RISE AGAINST

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Punk darf wieder politisch sein ...

Es scheint wieder aktuell und überaus erfolgreich zu sein, seine rotzig-verzerrte Gitarre mit Texten über politisches Bewusstsein, alternative Moralvorstellungen und Ideologie zu unterlegen. Bands wie ANTI-FLAG, STRIKE ANYWHERE oder RISE AGAINST haben gerade durch ihr Engagement bei der Präsidentschaftswahl in den USA letzten September ein erhöhtes Medieninteresse zu spüren bekommen und dies für ihre Zwecke nutzen können. Besonders RISE AGAINST profitierten mit ihrem, im letzten August erschienen dritten Album „Siren Songs Of The Counter Culture“ von der vermeintlichen Repolitisierung des Punks. Oder waren sie selbst mit ausschlaggebend für die neue Bewegung in einer verkrusteten Szene? Passend zu ihrer ersten Tour durch Europa als Headliner und in Anbetracht dessen, dass das Wahldebakel nun schon ein Dreivierteljahr her ist, traf ich mich mit Bassist Joe Principe zu ihrem Deutschlandtour-Auftakt in Hamburg, um mit ihm über die Post-Wahlzeit, das Leben als Punkband mit einem Majordeal und alternative Lebensweisen zu reden.

Ihr seid nun schon seit einigen Wochen auf Tour durch Europa. Wie werdet ihr behandelt?


„Es ist toll. Die Menschen hier erscheinen mir sehr enthusiastisch und erfreut darüber, dass wir gekommen sind. Es ist ja unsere erste Tour als Headliner und nahezu alle Konzerte waren, wie heute Hamburg, ausverkauft. Wir können uns also nicht beschweren. Und speziell in Deutschland haben wir das Gefühl, dass uns die Menschen verstehen.“

In den letzten Jahren konnte sich hier in Europa ja verstärkt eine neue Form des Antiamerikanismus durchsetzen. Ist es für euch deshalb wichtig, ein anderes, alternatives Amerika darzustellen?

„Das ist leider die Perspektive der Medien hier, aber die sind, genauso wie unsere, gesteuert und zensiert von dem jeweiligen Unternehmen, das sie besitzt. Natürlich dürfen die nicht die Nachrichten senden, die sie sollten, zum Beispiel, dass es bei uns immer noch eine riesige Opposition gibt, und dass eine riesige Gruppe damals gegen den Krieg im Irak war und immer noch ist. Ich versuche, die Menschen immer davon zu überzeugen, nicht nur einer Quelle zu glauben. Auf der Bühne halten wir uns jedoch zurück mit populistischen Statements. Unser Sänger Tim betont lediglich immer, dass wir immer noch gegen diesen Krieg und seinen Verursacher George W. Bush sind. Und das beschäftigt uns auch weiterhin sehr.“

Wie ist die Stimmung in den USA im Moment?

„Leider fällt es uns immer schwerer, genau informiert zu sein über die Zustände in den USA, weil wir die ganze Zeit auf Tour sind. Das ist wohl das einzige Negative am Touren, man verliert einfach oft die Verbindung nach Hause. Wir wissen aber, dass vor allem ärmere Menschen, die auf das Geld angewiesen sind, das sie in der Armee verdienen können, oder solche, die sich ihr Studium dadurch finanzieren müssen, darunter leiden. Die sind da unten gelandet und wollen nicht töten und natürlich auch nicht sterben. Die Situation ist beschissen. Es sind schon viele Menschen zu unseren Konzerten gekommen und haben von ihrer Zeit in der Armee geredet, einige haben auch schon Internetseiten oder Blogs gestartet, auf denen sie über die wahren Zustände informieren. Es gibt leider auch immer noch genügend Menschen, vor allem ältere, die Angst vor Terrorismus haben und denken, dass nur Bush sie retten kann. Das ist beschissen, vor allem, weil selbst einige unserer Eltern so denken.“

Was für eine Rolle spielen denn christliche Extremisten?

