Motivation ist die große Herausforderung, wenn man schon eingeschränkte Kontakte hat und sich permanent fragt, warum zwei Henkel für einige so schwierig in der Handhabung sind. Wieder nur die Reader’s Digest-Version der letzten Wochen, die Originalbeiträge waren achtmal so lang.
16 und 17 – HO
- Eine Begabung vieler Menschen: Sich eine gefestigte Meinung zu Dingen zu bilden, bei denen sie nicht mal die Überschrift richtig gelesen haben. Die Fähigkeit, einen Artikel ganz zu lesen und zu unterscheiden, ob es sich um eine Kolumne/Meinung oder einen fundiert recherchierten Artikel oder gar Satire handelt, gehört schon zu den höheren Weihen.
- Bonusbegabung: Eine alternative Meinung zu etwas zu haben, das empirisch gesehen eine Tatsache ist. In etwa so etwas wie ein gebrochener Zeh. Der selbsternannte Arzt diagnostiziert nach vier oder fünf YouTube-Videos seine freie Meinung, dass das maximal ein blauer Fleck ist und meldet sich im nächsten Zug für den Marathon in zwei Wochen an. Funktioniert auch bei Krebs, Lepra und vollständiger Erblindung nach dem Genuss von gepanschtem Alkohol.
- Schlecht erzählte Witze sind mindestens so grauenhaft wie ein Meme mit drei Schreibfehlern in nur einem Satz.
- Montag, sieben Uhr. Die dauerplärrende Göre von gegenüber schreit wie am Spieß, das kann nur bedeuten: a) Besuchstag von Papa Marc Dutroux. b) Schule ist wieder offen. c) Es war die Schule.
18 – Work
- Wenn du nach 17 Wochen Homeoffice wieder an deinen Arbeitsplatz zurückkehrst und alle Kalender noch auf März stehen, denkst du kurz an die Szene aus dem „Omega Mann“ im Autohaus.
- Back to Office ist fast wie Homeoffice: Nahezu kein Mensch da, weil die anderen entweder in der zweiten Schicht sind oder aber eine bessere Entschuldigung haben als man selber.
- Ich verabscheue Menschen zutiefst, die in einer Platte (Buch, Foto, Bild) und allem sonst lediglich „ihren monetären Wert“ sehen. Ein Grund, warum ich mich aus nahezu allen FB-Plattenforen verabschiedet oder sie auf stumm geschalten habe, weil dort auch der dreimillionste Depp mit seiner geerbten Kirchenmusiksammlung nur fragt, „was das wohl wert ist“.
19 – HO
- Hat sich von all den Serienjunkies schon ein einziger darauf vorbereitet, dass nach der aktuellen Staffel für mindestens ein bis zwei Jahre absolut nichts Neues kommen wird? Jetzt bist du deprimiert? Gern geschehen!
- Weil es im Zuge der verniedlichenden Berichterstattung immer wieder fällt, noch mal: Wer „Stuggi“ sagt, gehört vor die Tore der Stadt gejagt und, nach Berli, Manni, Hambi, Bremi, Münni oder Freibi in die Verbannung geschickt. Städte sind nicht niedlich, ihr Arschgeigen, Gotham-Stuttgart-City gleich dreimal nicht. Die einzige Bronx, die das Schwabenland zu bieten hat, lassen wir uns doch nicht von so ein paar gescheiterten Existenzen verputzigen. Verpisst euch an den Prenziberg und geht den Leuten dort auf den Sack.
- Wie oft werden die Einwegmasken eigentlich verwendet, die ausgebleicht und speckig an jedem zweiten Rückspiegel hängen? Krempeln diese Sparfüchse auch Kondome um?
- Malle? Hm, wenn ich eine Partymeile wiedereröffne, die für genau eine Sache berüchtigt ist, und mich dann darüber wundere, dass genau das eintrifft, dann kann ich auch einen Puff aufmachen und mich anschließend darüber wundern, dass dort für Geld gevögelt wird. Aber vielleicht irre ich mich ja auch und der Malle-Touri, der es vom Flughafen nur bis zum Ballermann schafft, ist eigentlich ein hochkultivierter Mensch, der einen guten Tropfen in Maßen zu schätzen weiß, wohlerzogen, gebildet, zurückhaltend und hochgradig rücksichtsvoll.
