DIE STIMME DER VERNUNFT

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Working in a coalmine

84. Woche – Working in a coalmine
- Datenschutz für Doofe. Mein jüngster Strafzettel enthielt für mich ein Novum. Man kann seine Akte nun online mit dem Code und dem ebenfalls enthaltenen Passwort einsehen. Danke, so geht Datenschutz, Herr Wachtmeister. Ihre EC-Karte kommt dann beim nächsten Mal auch direkt mit PIN.
- SM-Nostalgievinylporno. In alten Versandlisten aus dem letzten Jahrtausend blättern, von DM zuerst in Ostmark, anschließend in Schilling, dann in Euro umrechnen, und sich jedes Mal mit einem nassen Lappen dafür kasteien, was man in der Dummheit für Schrott bestellt und welche Klassiker man dafür hat liegen lassen. Aua! Sag mal, spinnst du? Das tut doch weh!
- Halloween (I). Präejakulat: Kinder, die am 28.10. vor der Tür stehen, um sich ohne wirkliche Verkleidung Süßigkeiten zu erpressen.
- Halloween (II). Die Realität sieht anders aus! Bonfires burning bright. Pumpkin faces in the night. I remember Halloween / Plastic crap hanging from poles. Little dead are out in droves. I remember Halloween / Parental guidance wherever you go / No kids are left alone. I remember Halloween
- 5G. Seit geraumer Zeit grüßen mich hier auf dem Dorf wildfremde Menschen auf offener Straße. Sie grüßen freundlich, fast vertraut, so als hätten wir einen geheimen unsichtbaren Bund. Andere, meistens mit vergrämtem Gesicht, Unternasenmaske, hingegen grüßen nichts und niemanden. Merkwürdig.
- Horderweishei. Wer nichts wegwirft, kann auch nie etwas verlieren, höchsten „verlegen“.

86. Woche – Wirklich dämlich geplanter Urlaub
- Winterzeit. Dank der Zeitumstellung schlafe ich nun neun Stunden statt acht. Gefällt mir!
- Auszeit. Bands, die 2020/21 nicht geprobt haben, ziehen bitte ein bis zwei Jahre aus ihrer Bandgeschichte ab und feiern später ihr 20- oder 25-Jähriges, Danke! Es ist doch wie bei einer Beziehung mit Auszeit, da rechnet man die Pause dazwischen auch nicht mit.
- Prokrastination Bosslevel. In den letzten gut eineinhalb Jahren hätte man übrigens den Übungsraum durchaus mal neu streichen, die defekten Verstärker reparieren oder entsorgen können. „Keine Zeit“ ist nun wirklich das falsche Argument, dass da immer noch nix passiert ist.

87. Woche – Eigentlich Bürotime, aber dann doch daheim
- Winterjacke. Wie lange du die eine Winterjacke nicht mehr getragen hast? Schau in den Taschen nach! Ist keine Maske drin, ist es länger als zwei Jahre her, dann kann sie auch weg!
- Bumster. Booster-Impfung gebucht, bevor es hip wurde, beziehungsweise jetzt wo sich nach Abbau aller Impfzentren, die wegen Unterlastung und Intervention der Hausärzte geschlossen wurden, dann doch urplötzlich einige zur Erstimpfung überwinden, weil ... das ja alles nicht absehbar war.
- Profis. Wenn man in den letzten Monaten etwas gelernt haben könnte, dann dass Clubs und Konzertveranstalter das am besten ausgebildete Personal für eine reibungslose Impfnachweiskontrolle haben. Zügig, professionell, die richtigen Apps auf dem privaten Gerät, gewissenhaft und routiniert. Wenn ich hingegen, wie am Samstag, immer noch Menschen sehe, die bei einer Plattenbörse in einer städtischen Halle umständlich Zettel ausfüllen, Mitarbeiter, die sich mit ihren Fettfingern durch Impfnachweise wischen, würde ich ihnen gerne mein Beileid faxen.
- Genmanipulation. „Wenn die Impfung nachhaltig meine Gene verändert, wie manche Impfgegner behaupten, warum brauche ich dann eine Booster-Impfung?“ Wenn die Impfung nach einiger Zeit ihre Wirkung verliert, wandeln sich dann auch die Gene zurück?
- Positive Thinking. Ich wollte schon darauf hinweisen, dass mit Corona auch schon lange nichts mehr von Mario Barth zu hören war, dann sehe ich, dass auch diese Pestbeule des teutonischen Humors wieder tourt. Fußpilz, nässenden Ausschlag, Afterjucken und Mario Barth wird man einfach nicht los, nicht mal mit einer Pandemie.
- Voyage. Die neue ABBA hat sich so oft verkauft wie die folgenden 19 Releases der Top 20 zusammen. Aha, Platz 20 hat also 15 bis 17 Scheiben in nur einer Woche abgesetzt!
- Themenwechsel. Können wir uns bitte mal über andere Dinge unterhalten als über das Diktat der Dummen?