„Es wird solche Typen immer geben. Ich gebe auf die aber nichts. Als Kind musste ich eine katholische Schule besuchen, und das hat mich dazu gebracht, den Katholizismus zu hassen. Ich glaube zwar schon an etwas Göttliches, aber eben nicht in der Art wie diese Vereine, die schon irgendwie die Gehirne waschen. Selbst Tim benutzt viele christliche Symbole in seinen Texten, aber eben nur, weil das zu seiner persönlichen Perspektive gehört, und nicht aus christicher Überzeugung.“

BOYSETSFIRE haben einmal gesagt, dass Protest Patriotismus sei. Ist das auch eure Meinung?

„Ja, das macht Sinn. Die Idee von Protest ist ja Veränderung, Dinge zu verbessern, ein besseres Land zu formen. Leider sehen viele Menschen Protest als etwas Negatives.“

Lebt der Protest in den USA noch, ein Dreivierteljahr nach der verlorenen Wahl?

„Innerhalb der Punkrockszene unserer Heimatstadt Chicago gibt es noch sehr viele Menschen, die versuchen dagegen zu arbeiten. Leider sind viele Menschen nach der Wahl sehr leise geworden, die vorher eine große Klappe hatten.“

Seht ihr euch in Anbetracht der politischen Situation in den USA als eine Art Nachrichtenboten?

„Die Botschaft spielt eine große Rolle, es ist aber nicht unsere Pflicht, wichtige Dinge zu sagen. Wir sind nun mal in der glücklichen Position, dass uns viele Menschen zuhören, und das bringt auch Verantwortung mit sich. Viele Bands nutzen ihre Aufmerksamkeit aus, um negative und aggressive Stimmungen zu transportieren. Das liegt uns nicht. Unsere Vorbilder sind da klar Bands wie 7 SECONDS, wir wollen etwas Positives transportieren. Unsere Fans sollen ihre Energie auf unseren Konzerten rauslassen und eine schöne Zeit haben. Wenn sie dann noch etwas mitnehmen, super!“

Wie wichtig ist euch eure Zusammenarbeit mit Organisationen wie Peta, Oxfam oder Amnesty International?

„Mit Peta arbeiten wir ja schon seit zwei oder drei Jahren eng zusammen. Auf unseren Touren durch die USA begleitet uns auch immer ein Vertreter der Gruppe. Ihre Art der Information funktioniert. Ich bin auch durch Peta-Bücher überzeugt worden, Vegetarier zu werden. Diese Zusammenarbeit ist uns sehr wichtig und funktioniert wie eine Art alternativer Nachrichtendienst.“

Wie wichtig ist euch denn, dass Leute wissen, ihr seid Straight Edge und Vegetarier?

„Nur drei von uns sind Straight Edge, wir sind also keine Straight Edge-Band und wollen auch keine sein. Viele Menschen empfinden so was immer, als würden wir sie von oben herab betrachten. Das ist aber nicht der Fall. Uns ist zwar wichtig, dass Leute wissen, dass wir Tiere auf diese Art lieben und auch ohne Drogen Spaß haben, wir wollen aber kein Label-Ding draus machen.“

Mal was ganz anderes: Ihr seid vor genau einem Jahr zum Majorlabel Geffen gewechselt. Wie hat sich euer Leben als Punkrockband seitdem geändert?

„Es gibt natürlich viele Horrorstorys über Bands, die von ihrem Label ausgebeutet wurden. Wir haben da richtig Glück gehabt. Geffen lässt uns alles das tun, was wir wollen. Es ist ja nun nicht so, dass wir dabei reich werden oder so. Außerdem konnten wir schon damals von der Band leben, als wir noch auf Fat Wreck Recordings waren. Du bist dann auch viel unabhängiger vom normalen Lohnjobsystem, wenn du so ein Label im Rücken hast. Wir sind ja nun die ganze Zeit unterwegs, da würde uns kein Chef eben mal für wenige Wochen einstellen. Es ist unsere Chance, unabhängiger zu sein und mehr Menschen zu erreichen.“

Ist es für eine politische Band wie euch einfacher geworden Aufmerksamkeit zu bekommen, gibt es da gerade einen Trend?

