77. Woche – My home is my castleruther-spatzenoffice
- 20 Jahre später. Perfider als sein Leben lang in einer afghanischen Höhle eingesperrt zu leben, ist es, wenn man dich kurz rausholt, um dir den Himmel und die Sonne zu zeigen, und dich anschließend für den Rest deines Lebens wieder zurück in die Höhle zu stoßen.
- Vorstellungsvermögen & Prozesse. Eines der größten Probleme der Menschheit sind Entscheider ohne Fantasie, Entscheider ohne Blick für das Ganze, Entscheider ohne jegliches Vorstellungsvermögen und Menschen, die nicht in kompletten Abläufen denken, sondern nur bis zum Ende des eigenen Ressorts.
- „Let Delta sort ’em out“ (texanischer Autoaufkleber). Die Todessehnsucht mancher überrascht mich immer wieder. Ja klar kannst du ganz oben auf die Turmspitze klettern, um dort ein Selfie zu machen!
- Eine harmonische, friedliche Gesellschaft. Wer im Jahr 2021 immer noch daran glaubt, ist ein hoffnungsloser Optimist oder aber wahnsinnig.
- Aua! Dinge, die bei einer Thai-Massage helfen: Volle Blase, Wehleidigkeit, Muskelkater vom Vortag, Hangover und ein Beißring.
- Kettenbriefe in der IT. Um sich zu verewigen, musste man früher einen Baum verstümmeln oder historische Bauten für Ritzereien missbrauchen. Um sich in der IT zu „verewigen“, braucht man nur eine Anleitung zu verfassen, darin seine User-ID oder seinen Namen als „Beispiel“ hinterlegen, schon ist man unsterblich.
- Cruel summer. Wenn dir im August mitten im Stau und Gieskannenregen zuerst das „Letzte Lied des Sommers“ und dann „Cruel summer“ aus den Lautsprechern entgegenkommt, weißt du, dass es kein Zufall sein kann. Am Ziel angekommen, auf einem völlig durchweichten Grillplatz bei 14 Grad und Dauerregen zwei Geburtstage nachzufeiern, hat dann auch irgendwas, ich weiß nur noch nicht genau was.
78. Woche – Büro und auch wieder nicht
- HMS. Die Stuttgarter Hanns-Martin-Slayer-Halle soll abgerissen werden, um durch eine noch größere und gigantischere Halle ersetzt zu werden. Vielleicht wird ja dann diesmal tatsächlich ein Architekt beauftragt, der ein bisschen Ahnung von Akustik hat.
- D.O.R.F. Wenn du am Dienstagabend auf dem Portal deines Wohnorts deine Briefwahlunterlagen bestellst und sie am nächsten Mittag in deinem Briefkasten liegen.
- Reine Zeitfrage. Warum Menschen wie Leonardo da Vinci, Goethe, Michelangelo, Dalí, Andy Warhol, Thomas Edison so einen wahnsinnigen Output hatten, Ideen und Werke derart abliefern konnten? Es gab keine sozialen Medien, mit denen man seine Zeit damit verplempern konnte, täglich seinen Status zu aktualisieren und an bescheuerten Umfragen teilzunehmen. Es gab natürlich auch kein YouPorn, Spotify, die ganzen hochspannenden Podcasts oder Äonen an Katzenvideos, die alle angesehen werden mussten.
- Think positive. Im Sommer 2021 mussten immerhin so gut wie keine Open-Air-Festivals aufgrund der Wetterlage abgesagt oder abgebrochen werden.
- Wunschlos. Wenn du alles, aber auch wirklich alles hast, musst du dich eben hinsetzen und eine neue Want-List aufsetzen. Alternativ kannst du dich aber auch einfach zum Sterben auf eine Wiese legen.
- Schwangerschaft. Die Auslastung der Vinylpresswerke hat mittlerweile für einen Vorlauf von durchschnittlich neun Monaten gesorgt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass alles, was „frisch“ auf deinem Plattenteller landet, im Grunde genommen schon wieder uralte Musik ist, die oft schon längst wieder von den Setlisten geflogen wäre, sofern sie es jemals auf selbige geschafft hätte.
