Wer steht nicht gerne bei Konzerten auf der Gästeliste? Oder darf’s noch etwas mehr sein, AAA und Backstage-Pass, mit der Band und den wichtigen Leuten abhängen? Schon okay oder peinliche Umsonst-Mentalität?
Dafür
Na klar bin ich für Gästelisten, ich profitiere ja davon. Auf Konzerte zu gehen gehört zu meinem Beruf. Und ich habe kein schlechtes Gewissen deshalb. Oft genug ist die Gästeliste schlichte Notwendigkeit, etwa wenn Konzerte so schnell ausverkauft sind, dass man selbst, wenn man zahlen will, nicht mehr reinkommt. Was aber tun, wenn genau da ein Interview ansteht, wenn man seitens Band oder Label gefragt wird, ob man einen Bericht über das Konzert schreiben will oder kann? Oder wenn ein alter Freund in der Band spielt, man auf dessen Frage „Kommst du? Würde mich freuen! Soll ich dich auf die Liste schreiben?“ mit einem erfreuten „Ja bitte! Vielen Dank!“ antwortet?
Backstage-Pass gibt’s an der Kasse dann mit dazu, oft genug die einzige Chance, alte Bekannte auch wirklich zu treffen, nicht jeder Musiker hängt stundenlang am Merchstand ab. Billige Schnorrerei? Nö. Ein Gefallen unter Freunden, den ich nie als Selbstverständlichkeit ansehe, sondern als Wertschätzung, als Geschenk. Oft begleitet man Bands über Jahre, von winzigen Shows in Juzes bis in die großen Hallen – die meisten freuen sich, in jeder Stadt Freunde um sich zu haben – deshalb die Gästeliste. Und Backstagebier nehme ich nur an, wenn man mich fragt – als selbst Konzerte Veranstaltender weiß ich ja, wie nervig es ist, wenn plötzlich zig Unbekannte (meist Gästelistenfreunde der Band!) backstage das Essen wegfressen und das Bier wegsaufen.
Was gar nicht geht: Nach Gästeliste fragen, wenn es sowieso nur 5 Euro Eintritt kostet. Auf wichtig zu machen, von wegen „Ich bin doch XY, ich stehe auf der Liste, lass mich rein!“ Im Influencer-Style irgendeinen billigen Blog aufzumachen in der Hoffnung, dass sich dann alle Konzertsaaltüren öffnen. Mit „Access All Areas“-Sticker angeben.
Joachim Hiller
Dagegen
„Guest lists are so nineties“, so brachte es Alex Wonk, Sänger von WONK UNIT, neulich ganz treffend auf den Punkt. Recht hat er, denn was in den Neunzigern vielleicht noch funktioniert hat, als Kohorten von Abiturensöhnen und -töchtern im Epitaph/Fat Wreck-Sog die Konzerte stürmten und für klingelnde Kassen sorgten, läuft heute eben nicht mehr. Jedes Konzert ist für den Veranstalter ein Risiko. Kommen genug Zuschauer? Kann ich die Unkosten tragen? Unkosten? Bei einer Punk-Show? Hä? Jede Band sollte zumindest ausreichend (!) Spritkohle bekommen. Anständiges Essen, freie Getränke und eventuell ein vernünftiger Pennplatz sind das mindeste, was eine Band verlangen kann und sollte. Guter Sound? Immer gerne. Ein fähiger Soundmensch? Juchuh. Gutes Licht? Wäre dufte. Nur wer zahlt das alles? Essen, Getränke, Sound- und Lichtmensch, Spritkohle, richtige Gagen, den Typ an der Kasse, das Mädel hinter der Theke, eventuell die PA? Der Veranstalter. Verdient er Geld damit? Selten. Fast nie.
Warum tun sich Menschen den Stress an? Leidenschaft. Warum verlangen einige Bands feste Gagen? Weil sie es wert sind. Weil sie damit auch sicherstellen wollen, dass der Veranstalter sich für das Konzert den Arsch aufreißt. Zu Recht. Schon mal mit deiner Band drei Stunden zum Gig gefahren, nur um festzustellen, dass keine Werbung gemacht wurde? Keine PA da ist? Kein Essen? Getränke? Selber zahlen?! Geht’s noch?! Das ist nicht Punk, das ist gequirlte Scheiße! Du gehst gern auf Konzerte. Dann zahle den Eintritt. Du willst eine Band sehen? Dann zahle den Eintritt. Wie? Du kennst die Band persönlich? Dann zahle den Eintritt. Sieben bis zehn Euro für drei Bands sind Wucher? Fick dich! Du kommst lieber für umme rein und trinkst das leckere Backstagebier und frisst den Bands, die vielleicht mehrere hundert Kilometer Anreise hinter sich haben, das Catering weg? Fick dich!
Guntram Pintgen
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