Gibt es etwas Schlimmeres als Bands, die nicht spielen können? Definitiv! Es gibt Bands, die eigentlich spielen können, aber nicht wissen, wann sie die Klappe zu halten haben. Wer jetzt meint, dass es noch schlimmer geht, weil es ja auch noch Bands gibt, die weder spielen noch ihre Klappe halten können, der hat das mit dem Rausgehen nicht verstanden, denn diese Bands wurden eigens dafür gegründet, dass man sich in der Zeit ein Getränk besorgt, den Plattenstand durchwühlt oder sich draußen vor der Tür auch bei Regen in Ruhe mit anderen unterhalten kann. Tragisch ist nur vergeudetes Talent; wer keines hat, den muss man auch nicht bedauern.
Schlechte Ansagen zur Unzeit trennen musikalisch gleichwertige Bands in die Kategorien „exzellent“ und „unerträglich“, frei nach der alten postkoitalen Maxime „Mach’s durch Quatschen nicht kaputt“. Mieses Timing oder Verspieler während eines Liedgutvortrags sind die eine Sache, die von den wenigsten Anwesenden bemerkt werden werden, weil die ohnehin zu großen Teilen taub, unmusikalisch oder beides sind. Die Qualität eines Wortvortrags zwischen den Stücken erkennen hingegen fast alle.
An der Qualität mangelt es dann meistens, denn – kaum eine Band, von der hier die Rede ist, belässt es bei einem einzelnen Monolog – die Ansprachen und Ansagen sind fast ausschließlich heiße, überflüssige Luft. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, aber bist du (ja, du da am Mikro mit der Ausstrahlung einer Energiesparlampe der ersten Generation) mit deiner Hobbykapelle wirklich vom Format von DIE ÄRZTE, HARD SKIN oder DŸSE, bei denen die Spoken-Word-Performance fester Bestandteil eines gelungenen Sets ist? Hast du wirklich etwas zu sagen, oder versuchst du nur Zeit zu schinden, damit dein Saitengott mit dem billigen Werkzeug nach jedem Stück sein Instrument stimmen kann? Dafür gäbe es statt dem Workaround, bei dem du dastehst wie ein Pennäler in seinem ersten Schultheaterstück, drei richtige Lösungen. Entweder besorgt er sich endlich ein richtiges Instrument oder er lernt es endlich, die billige Aldi-Stratofender zu spielen. Rauswerfen wäre der konsequentere Weg. Alle drei Varianten ersparen dem Publikum deine verbalen Tiefschläge, die den Spannungsbogen jedes Mal wieder auf Anfang setzen. Sollte es darum gehen, Zeit zu schinden, weil ihr zwar dreißig Minuten für den Auftritt, aber nur Material für zwanzig habt, dann ist das eben so. Verpisst euch von der Bühne, wenn ihr fertig seid. Übt, macht neue Stücke, klaubt ein paar Coverversionen zusammen, aber haltet die Fresse.
„Danke, danke, danke, dass wir hier spielen dürfen!“ Schön und gut, macht sich mitten in einem angepissten Hardcoreset als Pausenfüller nur mindestens so gut wie ein zärtliches Lächeln zwischen zwei Brechanfällen über einem Putzeimer. Bedank dich später, der Gastgeber hört dich ohnehin nicht, weil er an der Kasse sitzt. Noch eine Spur unpassender sind Danksagungen unter Aufzählung der kredenzten Speisen. Aha, es gab Nudeln mit Tomatensauce (schon wieder) oder veganen Scheiß mit Reis. Was die faktische Bloßstellung der einfallslosen Kochkünste des Veranstalters mit dem eigentlichen Auftritt zu tun hat, darüber kann nur spekuliert werden. Das flehentliche mehrfache „Kommt doch mal nach vorn“ zwischen jedem Stück ist wie das Betteln um Beischlaf: erbärmlich! Einmal fragen muss reichen, wenn sie dann nicht wollen, liegt es möglicherweise an deinen Ausdünstungen oder daran, dass ihr scheiße seid.
„Hallo Stadt XYZ“! Fick dich, niemand ist eine Stadt, deswegen wollen auch nur Vollpfosten in der (die wievielte Person ist man eigentlich in einer Millionenmetropole, eher weiter vorne oder doch ganz hinten?) 1,5-millionsten Form angesprochen werden. Wenn du Hallen füllst, in die mehr als 1.000 Leute passen, vielleicht, weil dann genügend anwesend sind, die sich in einer anonymen Masse wohl fühlen. Aber in einem Schuppen mit maximal dreißig zahlenden Gästen, ernsthaft? Und lustige Geschichten zur jeweiligen Stadt erzählen ist wie der Versuch, sich mittels ortsansässigem Dialekt oder über Ausführungen zu den regionalen Bierspezialitäten in die Herzen zu schleimen. An Peinlichkeit nur schwer zu überbieten.