79. Woche – HMFFC
- Barometer. Eines meiner in den letzten Jahren neu entdeckten Talente ist die Barometerfunktion. In ungeahnter Präzision kann ich alleine anhand meines körperlichen Wohlbefindens präzise schwere Wetterumschwünge anzeigen. Leider ist diese Inselbegabung komplett nutzlos, weil die Anzeige erst dann funktioniert, wenn es soweit ist. Ein Blick durchs Fenster und es regnet.
- Sonderangebot. Wenn du den Schoko-Eierlikör, wegen dem du vor knapp einem Jahr drei LIDL-Filialen abgefahren bist, immer noch ungeöffnet auf deinem Buffet stehen hast, war’s nicht so dringend.
- Impfschrauben und Impfbolzen. Mein Diskussionsbedarf, wenn es denn je wirklich einen gab, ist aufgebraucht. Wer nicht will, hat schon. Sollte es jemanden erwischen, der oder die sich aus freien Stücken gegen eine Impfung entschieden hat, bitte sehr. Aber nicht jammern, wenn die Luft knapp wird.
80. Woche – Bürogebäude-Gropiusstadt
- Die Leiden des nicht mehr ganz so jungen „S.“. Nach Jahren des Platten- und Vinylanhäufens – „Ich sammle nicht, ich sammle an.“ – sitzt man dann irgendwann zu vorgerückter Stunde, also irgendwann am frühen Nachmittag, da und denkt sich: „Ach, ich würde jetzt gerne mal wieder die zweite DIE ÄRZTE-LP oder die erste GENERATION X anhören“, geht zu einem der Plattenregale, denn wir befinden uns schon lange im Plural, und dann ist da nix. Also nicht „nix“, aber genau diese Platten stehen nicht dort, wo sie erwartet würden. Dann kommt man ins Grübeln, hatte ich die wirklich mal oder war es die Platte der Ex-Ex-Freundin, mit der man seine besten Jahre verplempert hat? Oder hatte man die doch, aber in einem Anfall von Blödheit verliehen und nie wieder zurückbekommen?
- TRVE. Wäre Discogs von Briefmarkensammlern entworfen worden, gäbe es bei jeder Briefmarke die exakte Zahl der Zacken, die Nuancen für Geschmacksnotenunterschiede bei der Gummierung und alle Farbvarianten der Blauen Mauritius von hellblau bis Türkis-Blue, außerdem hätten diese Marke dann mindestens 28 Leute in ihrer Sammlung.
- Im Flatratepuff an der Cocktailbar versumpfen. Ein schöner Songtitel, wie ich finde. Ein hedonistisches Hohelied für alle, die so abgestumpft sind, dass ihnen wirklich alles egal ist. Jetzt brauche ich nur noch einen vollständigen Text, eine Melodie, den Refrain, musikalisches Talent und eine Band, dann kann ich meine Tour canceln.
81. Woche – 4 Wände – 5 Meter vom Bett bis zum Arbeitsplatz
- Prognosen und Umfragen. Würden die immer stimmen, bräuchte keiner mehr zur Wahl gehen.
- Harter Wahlkampf. Manche hauen sich mit Schlagringen die Kauleiste ein, andere bewerfen sich mit nassen Teebeuteln. Wenn wir mal kurz ehrlich sind, war der Wahlkampf 2021 dann doch eher italienischer Fußball als richtiger Kontaktsport.
- Schlau (1). Wenn man sich eine Tube „Arcticweiss Rapid“-Ausbesserungsfarbe (mit Schwamm) im Baumarkt kauft, um die sterblichen Überreste von Insekten an den Wänden, durch Katzenkrallen entfernte Tapete und andere undefinierbare seltsame Flecken an der Decke zu übertünchen. Funktioniert tatsächlich super, auch in der Küche, wo das Deckenhellblau jetzt ein paar schneeweiße Tupfen hat.
- Auch schlau (2). Mit dem Fön vorsichtig auf eine vermeintliche Stechmücke zu zielen, um zu prüfen, ob es sich um eine solche handelt. War eine, kam in der nächsten Nacht vorbei, um sich zu bedanken.