88. Woche – HH/HO: Die furchtbare Zahlencode-Hitlerwoche in den eigenen vier Wänden
- Späti, der/die. Impfzauderer, die sich nun doch endlich durchringen. Ähnlich wie beim Späti-Laden, wo wegen 7/24 alles ein wenig teurer ist, hadert der Impfzauderer mit den spärlich zur Verfügung stehenden Zeitfenstern, steht draußen in einer elend langen Schlange in der Kälte und rechnet im Kopf nach, ob es bis Weihnachten mit dem vollen Impfschutz überhaupt noch reicht. Auf dem Land heißt der Späti übrigens Tanke.
- Black Dingsbums. Wie man aus einem Schwarzen Freitag mittlerweile eine ganze Woche macht. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als es noch Sommer- und Winterschlussverkauf gab, und habe die Schlachten bei Horten, Oberpaur, Bilka, Kaufhalle, Hertie, Kaufhof, Quelle, Woolworth oder Karstadt miterlebt. Das war Krieg!

89. Woche – Warm und kuschelig
- Körpernahe Dienste. Brauche ich 2G+, wenn ich jemandem eine reinsemmel, der mich mit seinem dummen Gesülze nervt? Frage für einen Freund.
- Strafbar. Wer orthografisch und grammatikalisch furchtbare Memes erstellt, verbreitet, teilt oder mit einem Daumen hoch quittiert, sollte 3 bis 5 Wochen nur noch Internet in Analoggeschwindigkeit bekommen, inklusive Fiepgeräuschen bei der Einwahl, die einen daran erinnern, wie blöd man sich angestellt hat. Im Wiederholungsfall erhöht sich diese Drosselung um den Faktor 10, so lange, bis man es kapiert hat und wie früher stundenlang den Bildern beim Aufbau zusehen kann.
- Gottvertrauen. Das Vertrauen auf Gott und Orientierungslose führt manchmal halt dazu, dass man in einer vergleichsweise kleinen Wüste vierzig Jahre lang im Kreis läuft, bis zufällig einer den Ausgang findet.
- Zögerer und Haderer. Niemand mag die, die sich immer wieder rückversichern, vor dem „großen Einsatz“ nochmal Munition und Waffe penibelst prüfen, fünfmal nachhaken, ob der Befehl auch wirklich vom Hauptquartier stammt. Das sind in den Filmen immer die, die von der ersten Kugel dahingerafft werden, worauf das ganze Kino erleichtert lacht.
- Motivation. Beim Einstellungsgespräch: „Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“ – „Dort wo mich meine ständig rückversichernden, mutlosen, entscheidungsunfreudigen Geschäftsführer und das überbezahlte Management bis dahin demotiviert haben?“
- Genremixe und Bands, die dringend erfunden werden müssten:
Ambient-Oi! (VERGOREN UND DER CLUB OF BIER)
Math Drone (KACZYNSKI SUNNS)
Screamo-Ambient (CAREFUL WHISPERS, THE MUTE BUTTON)
Industrial Folk/Noise Folk (THROBBING DYLAN, YOKO ONOS CAMPFIRE)
Emo Beatdown (HIT ME I DESERVE IT, CIRCLE OF SENSITIVITY)

