RISE AGAINST

Appeal To Reason

Es tropft ja schon ein wenig vor post-sozialistischem Kitsch, das neue RISE AGAINST-Album. Zumindest, was den Titel angeht. Den stibitzte man sich nämlich bei einer sozialistischen Zeitung, die 1897 vom ebenso gesinnten Journalisten Julius Wayland gegründet wurde und die fortan radikale Essays und Buchauszüge von - man höre und staune - zum Beispiel Karl Marx enthielt.

Die gute Nachricht kommt aber postwendend: RISE AGAINST sind und waren nie einer besonderen Romantisierung oder gar kitschhaftigen Symbolverwendung verfallen. So mag dem Titel zwar eine gewisse Romantisierung inne wohnen, das Album selbst entpuppt sich aber als eine 13 Songs umfassende, geerdete Beschreibung des Status Quo dieser "unserer" Welt.

Denn wie auch schon "The Sufferer And The Witness", der Vorgänger aus 2006, eine zentrale Thematik hatte, so hat auch "Appeal To Reason" so etwas wie ein Metathema, das sich in allen Stücken zeigt.

Bezog man sich 2006 darauf, dass all unser Tun an anderer Stelle des Planeten eine Reaktion auslöst, so nehmen Sänger und Texter Tim McIlrath und seine drei Wegbegleiter hier eine Mikroperspektive ein.

RISE AGAINST versuchen, den Alltag vieler Menschen im Hier und Jetzt zu beschreiben, greifen die Hoffnungslosigkeit, die Heruntergekommenheit und nicht zuletzt auch die Kriege der Bush-Regierung aus einer sehr mitfühlenden Sicht auf.

Oft nimmt McIlrath die Ich-Perspektive ein, versetzt sich in die Betroffenen hinein und versucht, ihre Stimmung einzufangen. Die musikalische Untermauerung seiner Stimme, die den Songs unweigerlich immer auch ein Quäntchen Hoffnung gibt, mündet dabei in Stücke, die mitunter rockiger sind als das, was man bisher von der Band kannte.

Sicher, die Epik, die McIlrath beteuert, in dem Album zu sehen, ist vielleicht nicht in der Art vorhanden, dennoch finden sich schöne Experimente mit Rock- und Pop-Elementen ("The strength to go on").

Sie reichen sich mit klassischen RISE AGAINST-Stücken wie zum Beispiel dem fulminanten Opener "Collapse (Post-Amerika)" die Hand, so dass "Appeal To Reason" summa summarum eine gute Mischung aus traditionellem RISE AGAINST- und unkonventionellem Experimental-Sound ist.

Eine graduelle Veränderung, die sogar Puristen gefallen könnte. (8)