- Es wird leerer im Wald, offenbar sind alle wieder beim Shoppen.
20 – Work
- Nichts ist gefährlicher als ein Diktator, den es nicht hart erwischt hat. Ob das nun ein Putsch, ein Anschlag oder eine „harmlose Grippe“ ist.
- Wer bei Swarovski kauft, hat früher auch bunte Glaskugeln gegen einen Kontinent eingetauscht.
- Das Abdriften von Bekannten in die Untiefen des Schwurbeluniversums ist anfangs stets wie ein Verkehrsunfall. Man kann nicht wegsehen, ist einerseits fasziniert, andererseits angeekelt von dem vielen Blut. Mit der Zeit nimmt die Interpunktion ab, die Grammatikfehler werden mehr, und es tauchen Redewendungen und Formulierungen auf, die vorher nicht da waren. An diesem Punkt weiß man, dass es nichts mehr zu retten gibt.
- Freundschaften, die diese Pandemie einigermaßen unbeschadet überstehen, sind für immer.
- Huch, Urlauber bringen von ihren Reisen C-19 als „Souvenir“ mit. Das wird jetzt aber jeden Hautarzt völlig überraschen, der sonst nur mit Leuten zu tun hat, die im Bumsbomber zu den Kulturstätten nach Bangkok geflogen sind.
21 – Kartausenarbeit
- Am Lidl-Pfandautomat. Wie immer unter Qualen Pfandgut in diesen $&%$-Automaten gestopft, der zwei Flaschen einfach verweigerte. Ältere Frau kommt rein (selbstverständlich ohne Mundschutz, der Raum ist irgendwie auch so mehr draußen) und schaut irritiert. „Kann man hier keine Bierkästen abgeben?“ „Nein“ „Nur Flaschen?“ „Ja“ „Also keine Kästen?“ „... nein“ „Nur einzelne Flaschen?“ „...“ „Keine Kästen?“ „Hat Ihnen mein erstes Nein nicht gefallen, oder rede ich mit dem Mundschutz zu undeutlich?“ „Ich hab ja nur gefragt, da muss man doch nicht gleich so unfreundlich werden.“ Spricht’s und rüttelt wie bescheuert an der unteren Verkleidung des Automaten herum, in der Hoffnung, dass eine Wunderklappe für Kästen aufgeht.
„Sie lieben alternative Fakten, gell?“ ... Böser Blick ... (Abgang in einer Schwefelwolke.) Und da fragen mich manche, warum ich mit Teilen der Menschheit solche Probleme habe.
- „Skeptiker!“ Können wir das Wort nicht einfach durch Idiot ersetzen?
- Bei allem Unmut sollten wir uns kurz einmal vor Augen führen, dass im Jahr 1260 die durchschnittliche Lebenserwartung eines männlichen Handwerkers, sagen wir eines Fassdaubenbiegers, bei 32 Jahren lag. Frauen hatten sogar sieben Jahre weniger Elend an der Backe. War er kein Handelsreisender oder Landsknecht, lag die Wahrscheinlichkeit, dass er je aus seinem Dorf herauskam, etwa bei null. Es gab kein Weihnachtsgeld, einseitige Ernährung, keinen Urlaub, aber wenn er ganz viel Glück hatte, bekam er in dieser kurzen Lebensspanne die Inauguration eines neuen Lehnsherrn und/oder die Jugendweihe eines neuen Pontifex als Großereignis mit. Das war’s. Keine spannenden Serienereignisse, kein jährlicher Besäufnis-Trip nach Malle, an die Ostsee oder Kroatien, kein Mauerfall, Disney, Facebook, Artensterben, Instagram, zwei Währungsunionen, Kino, depperte Staatsoberhäupter im prallen Dutzend, Klimawandel, 9/11, NSU, CDU-Affäre, Barschel, Bundesliga, Sommermärchen, MeToo, Olympiade, Digitalisierung, Zeitungssterben, Biergärten, das Ende des Permafrosts, TAKE THAT-Reunion, Pandemie, Schweinepest und Gammelfleisch ... das Script hat ganz schön viel Action für die letzten vierzig, fünfzig Jahre zu bieten. Ein Wunder, dass die meisten trotzdem älter werden als damals und vor lauter Stress nicht an einem Herzkasper starben. Wenn wir dereinst über den Jordan gehen, haben wir immerhin eine Menge zu erzählen.