90. Woche – 76 qm Loneliness
- Ich geb’s auf. Ich kann zu Arschlöchern einfach nicht freundlich sein!
- Klappt auch nicht. Mich für Dinge begeistern, die mir schon immer egal waren und bleiben werden (Hubraum, überbezahlte Kicker, HiFi-Anlagen mit Designerboxen, die Frequenzen wiedergeben können, die nur drei Hunderassen hören, Alexa, Apple, Motivationstrainer).
- Schweigegelübde. Man kann schon zu allem eine dedizierte Meinung haben, muss sie aber nicht ständig kundtun und sich dabei permanent blamieren. (Lex Ordo Cartusiensis)
- RSD. Wenn reguläre Neuerscheinungen inzwischen schon das Preisniveau von extrateuren RSD-Veröffentlichungen haben und für eine neue Doppel-LP 46 Euro aufgerufen werden, dann ist was faul im Staate Vinylmark. Die Frage aller Fragen: Wie viel wird dann beim nächsten RSD für die vielen überflüssigen Reissues aufgerufen?

91. Woche – Kartausenhausen
- Vorweihnachtszeit. Die Tage werden kürzer, die Prospekte immer fetter. (CHAOS Z)
- Why does it always rain on me? Danke, Travis, für diesen verkackten Ohrwurm auf der Autobahn. Eine sinnlose Frage mit vielen Antworten. Warum geht der Junge nicht einfach rein? Es gibt kein schlechtes Wetter, nur blöde Fragen zu unpassender Kleidung. Stell dich verdammt nochmal unter, statt klatschnass im Regen rumzujammern, dass es in Norden der britischen Insel nun einmal öfters regnet als anderswo. Kauf dir halt einen Schirm, du Lauch. Konterlied: THE JESUS & MARY CHAIN. Happy when it rains! So geht das!

92./93. Woche – So weit die Hausschuhe tragen
- Mein Job?. Winston Wolfe. Das trifft es, glaube ich, am besten, nur ohne Anzug und Fliege.
- 23.12. Morgen ist der 24., fühlt sich an wie ein Montag. Eigentlich haben sich 2021 verdammt viele Tage angefühlt wie Montage. Ohne auf den Kalender zu schauen, dürften es grob geschätzt so 234 bis 235 Montage gewesen sein, an den anderen Tagen hatte ich frei.
- Bleib gesund! Wenn man 2021 „Bleib gesund!“ auf Weihnachtskarten schreibt, ist immer noch die doppelte Bedeutung gemeint, geistig und körperlich.
- Benztown-Depri-Tour. „Stuggi für Neuberliner und Kesselhasser“, eine Tour durch die hässlichsten Ecken von Stuttgart, mit garantiert schlechter Laune im Abgang. Soso, Sie wollen nach Stuttgart ziehen? Überlegen Sie es sich gründlich mit unserer Antigentrifizierungstour!
Highlights:
- die Drückerstube gleich neben dem Beerdigungsdinstitut in der Kriegsbergstrasse
- ehemals coole Klubs und nun hippe Kneipen für Arschgeigen
- auf der Theo-Heuss an einem Freitagabend mit dem Klappfahrrad
- 1x ohne Maske durch den Wagenburgtunnel (zu Fuß)
- der Bahnhof und seine 23 hässlichsten Bausünden
- die dunkle Raucherecke hinter der Krebsabteilung im Katharinenhospital
- standhaft oder stur – die Montagsdemo (nur montags)
- Kunst ohne Sinn und Verstand – die hässlichsten Graffiti, Skulpturen zum Abgewöhnen und vergessene Nazidenkmäler, die noch keiner abgeschraubt hat
- Schöne Straßen und welche Namen von Massenmördern sie früher trugen. Treffpunkt: Platz der SA, Verzeihung, am Marienplatz
- Sonderprogramm: die beschissensten Feste für Neureiche (Sektchen 0,2 l, 15 Euro) und Idioten von auswärts (Weindorf, Hamburger Fischmarkt, Frühlingsfest, Jazz-Open)
- die beliebtesten Kotzhügel und Hausflurpinkelecken rund um den Wasen
- als Presswurst durch den Weihnachtsmarkt (nur Freitag- und Samstagabend)
- Frieren mit der genialen S-Bahn-Taktung
- ehemalige Pornokinos und Schmuddelvideotheken
- die zehn miesesten Fastfood-Buden der Innenstadt
- sämtliche Ecken mit rekordverdächtigem Feinstaub
- Flanieren an geschlossenen Ladenzeilen
Blöde Touren mit den schönsten Ecken und tollsten Geschichten zu einem Kaff kann schließlich jeder.