Wie viel Verantwortung haben Konzertveranstaltende dafür, was für Meinungen die auf ihrem Festival auftretenden Bands und Künstler:innen vertreten? Sollen sich Betreiber von Hallen dafür interessieren, wen die Mieter der Räumlichkeiten da ins Haus holen? Sind Bands dafür (mit)verantwortlich, wer vor oder nach ihnen auf einer Bühne steht? Wen trifft hier eine „Kontaktschuld“, wenn sich (nicht) dagegen gewehrt wird, mit umstrittenen Performern auf einem Plakat gelistet zu sein? Wir liefern Argumente.
Dafür
Dass das Thema relevant ist, zeigte sich erst wieder vor ein paar Wochen: Die von vielen in den Neunzigern abgefeierten PANTERA sollten Reunion-Shows bei Rock am Ring/Rock im Park spielen. Nathan Gray, Sänger von BOYSETSFIRE, die auch dort auftreten sollten, machte darauf aufmerksam, dass der Kopf der Band, Phil Anselmo, ein White-Power-Rassist und Nazi sei und man sich mit solchen nicht die Bühne teilen kann. Tage später äußerte er seine Überraschung, warum es offensichtlich keine der anderen Punkbands zu stören schien, bei einem Festival mit einem Musiker zu spielen, dessen identitärer Rassismus seit Jahrzehnten bekannt ist. Den Protest haben einmal mehr Leute aus der LGBTQI–Szene, HipHopper und Feminist:innen übernommen. Von Bands wie NOFX, HOT WATER MUSIC oder RISE AGAINST kam kein Ton, in den „Punk-Medien“ wurde kaum berichtet, DIE TOTEN HOSEN veröffentlichten ein überflüssiges Statement, warum sie spielen würden.
Ist es okay, eine Band unter Druck zu setzen, wenn sie mit einem Rassisten die Bühne teilt? Was ist denn das für eine Frage? Es ist eine Pflicht! Und als Band muss man sich die Mühe machen, sich mal das Line-up anzusehen. Wer sich als Fan dann wundert, kann jederzeit bei der Band einfach nachfragen – vielleicht haben sie es (noch) nicht mitbekommen. Und welcher das dann einfach nur egal ist – bitte. Dann passe ich mein Konsumverhalten eben an.
Aber zurück zur Geschichte: Stadträt:innen der SPD und der Grünen machten dann darauf aufmerksam, dass ein Nazi bei Rock im Park, noch dazu auf dem früheren Reichsparteitagsgelände auftreten sollte, was eine fränkische Zeitungsgruppe berichtete. PANTERA wurden ausgeladen und sogar die Nürnberger CSU machte ihre Freude darüber öffentlich. Aber wenn gerade die in Zukunft „unsere Arbeit“ machen sollen, ist es eine Schande. Und verdammt bequem, um sich hinter all seiner Gleichgültigkeit oder vermeintlichen Zwängen nicht verstecken zu müssen.
Roman Eisner
Dagegen
Natürlich werde an dieser Stelle einen Teufel tun und nicht für die redundanten PANTERA Partei ergreifen. Aber wie so oft steckt eben jener Teufel im Detail. Und die Frage ist, wie ausgeprägt das politische Bewusstsein von Menschen ist. Schaut man in die USA, fällt auf, wie hoch dort das Prinzip „Freedom of Speech“ gehängt wird. Gerade auch Bands aus der Punk- und Hardcore-Szene sind dort gefühlt weitaus „vielschichtiger“ aufgestellt als hierzulande, wo alle letztlich „irgendwie“ links sind. Mit manchen Hardcore-Bands aus den USA würde ich nicht, wenn ich nicht eine liebgewonnene Beziehung zerstören will, über Waffen, Trump und Impfen diskutieren. US-Amerikaner:innen sind eher gewillt, das auszuhalten, hierzulande sind die Überzeugungen vehementer. Deshalb einen Auftritt absagen, bekämpfen, boykottieren? Wer legt die Maßstäbe fest, die Grenzen? Wer diskutiert das zivilisiert aus? Die Heißblütigen via Social Media? Das AZ-Plenum? Der Zentralrat der deutschen Punks e.V.?
Und wem lässt man durchgehen, in der jüngeren Vergangenheit mal auf einem mit Onkelz und FREI.WILD in Verbindung gebrachten Festival gespielt zu haben, weil – so der Booker der Band – die Gage eben so verlockend war? Und was ist mit jener politisch klar links verorteten, antifaschistischen Band, die unwissentlich durch die Winkelzüge des Musikgeschäfts das Logo eines Labels auf dem Tonträger hat, das Punk so grauzonig definiert, dass da auch eine andere Band unterkommen konnte, die textlich schlimmste Verschwörungsmythen verbreitet?
Es ist also wie so oft komplexer, als man denkt: Bei offensichtlichen Themen und Problemen ist es leicht, mit dem Argument der Kontaktschuld Druck auszuüben. Bei subtileren Problemlagen ist öffentlichkeitswirksames Skandalisieren hingegen nicht immer die beste Lösung, subtile Diplomatie kann da wirksamer sein.
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