34. Woche – HO
- 2020 – The year of the liver
Mir scheißegal, welches chinesische Viech dran wäre, Pferd, Affe, Nashorn, Panda, Bandwurm oder Nudelsuppe. Das Jahr hat keinen anderen Namen verdient, und weil jeder etwas anderes in sich hineinkippt, aber alles in der Leber zusammenkommt, einigen wir uns eben darauf.
- Früher dachte ich, dass laute Musik mich beim Texteschreiben beflügeln würde. So etwas Ähnliches wie „Action Writing“; je lauter und aggressiver die Musik, desto härter der Text, die Formulierungen zack auf den Punkt, rein in die Wunde. Wenn ich mir heute Sachen durchlese, die damals unter diesen Umständen getippt wurden, habe ich meine Zweifel.
- Fitnessstudiobesuche? „Sorry, ich würde ja, aber 2020“, die beste Entschuldigung ever.
35 – HO Lockdown light
- Dinge, die ich 1x gemacht habe und nie wieder tun werde:
1. Superbowl live ansehen. Wie lange kann das schon dauern, so ein Footballspiel dauert ja netto nur 4 x 15 Minuten?
2. Auf einer Geburtstagsfete von Berufskiffern aus lauter Hunger die selbstgebackenen fröhlichen Kekse essen.
3. US-Wahlnacht verfolgen. 96 Stunden später ohne Schlaf ist der Kaffee alle und ich bin nur noch dank der lustigen Tabletten aus dem Fernfahrershop wach. Auf der Packung steht irgendwas in Kyrillisch, und das Einzige, was ich wirklich entziffern kann, ist „UdSSR“. So muss es sich in den Neunzigern auf einem illegalen Rave angefühlt haben, als manche mit Gasmaske ein verlängertes Wochenende durchgetanzt haben. Ich glaube, Ronald Reagan hat gewonnen und bekommt beim Einzug ins hellgrüne Haus endlich seinen verdienten Oscar. Und dann ist da noch Travis Bickle, dem das alles gar nicht gefällt.
- Wichtige Erkenntnis aus 2020: Es gibt keine Aliens in der Area 51. Gäbe es welche, hätte der Prahlhans das längst mit einem entsprechenden Selfie in die Welt getwittert oder für Wahlkampfbilder mit einer originalverpackten Bibel vor den Sarkophagen posiert.
- Wir wollen nicht vergessen, dass viele meiner einst „verwahrlosten Freunde“ ein wenig konservativer geworden sind. Damals das große A mit dem Kreis auf der Jacke, heute glühende Demokratieverfechter. Nicht dass ich dagegen etwas einzuwenden hätte, ganz im Gegenteil, ich wollte es einfach nur mal erwähnen, „keine Zukunft war gestern“.
- Willkommen im Hotspot. Was mit meinem Wohnort nicht stimmt, kann ich auch nicht sagen. Faktor 2 gegenüber dem Nachbarort bei nahezu identischer Einwohnerzahl, und die sind auch nicht gerade schlauer. Das alljährliche Beerpong-Festival würde ich aber ebenso ausschließen wie die allmonatliche Leudelsbacher-Natursektparty oder den Jodel-Stehblues-Kurs der VHS, schließlich fanden die in Privat- und Vereinsräumen vor dem Lockdown light statt, und da war das ja alles auch noch erlaubt.
36 – HO Lockdown Weightwatchers light
- Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich Menschen schätze, die wöchentlich auf der Post mit sieben oder acht Paketen auftauchen, die dorthin gehen, wo sie herkamen, weil sie zu blöd sind, ihre Kleider-, Schuhgröße und oder andere Körperteile einzuschätzen? Es ist gut, dass man Dinge bis zu 14 Tage nach Kauf ohne Angaben von Gründen zurückgeben kann, aber gilt das auch für Nasenhaarschneider, ein Mal getragene Socken, Hochzeitskleider, Hämorrhoidenkissen, XXL-Kondome, wo man dann doch zu „optimistisch“ war, Taucheranzüge, Brust- oder Penispumpen, Schnuller, Buttplugs, Toiletten- und elektrische Zahnbürsten, Jeff Stryker-Genitalnachbildungen, Waffeleisen, Suspensorien, Mundknebel, Darmspülungen, Bettpfannen oder einen Ferrari (die Farbe gefällt mir nicht)? Und gehen diese Dinge dann nach kurzer Funktionsprüfung („Refresh“) wieder in den Verkauf?
