird die Musik auch durch die edelste Wiedergabetechnik einfach nicht besser.
- Neil Young. Es trifft mich voll hart of gold, dass der Mann seine Songs aus Protest gegen einem Podcaster von Spotify nimmt. Kurz vor der Heiligsprechung des alten Zausels durch alle Foren ist mir dann aber wieder eingefallen, dass ich weder Spotify nutze noch seine Stimme sonderlich mag. Die andere Frage ist, ob es nicht 10.000 weitere und gute Gründe für einen Musiker gibt, um einem Kackunternehmen wie Spotify den Mittelfinger zu zeigen?
- The Age of Diskonsens. Wir befinden uns erst ganz am Anfang dieses Zeitalters.
- Ungebetener Besuch. Wenn du selber kaum aus dem Haus gehst, weil die Landkarte des RKI überall dunkellila gefärbt ist, kommt das Grauen eben zu dir, in Form des Heizungsablesers. Der junge Mann trägt Maske und ein Aftershave (eine gewagte, brechreizerregende Mischung aus Old Spice und Tabac), welches das Lüften anschließend idiotensicher macht, denn der Duft ist so ekelerregend und schwer, dass man riechen kann, wo die Luft noch nicht ausgetauscht wurde. Der Duft, mit dem man etwaige Sexualpartner nicht betört, sondern betäubt.
- Fitness-App-Mobbing. Das neue Layout der Fitness.App gibt einem gleich auf dem Begrüßungsbildschirm zu verstehen, dass man zu fett ist. „Übergewichtig“ steht da, nur weil man kurz ehrlich war. Die Lösung: Du gibst einfach dein Traumgewicht ein. Jetzt bin ich magersüchtig. Wie man’s macht, ist es nicht recht.
- Rechtsaußen. Ach herrje, der Meuthen tritt aus und Erika Steinbach tritt in die AfD ein, um ein Zeichen zu setzen. Komisch, ich dachte, die wäre längst Kassenwart in dem Verein. Linker Flügel, rechter Flügel innerhalb der AfD? Das ist wie der Unterschied zwischen einem mittelschweren und einem schweren Bauchspeicheldrüsenkrebs.
- Alzheimer. Es ist aber auch schwer, sich zu merken, wer wen warum noch mal nicht leiden kann. Ich kann mir ja nicht einmal selber wirklich merken, wen ich alles nicht leiden mag ... und warum.

98. Woche – Messiburg
- Kackwoche. Wir sind in dem Erdzeitalter angekommen, in dem dir dein Arzt langsam die Mahlzeiten vorschreibt und dir ganz subtil beibringt, dass das Erbgut deiner Familie die eine oder andere Hypothek auf Lager hat.
- Lucky us. Bei allem Hadern über all die „verpassten Chancen“ und „was wäre gewesen, wenn“ einfach mal kurz darüber nachdenken, wie das Leben wohl verlaufen wäre, wenn beim größten Mist, den wir damals gebaut haben, ein ganz schlauer Kumpel mit Kamera dabei gewesen wäre, um den „Spaß“ live ins Internet zu streamen oder brühwarm auf Instagram, TikTok, Twitter und Snapchat zu posten.
- Onkelz für Arme. Immer dann, wenn in irgendeinem Forum bei Facebook, oder wie neulich „Frei.Wild“ als gesponsorte Werbung eingeblendet wird und die Adepten darunter sofort mit den Diskussionen anfangen, dass man sich doch „bitteschön erst einmal die Texte durchlesen soll“ ... In genau diesen Momenten liegt mir immer auf der Zunge, dass die „Onkelz für Arme musikalisch schon so jämmerlich sind, dass ich gar nicht erst bis zu den Texten komme“. Eine halbe Nanosekunde später fällt mir wieder ein, dass „der Bettler“ als solcher eigentlich gar keine Steigerung kennt und „Onkelz für Arme“ quasi Hartz XVIII-Empfänger oder Ein-Euro-Jobber wären, die von ihrem Lohn noch 50 Cent abgeben müssten. So wichtig sind mir die Trachtenitaliener dann auch wieder nicht.
- Altkanzler. Gerhard, einfach mal die Schnauze halten und mit der jungen Liebe einfach mal den Lebensabend in aller Stille genießen.
- Kroooonkdöng. Das Geräusch auf der anderen Straßenseite, wo eine gespoilerte Pimmelkarre mit zwei Red-Bull-Jogginghosen-Kappenhirnis erst am Laternenmast entlangschreddert, bis das Vehikel schließlich final einhakt. Das Auto ist ziemlich lädiert, die Laterne hingegen hat es mit Fassung getragen.

99. Woche – Rapunzelturm
- Gunnar Lindemann/AfD. Wenn du deinen Kindern den Unterschied erklären möchtest zwischen „mit jemandem lachen“ und „über jemanden lachen“, ist die ungelenke Aufwärmshow des AfD-Allesessers und Sprachwunders mit dem Prädikat „besonders lehrreich“ zu versehen.
- Spaß mit der Corona-App. Sollte ich irgendwann einmal positiv sein, stelle ich mich beim Gang zum negativen PCR-Test eine Viertelstunde vor einen Fitnessclub, einen Schickimicki-Laden und eine Kneipe, die ich nicht leiden kann.
- Parkplatzsituation. Unübersehbar ist heute der Tag, an dem der Mann von Welt mit einem kleinen Valentinsstrauß alles wieder gutmachen kann, was er die letzten zwölf Monate verbockt hat. Bei mir an der Ecke ist ein Blumenladen, weswegen heute hier Hochbetrieb herrscht, vorwiegend mit großen Autos, denen zwei Parkplätze kaum reichen. Ganz wichtig beim Doppelspiel: Stets zweimal dieselben Sträuße für daheim und auswärts kaufen, dann kommt man nicht durcheinander.

100. Woche – Das Auto bleibt kalt
- Ein Mal schwurbeln?. Wie sehr es mich in den vergangenen 100 Wochen gejuckt hat, einfach mal einen rauszuhauen und irgendwelchen Blödsinn zu verzapfen, um damit ein einziges Mal im Mittelpunkt der kollektiven Sorge zu stehen? Ein Mal der Mittelpunkt einer schlaflosen Nacht von wirklichen Freunden zu sein, die nicht zur Ruhe kommen, weil sie sich Gedanken machen, was ihn geritten haben könnte. Nicht ein einziges Mal, weil man das Freunden nicht mal im Spaß zumutet.
- Hupend in den Sonnenuntergang. Wir haben wieder präpandemischen Verkehr und postpandemisches Hupen.
- Idiotensicher. Es gibt nichts auf diesem Planeten, das derart narrensicher ist, dass nicht doch ein ganz besonderer Idiot (oder Betrunkener) einen Weg findet, der jeglicher Minimalvernunft widerspricht. In den meisten Fällen ist das „idiotensichere“ Produkt anschließend irreparabel kaputt.
- Vier. Olympia ist vorbei, jetzt beginnt die Olympiade. Die guck ich mir dann zwangsläufig doch an.
- Im Auftrag des Herrn. Man frag sich wirklich, ob manche Menschen in besonders hervorgehobener Position einen geheimen Auftrag haben. Entweder haben sie den Auftrag, die Welt und die Menschheit zu vernichten, oder sie haben gar keinen Auftrag und sind schlicht und ergreifend nur unglaublich dumm.