22 – Work/HO-Balance
- „Elf Wochen.“ So lautet die Antwort, wenn es um die Zeitspanne geht, in der man vom „Zweifler“ zum Verschwörungsphilosophen wird und so weit hinausgeschwommen ist, dass es kein Zurück mehr gibt.
- Mein neues Hobby heißt „Finde Waldo*“ (*der, der zu blöd für den Mund- & Nasenschutz ist). Mein Verdacht verfestigt sich mit jedem Tag, dass sich viele Onlinemagazine mittlerweile ein Fernduell liefern, immer die Bilder herauszupicken, auf denen wenigstens ein solcher Trottel zu finden ist.
- Der US-Wahlkampf wird schmutzig! Ernsthaft? Jemand, der selbst beim Golf bescheißt, soll einen schmutzigen Wahlkampf führen? #OMGichglaubsjanicht.
23 – HO
- Es gibt immer zwei Blickwinkel! Wenn das Erste, an was man nach dem Aufstehen denkt, ein schönes, kühles Bier ist, dann gibt es zwei Sichtweisen:
a) Akutes Alkoholproblem. b) Kann man schon mal machen, wenn man Samstagnachmittag erst um 17 Uhr aufsteht, weil die Freitagnacht mit der Taxischicht lang und anstrengend war.
- In meiner Welt werden in den Geschichtsbüchern dereinst die Namen der Politiker und Profiteure stehen, die durch ihr Leugnen und Zögern den Planeten zugrunde gerichtet haben.
- „Explain this.“ Die Aufforderung, jemandem etwas zu erklären, der strunzdumme Memes verbreitet, goutiert und mit noch dümmeren Kommentaren ergänzt, weil er in Physik lieber seine fehlende Nachtruhe nachgeholt hat und elementare Grundsätze nicht versteht, ist absolut sinnfrei. Die Antwort lautet immer: „Wenn du da selber nicht draufkommst, solltest du keine Kinder zeugen.“
- Gibt es eigentlich einen Weg zurück aus der Finsternis des Schwurbelsumpfes? Kalter Entzug, danach trocken und abstinent, oder endet man doch wie Gollum?
- Woran wir irgendwann, in allzu ferner Zeit, merken, dass der ganze Scheiß endlich vorbei ist? Wenn es zum Kauf von einem Laugencroissant eine Mundschutz-Dreierpackung und einen Fidget Spinner gratis dazu gibt.
24 – Work/HO
- Wie dumm Verschwörungstheorieanhänger wirklich sind, lässt sich an einem winzigen Detail sehr gut ablesen. Für fünf Ostmark gebe ich dir einen Tipp. Du hast keine Ostmark? Na gut, dann eben gratis. Alle Schreihälse, die vor der Rückkehr zur DDR warnen, sind blind und taub, denn sonst hätten sie längst erkannt, dass die Senkung der Mehrwertsteuer als zweifelsfreies Indiz für genau diesen Weg taugt. Die ganzen krummen Summen, die man jetzt beim Einkauf hat, mit jeder Menge Münzen in der Tasche, 1,48 Euro, 1,97 Euro, alles Beträge, die man bisher nur als EVP auf veralteten und vergilbten Ostverpackungen kannte, gehören nun fest zum westlichen Alltag. Wacht auf, ihr Kleingeldschafe.
- Menschen, die mir schon immer suspekt waren: Leute, die sich in endlosen Halbselbstgesprächen ihres korrekten Tuns vergewissern wollen. „Ja, man kann immer noch mit Bargeld bezahlen, wenn man die Karte daheim vergessen hat. Und ja, es gibt ganz viele Münzen zurück, wenn man die krummen Beträge nicht passend hat!“ Wir sehen uns, wenn du in ein, zwei Jahren deinen Stammplatz am Pfandrückgabeautomaten eingenommen hast und stundenlang die Krähen anschreist.
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