„Das kommt vor allem durch zwei Dinge: Erstens hat der vergangene Wahlkampf das alles ein wenig beschleunigt. Aber wirklich viel mehr Aufmerksamkeit haben wir auch nicht bekommen. Und dann natürlich dieses typische Ding der Musikindustrie, die sich immer auf das Neue stürzt und versucht, es auszubeuten. In den vergangenen Jahren war das nun mal dieses Pop-Punk-Ding, aber wie viele Bands können noch gleich klingen, bis es einen annervt?! Ich will jetzt auch keine Band benennen, es war aber wirklich Zeit, dass sich da mal etwas ändert.“

Ihr kommt ja aus Chicago. Inwieweit macht sich dies in eurer Musik bemerkbar?

„Wir sind genau in der Mitte zwischen dem harten Sound der Ostküste und den Melodien der Westküste aufgewachsen. Das prägt. Außerdem gibt es in Chicago eine richtig gute Punkrockszene. Bands wie PEGBOY oder NAKED RAYGUN hatten immer diesen Chicago-Sound, der schwierig zu beschreiben ist. Dunkel und gerade nach vorn, nicht so ein ‚happy sound‘. Den versuchen wir auch ein wenig darzustellen.“

Im Vergleich zum Album davor ist euer letztes ja sehr abwechslungsreich, wie kommt das?

„Wir schreiben unsere Lieder über das ganze Jahr verteilt, während des Soundchecks oder im Hotel. Es ist einfach so passiert. Wir haben harte, aber auch sehr poppige Lieder auf der Platte, das war nicht geplant. Das nächste Album zum Beispiel könnte viel schneller werden. So ist das halt mit RISE AGAINST, wir mögen diese Unterschiedlichkeit.“

Wo liegen denn deine persönlichen musikalischen Wurzeln?

„Ich habe früher viel Bands wie MINOR THREAT, BAD RELIGION oder DESCENDENTS gehört. Bands, die gleichzeitig hart und melodisch sind. Ich liebe es, Melodie mit Aggression zu verbinden. Aber auf jeden Fall schon Oldschool-Bands, die eine gewisse Energie ausstrahlen. So eine Energie versuchen wir auch auf der Bühne zu produzieren.“

Wie kommt es, dass ihr euer erstes Album „The Unraveling“ neu herausbringen wollt?

„Wir fühlten uns nie richtig repräsentiert durch dieses Album. Wir lieben die Lieder, aber der Sound war uns zu schwach. Also habe ich mich noch mal mit unserem Produzenten zusammengesetzt und daran gearbeitet. Wir wollten den gleichen Sound wie auf ‚Revolutions Per Minute‘ haben. Das Album wird im August auf Fat Wreck erscheinen.“

In dem Spielfilm „Lords Of Dogtown“ spielt ihr eine Punkband in den 80ern.

„In dem Film stellen wir BLACK FLAG dar. Das war schon sehr lustig. Wir haben uns so richtig oldschoolig angezogen, mit hohen Socken und diesen kurzen knallbunten Shorts. Der Film handelt vom Skateboarden in Los Angeles nach dem Vorbild der Dokumentation ‚Dogtown And Z-Boys‘. Der Soundtrack ist bereits erschienen und der Film kommt im Sommer auch bei euch in die Kinos.“

Wie sieht der weitere Tourplan aus? Wann dürft ihr eure Familien wieder sehen?

„Nach dieser Tour durch Europa haben wir erstmal fünf Wochen Urlaub, die wir genießen werden. Danach touren wir mit ALKALINE TRIO durch die USA. Den September machen wir ganz frei, weil ich dann heirate und die Frau von Brandon, unserem Schlagzeuger, ein Kind erwartet. Irgendwann im November kommen wir dann zurück nach Europa und Anfang nächsten Jahres gibt es dann ein neues Album.“

Zum Abschluss: was ist dein Lieblingslied auf dem neuen Album?

„‚To them these streets belong‘, weil ich schon immer ein großer Fan von straight-forward Power Chords war. Innerhalb der Band ist es ein ‚Joe-Song‘. Sehr treibend und einfach gut.“
Costa