Wenn die Liebe zu einer Band so groß ist, dass ein Schrank voller Shirts dafür nicht mehr ausreicht, wird oft der Weg zum Tattoostudio beschritten. Gefühlt hat jeder zweite punkaffine Mensch die vier BLACK FLAG-Balken auf dem Oberarm und/oder den MISFITS-Skull auf der Schulter. Ein Lieblingsband-Tattoo – gute Idee oder besser bleiben lassen? Wir tauschen mal die Argumente und Emotionen hierzu aus ...
Dafür
Zunächst einmal gibt es peinliche Bands. Und natürlich gibt es peinliche Tattoos und schlechte Gründe, sich tätowieren zu lassen. Und das kommt manchmal zusammen. Ich kann aber dennoch gut verstehen, wenn man sich das Logo oder ein Wiedererkennungsmerkmal einer Band tätowieren lässt. Für mich bedeuten Musik und eine Band, die mir gefällt, viel mehr als den Leuten, die Musik nur nebenbei hören, den „Hintergrundhörer:innen“, die es immer „leiser, leiser“ haben wollen und nichts außer irgendwelchen Tönen oder Melodien damit verbinden. Ich behaupte mal, dass Musik dagegen den meisten Menschen, die das Ox lesen, eben wichtiger ist. Viele Bands vertreten zur guten Musik eine Message, die gut ankommt. Oder man kann sich mit dem, was sie mit ihrem Way of Life verkörpern, gut identifizieren. Oder damit von anderen abgrenzen. Im Grunde genommen ist es ja auch oft der Grund, mit einem T-Shirt einer Band rumzulaufen. Zumindest würde ich keines tragen von einer Combo, die für mich nur rumklimpert und ganz nett ist. Ich habe mir schon öfter gedacht, dass von dieser oder jener Band ein Tattoo cool wäre. Habe es aber letztlich bleiben lassen, weil ich oft Phasen habe, in denen ich begeistert bin und irgendwann eben nicht mehr. Schwierig wird es vor allem dann, wenn sich herausstellt, dass man sich in der jeweiligen Band getäuscht hat und sie zum Beispiel die völligen Unsympathen sind (was mir bei Interviewanfragen für das Ox leider ab und an passiert), sich „alte Helden“ beispielsweise als Pfeifen erweisen und aus der eigenen Top-10-Bands-Liste entfernt werden. Eine Katastrophe wird es, wenn sie sich als absolut untragbar erweisen, wie es RAMMSTEIN jüngst getan haben. Man muss vielleicht immer den Plan B in der Tasche haben – in diesem Fall haben viele Tätowierer:innen kostenlos ein Cover-up gemacht. Auch wenn mich das nicht betraf, fand ich es eine gute Aktion.
Roman Eisner
Dagegen
Ich glaube, wir kennen das alle. Man kommt von einem fantastischen Konzert zurück, ist noch ganz berauscht und würde am liebsten direkt zum Tattoo-Studio durchfahren. Bin ich froh, dass ich diesem Impuls nie nachgegeben habe. Sonst wäre mein Körper komplett zugehackt. Nichts gegen Impulsentscheidungen bei Tattoos oder zugehackten Körpern, aber ein Bandtattoo muss wirklich nicht sein. Die Gründe sind naheliegend. Schließlich weiß man nie, was über die Band oder einzelne Mitglieder irgendwann mal ans Licht kommt. Und dann will ich nicht als wandernde Werbefläche für die rumlaufen. Bestes Beispiel ANTI-FLAG. Eine der Bands, bei denen ich mit dem Gedanken gespielt habe, mir etwas Dauerhaftes stechen zu lassen. Zum Glück habe ich es gelassen. Selbst bei Bands, bei denen unwahrscheinlich ist, dass zig Jahre später wirklich noch etwas herauskommt, was man nicht schon weiß, würde ich es nicht machen. Mein Instagram ist zwar voll von gespeicherten Tattooideen für RAMONES-Motive – einfach, weil ich mit dieser Band wahnsinnig viel verbinde –, aber ich glaube nicht, dass ich eine dieser Ideen tatsächlich umgesetzt hätte. Oder die noch zahlreicheren David Bowie-Motive. Eins davon sollte lange mein erstes Tattoo werden. Aber irgendwie war da immer der Gedanke: Was, wenn doch noch rauskommt, dass ... Die Mutter einer Freundin ist jedenfalls ziemlich genervt davon, dass sie andauernd erklären muss, warum sie ein RAMMSTEIN-Tattoo hat. Mal abgesehen davon, dass es wirklich keinen guten Grund gibt, sich diese Band verewigen zu lassen, findet sie es regelrecht belastend. Nee, danke, mein Schwertfisch am Bein und meine Sonnenblumen am Arm sind wesentlich unverfänglicher. Ich bleibe lieber dabei und ziehe Band-Shirts an. Die kann man nämlich wegschmeißen, wenn die Bandmitglieder sich als Straftäter oder Arschlöcher herausstellen.
Julia Segantini
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