- Tom Metzger ist endlich krepiert. Wer mit dem Namen des TV-Repairman nichts anfangen kann, bemüht Wikipedia, um zu verstehen, warum „verstorben“ keine passende Vokabel ist.
- Ich sehe schon kommen, dass am 20. Januar nicht eine Kiste gepackt ist, und die ganzen Umzugshelfer die Drecksarbeit machen müssen, während der Orangenpiesepampel sich im Bad einschließt und dort wieder wie ein Zehnjähriger twittert, weil ihm noch keiner das Geschäftshandy abgenommen hat.
- Lockdown-Idylle: Das ältere Trinkerpärchen, das es sich mit zwei Flaschen Bier und Volksmusik aus dem Handy-Lautsprecher vor seiner geschlossenen Lieblingskneipe auf der Parkbank mit Kippchen und Tränen in den Augen wenigstens ein bisschen gemütlich gemacht hat. Das war so was von romantisch, ich hätte mich zu gerne dazugesetzt, aber ich hatte weder Kippe, Bier noch Durst, außerdem war es die falsche Kneipe.
- Mit Erschrecken stelle ich fest, dass meine Plattensammlung eine Anhäufung von Relikten verstorbener Musiker ist. Ich sitze hier in einem Krematorium voller Tonträger verblichener Inselbegabungen. Jede dritte Platte, die ich herausziehe, hat mindestens ein oder mehrere Bandmitglieder, die nicht mehr unter uns weilen.
37 – HO
- Über die Meldung „Rosenheimer Demo ‚eingekesselt‘, weil Abstandsregeln nicht eingehalten wurden“ musste ich eine Weile nachdenken. Ob bestimmte Polizeitaktiken derzeit nicht etwas kontraproduktiv sind?
- Meine Wohnung ist platztechnisch mittlerweile derart optimiert, dass nicht mehr viel Luft nach oben ist. Ein größerer Schnitt, um noch mehr Platten, Bücher und Gedöns unterzubringen, wäre nur möglich, wenn ich ausziehe. Je länger ich darüber nachdenke, desto blöder klingt die Idee.
- Langsam komme ich dahinter, wie Prepper es schaffen, so lange ihre Vorräte zusammenzuhalten. Es ist nicht die schiere Menge, nicht die eiserne Rationierung. Nein, der Kniff ist, Dinge zu kaufen, die zum einen lange halten, die man aber eigentlich gar nicht mag. Letzteres verhindert, dass man sie aus purer Bequemlichkeit isst. Funktioniert auch mit Toilettenpapier made in GDR, schalem Bier und Büchern, die so langweilig sind, dass der Stapel der zu lesenden Schmöker einfach nicht kleiner wird.
- Querdenker im 1. Weltkrieg, irgendwo in den Gräben vor Ypern.
Feldwebel: „Alaaarm, Gas! Gaaaaas! Masken auf!“
Q1: „Ich kann darunter nicht atmen, ich ersticke.“
Q2: „Der CO2-Schub bringt uns um!“
Q3: „Gas ist Fake News.“
Q4: „Denkt irgendjemand an die Kinder?“
Q5: „Hey, ich habe ein Attest.“
Q1-5: „ ... aaargh!“
38 – HO
- Ich habe jetzt auch ein Attest! Ein Tourette-Konter-Attest, mit dem ich jeden beschimpfen darf, der eine selbstgemalte Entschuldigung für Nichtabstandhalten, das Fehlen einer Hackfressenbedeckung und alternatives Denken vorschiebt. Im Extremfall darf ich mit diesem Attest auch jemandem ungestraft die Fresse polieren. Steht da, habe ich selber hingeschrieben.
- Ah ja, jetzt, da es bald (!) einen Impfstoff gibt, ist ja alles in Butter. Ebenso tragisch wie kurz vor der Zielgeraden am letzten Kriegstag noch erschossen zu werden, ist es, wenn man in der Woche vor der Impfung den Löffel abgibt, weil man zu früh gejubelt hat.