- Tuningeltern. Junge Männer, die um geöffnete Motorhauben herumstehen und sich über verchromte Luftfiltergehäuse austauschen, unterscheiden sich nur marginal von jungen Müttern, die schnatternd in Kinderwägen starren.
- Freedom of Speech. Der oder die Nächste, die mir mit „Meinungsfreiheit“ kommt, nur weil man mich zwingen will, dummes Gelaber anzuhören, zu lesen und/oder zu ertragen, fängt sich eine, vielleicht auch zwei.
- Recherche. Wenn dich beim Lesen eines Textes das ungute Gefühl ereilt, dass diese Zeilen dem Internet entsprungen sein könnten, dann wirst du es unter Garantie 1:1 dort finden.
82./83. Woche – Away
- Buße. Die letzten Tage unmittelbar vor dem Urlaub. Irgendwelche Kollegen, von denen man seit Monaten absolut nichts gehört hat (bei manchen war ich mir nicht mal mehr sicher, ob sie nicht längst in Rente sind, bei einem anderen Unternehmen arbeiten oder überhaupt jemals wirklich existiert haben), melden sich auf den letzten Metern mit furchtbar dringenden Sachen, die sie selber monatelang erfolgreich prokrastiniert haben.
- Korsika. War ich noch nie!
- Vertikaler Jetlag. Lasse ich mir patentieren, er ist echt!
- Freedom Fries. Pommes werden auf Korsika grundsätzlich in Frittierfett ersäuft.
- Keinlagiges Toilettenpapier. Jede Kultur sollte an der Güte ihrer Sanitäreinrichtungen gemessen werden. Korsen sind ganz offensichtlich „Knüller“, keine „Falter“, denn ähnlich wie in den USA wäre hier jede zweite Toilette mit deutschem Wertpapier in drei- oder vierlagig hoffnungslos überfordert.
- Amerikaner. Woran man merkt, dass keine amerikanischen Touristen unterwegs sind? In Brunnen rostet kein Kleingeld vor sich hin, denn Amerikaner halten jedes eingemäuerte Gewässer für einen Wunschbrunnen. Wie viele Tonnen Geld wohl unterm Hoover-Damm schlummern?
- SB/Ruhrgebiet. Saarbrücken sieht 1:1 aus wie eine durchschnittliche Stadt mitten im Pott. Vielleicht nicht ganz so scheiße wie Duisburg, aber halt so wie Essen, Recklinghausen oder Dortmund.
- 877/3.500. 877 Songs der Playlist (also ca. 43,85 Stunden Musik für etwas mehr als zwei Wochen Auszeit) und etwas über 3.500 Kilometer später möchte ich immer noch nicht Fernfahrer werden.
- Urlaub rum. Habe ich die Arbeit vermisst? Nächste Frage! Habe ich meine Kollegen vermisst? Ein bisschen, wir könnten aber auch durchaus über Ansichtskarten und den WhatsApp-Status kommunizieren.
84. Woche – (Homeheizing is killing the Büroklimaanlage)
- Smoothie. Nach dem Urlaub die erste Woche im Homeoffice zu arbeiten, ist fast wie „Wiedereingliederung“ nach einer längeren Krankheit. Ein langsamer Übergang ohne den morgendlichen Stress im Verkehr oder übertriebene Körperhygiene.
- Dauerbaustellen. In den meisten anderen Ländern, die ich bisher in meinem Leben bereist habe, werden Straßen für drei Jahre gebaut. Halten sie vier, freut man sich drüber und repariert sie für drei weitere Jahre. In Deutschland werden Straßen für die Ewigkeit gebaut, gehen aber trotzdem nach drei Jahren kaputt. Dann werden sie nach kurzer Bedenkzeit (ein bis zwei Jahre Planung) wieder „für die Ewigkeit“ repariert.
- SM-Nostalgievinylporno. In alten Versandlisten aus dem letzten Jahrtausend blättern, von DM zuerst in Ostmark dann in Euro umrechnen und sich jedes Mal mit einem nassen Lappen dafür kasteien, was man in seiner Dummheit für Schrott bestellt und welche Klassiker man dafür hat liegen lassen. Aua! Sag mal, spinnst du? Das tut doch weh!
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