Spannung? Dramaturgie? Timing? Wozu, hat ja schließlich nichts mit Musik zu tun. Die Antithese zu einem stimmigen Set ist, wenn du es endlich geschafft hast, dass der Laden tobt und die Leute tanzen. Perfekt, wenn du genau dann kurz inne hältst, um dem halb angetrunkenen Schlappi-Iro das Mikrofon für seinen Aufruf zur Solidemo gegen die Unterdrückung der kasachischen Ostbauern zu reichen, die in vier Wochen beim JUZ Schimmelkotze im 350 Kilometer entfernten Schlachmichtottdorf startet. Auch gut: Suchaufrufe derselben Person für verlorene Portemonnaies, Schlüssel oder Saufkumpane, die irgendwo in der Ecke liegen. Wenn es kein Appell zum Spontanriot vor der Türe ist, weil da gerade fünf Wannen vorgefahren sind, um das JUZ zu räumen, haben solche Ansprachen keinerlei Bedeutung. Ebenso gut könnte man eine Internetadresse wie „initiative-fuer-ein-jugendzentrum-in-geilenkirchen.org“ kundtun und sich anschließend wundern, warum die Seitenaufrufe nach der todgeilen Durchsage immer noch im einstelligen Bereich dümpeln.
Bedeutsame Ansagen über das nun folgende Stück, das seit nunmehr 25 Jahren nichts an seiner Relevanz eingebüßt hat, sind Klassiker der älteren Generation, die seit einem Vierteljahrhundert nichts mehr Neues zu sagen hat. Böse Zungen würden behaupten, dass das Lied inhaltlich offenbar nichts bewirkte, wenn sich seither doch nichts geändert hat, weniger böse, dass es nicht wirklich schwer ist, Themen zu finden, die auch noch in tausend Jahren akut sind, weil sie wie Vollidioten, Wohnungsnot, Armut und Kriege ständiger Begleiter der Menschheitsgeschichte sind, die sich durch einen popeligen Liedtext mit schlechtem Endreim einfach nicht beheben lassen. Sollte sich wider Erwarten dann doch wieder so etwas wie ein Flow einstellen und du hast dich aus Versehen zurück in die Ohren der noch anwesenden Zuschauer gespielt, wie wäre es mit einer ganz persönlichen Geschichte, zum Beispiel wie du zu Gott gefunden hast? Komm, das kannst du besser als diese ganzen Lappen aus den Neunzigern, die täglich dreimal in den Krishna-Tempel gerannt sind und heute an der Nadel hängen. Nichts erdet mehr als Bühnenpredigten eines verhinderten Laienpfarrers. Gegen Nazi-AfD-Bullen ist identitätsstiftend.Gleich noch eine weinerliche Ballade hinterher, mit der Erklärung, warum die nicht für deinen aktuellen Partner ist!
Wo wir schon beim nächsten Garant für Langeweile wären: Widmungen, mit dazugehörigen Ausführungen, warum und weshalb dieser eine Song nun jemandem zur Ehre gereichen soll, den außer dir nur der Schlagzeuger kennt, weil er nicht weglaufen kann, wenn du die Story Abend für Abend auspackst. Nah dran sind inhaltliche Erläuterungen. Du hast dieses Stück in einem Anfall geistiger Umnachtung geschrieben? Schön! Erklär es uns ausführlich. Jeder mag es, wenn der Partner beim Ficken haarklein erklärt, warum er sich für die nun folgende Stellung und keine andere entschieden hat, und vor allem, wer das alles bisher mochte. Texterklärungen sind so anregend wie Pickelausdrücken bei einem romantischen Abendessen zwischen Vorspeise und Hauptgang. In deiner Vorstellung hat man so wahrscheinlich was, das man außer einem Shirt nach dem Konzert mit nach Hause nehmen kann.
Du erinnerst dich an das Stück, das eine, das die ’87 in ihrem Sommerurlaub auf Elba gegen den damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen geschrieben haben? Ach das! Klar doch, das war im geilsten Laden, in dem sie je vor dem allerbesten Publikum gespielt haben, und wurde dem Typen gewidmet, der sie die ganze Tour über gefahren hat. Der hieß Pattex, und es gab vor dem Gig lecker Essen mit veganem Auflauf, Rucolasalat, dazu Düsseldorfer Alt.
Halt’s Maul und spiel!
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