- An was werden wir uns bei 2020 erinnern? Oder ist das wie Alesia?! „Und, was hast du so 2020 gemacht?“ – „2020? Es gibt kein 2020! Da war 2019, super Jahr, dann kam 2021, da habe ich im Sommer ...“
- Ach Mist, glatt den Schwarzen Freitag versäumt. Das hätte einem aber auch jemand sagen können. Wieder nix bestellt, was ich nicht brauche, verdammte Hacke. Die machen das aber auch immer so heimlich, dass man nullkommanix davon mitkriegt.
39 – HO
- Eine echte Challenge? So eine wirkliche Challenge, kein Plattenschauquatsch, sich einen Eimer Sand über die Rübe kippen oder aus dem Kellerfenster springen!
Bereit? Here we go: 2020 schönsaufen ... und zwar ohne abzusetzen!
- Kann ich 2021 mit dem manischen Händewaschen aufhören? Frage für mich und 1.000 Freunde.
- Kette rauchen ist das neue Attest. Hättet ihr wirklich Eier in der Hose und Stahl in der Lunge, würdet ihr nicht dauernd „Attest, Attest“ rufen und lieber Kette auf Lunge quarzen, denn wer raucht, kann keine Maske tragen, Ende der Diskussion.
- „Learning by nichtdoing“ ist eines der elementarsten Evolutionsprinzipien.
- „Pure Vernunft darf niemals siegen“, sangen TOCOTRONIC. Wir alle wissen, dass das kein Postulat ist, es müsste heißen: „Pure Vernunft wird niemals siegen.“
- Woran man wirklich streichzarte Butter erkennt? Am Gütesiegel: „Geeignet für original englischen Frühstückstoast.“
- Kurvendiskussionen: Dass ich einmal doch, nach so vielen Jahren Mathe in der Oberstufe, auf spärlich erworbenes Wissen in Bezug auf Kurvendiskussionen zurückgreifen würde, hätte ich mir nach der Zeit nicht mehr träumen lassen. Fallzahlenanalyse, exponentielles Wachstum, lineares Wachstum, nicht vorhandener Scheitelpunkt und so weiter.
40 – HO (gerade so noch light – soon tight)
- Die ursprüngliche Lockerung der Regeln über Weihnachten war und ist für mich so befremdlich wie wildes Rumvögeln ohne Kondom, außer im heimischen Swingerklub, da geht ohne, schließlich kennen sich da ja alle.
- Weil es bei den meisten ja eh nur um die Präsente geht: Stellt die Geschenke einfach vor die Tür und verpisst euch.
- Karen Prien (CDU), Bildungsministerin, meinte: „Die Schulpflicht aufzuheben, hätte zur Folge, dass Schülerinnen und Schüler zu Tausenden ... zusammenkommen und dabei sicher nicht die hohen Hygienestandards der Schulen gelten.“ Offenbar haben sie die Probleme der Schultoilettenhygiene nach meiner schon etwas zurückliegenden Schulzeit endlich in den Griff bekommen. Die Toiletten unserer Schule waren der Grund, warum ich zum Heimscheißer wurde.
41 – HO (the harder they come)
- Dieses Jahr hat nicht unbedingt zur Verbesserung meiner Misanthropie beigetragen, so viel steht fest.
- Am Samstag war ich dann auch schon um 7:10 Uhr völlig alleine beim Edeka. Kein Wunder, denn der Kackladen macht ja auch erst um acht auf.
- Für den unwahrscheinlichen Fall, dass mich irgendjemand nach meinem Beruf fragen sollte, was ich so mache, dann trifft es „Winston Wolf“ ganz gut. Eigentlich trifft es das sogar ziemlich präzise.
- Montag, der 21.12.2020: Auf der Post sind heute Autoreifen, Küchenfliesen und Gefriertruhen eingetroffen, jedenfalls konnte man das anhand der realsozialistischen Gedächtnisschlange durchaus vermuten. Sehen wir es mal positiv ... hüstel ... spart immer noch mehr Zeit, als die ganze bucklige Verwandtschaft abzufahren, wobei ein Drittel der Schlangesteher wie immer nur Zalando-, Amazon- und Amorelie-Rücksendungen (heißgelaufen) unter dem Arm hatte.
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