WORST OF THE WORST

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Gute Platten kann jeder – Vol. 2

Dies ist keine Challenge, sondern vielmehr Ausdruck meines Unmuts, dass solche Platten überhaupt existieren und ich auch noch so blöd war, dafür Geld auszugeben. Ich möchte zudem betonen, dass ich freiwillig die Qual auf mich nehme, jedes einzelne der hier aufgeführten Schrottreleases noch mal komplett zu durchleiden, für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich seit meiner letzten Begegnung meine Meinung geändert haben könnte. Bisher leider Fehlanzeige, alles immer noch so schlimm oder noch viel schlimmer als in der Erinnerung.

DISCHARGE
Grave New World (Clay, 1986)

Wenn du froh bist, dass eine Platte, die nahezu endlos klingt, doch irgendwann vorbei ist, um dann festzustellen, dass sie zwei Seiten hat und du gerade erst die A-Seite durchlitten hast, dann hast du tatsächlich vergessen, verdrängt, gealzheimert, getilgt, wie beschissen diese Platte auch nach all den Jahren immer noch ist, erst recht im Kontext des gesamten DISCHARGE-Œuvres.
Furchtbare 08/15-Metal-Gitarren, Poser-Hair-Metal-Sound, ein Sänger, dem man die Eier mit vier dicken Einmachgummis abgebunden hat, verglichen mit dem Vorwerk beinahe „epische“ Textlängen, die hier inhaltlich kurz vor „belanglos“ rangieren, und immer wieder dieselben Songstrukturen mit einem Sänger, der gerne singen könnte, aber doch nur für Punk taugte. Es gibt zwei Platten, die ich wegen der Eintönigkeit eines Instrumentes ganz besonders verabscheue, die DESTRUCTORS-LP „Exercise The Demons Of Youth“, weil das Schlagzeug über die volle LP-Länge ein und denselben Stiefel spielt, und zwar bei jedem gottverdammten Stück, und „Grave New World“, weil Cal mit seinem Gesang exakt das Pendant zu diesem Schlagzeuger ist. Wie ein Hund, der die ganze Nacht durchjault, weil ihn die Flöhe beißen. Für den Gesang gehört Cal (Kelvin) heute noch verprügelt und den Leuten aus dem Studio ein posthumes Berufsverbot für das Durchwinken dieser Aufnahmen erteilt. Echte Freunde würden einem sagen, dass man da gerade großen Bockmist verzapft.
Das eigentliche Kunststück bei dieser Platte ist jedoch die Rundumunglücklichpackung. Kein einziger Song, den man im Kontext mit den bisherigen DISCHARGE auch nur als „tolerabel“ durchgehen lassen würde. Ein beschissener 08/15-Metal-Sound, wie ihn jede zweite Hobbyband aus Wuppertal, Herne oder Darmstadt nicht schlechter hinbekommen hätte. Gitarrensoli um der Soli willen, obendrauf dieses unsägliche Bleistiftcoverartwork aus dem Walk-In-Tattooshop von um die Ecke. Metal schien Mitte der Achtziger für einige Punkbands der zweiten und dritten Generation das Ding zu sein für ein größeres Publikum. Meistens ging es schief, weil die Umschulung oft die bis dahin fähigsten Bandmitglieder in die Flucht schlug und nicht mehr dabei herauskam als Dritte Liga. Das hier ist das Paradebeispiel für vollendetes Verkacken. Boahleckfett, ist die scheiße! So scheiße, dass ich geneigt bin, wirklich jeden zu entfreunden, der dieses Ding aus der Geschmacksverirrungshölle auch nur für eine „akzeptable“ Scheibe hält und ihn im Nachgang auch noch bei der Steuerfahndung wegen Schwarzarbeit als Handwerker ohne Lizenz anzuzeigen.
Am Ende habe ich mich doch noch durch die zwei Seiten gequält und entwickelte ein schlimmes Bedürfnis nach etwas Hochprozentigem. Im Gegenzug gibt es ein Versprechen an mich, dass ich mir lieber mit einem kleinen Hammer alle Knochen der linken Hand breche, bevor ich das Ding noch mal auflege, um es am Stück zu hören. Kein Wunder, dass die Leute die Band auf der zugehörigen US-Tour ausgepfiffen und zum Weinen gebracht haben (kein Witz!), denn die meinten das offenbar tatsächlich ernst. Das Gard-Haarstudio-Poserplakat zur Tour hätte jedem eine Warnung sein müssen, war es aber wohl doch nicht. Einen Euro für jeden mit Zitronengesicht, der 1986 DISCHARGE gekauft, die Platte aufgelegt und dann dieses Elend bekommen hat. Wie viele sind damals aufgesprungen und haben überprüft, ob wirklich die richtige Platte in der Hülle war? Wie viele haben das für einen Pressfehler gehalten und wie viele wollten ihr Geld zurück? Absurd genug, dass es von dieser Platte Neuauflagen gibt. Steht hier in der Giftkiste, sie nicht weiterzugeben ist ein Dienst an der Menschheit.

BAD RELIGION
Into The Unknown (Epitaph, 1983)

Speaking of gequirlte Kacke, bei der man sich fragt, was eine Band geritten haben muss, nach einer lupenreinen Punk-Debüt-LP wie „How Could Hell Be Any Worse?“ nur ein Jahr später mit „Into The Unknown“ dieses ... „Ding“ abzuliefern. Nichts gegen musikalische Weiterentwicklungen, aber ernsthaft? Bestenfalls ist das noch Hardrock im unteren Midtempobereich, der aber auch problemlos mitten im Song in Prog-Rock-Gefilde („Time and disregard“) abdriften kann. Folter ist, wenn der Synthesizer wie eine Flöte klingt, Klavier und Akustikgitarre obendrauf geklatscht werden, verbunden mit dem tiefen Wunsch, dass das abgelehnte GENESIS-Stück doch bitte endlich mal aufhören sollte, aber dann kommt am Ende noch mal die erzwungene Climax mit noch mehr Keyboard und Gitarrensoli.
Momente, in denen man froh ist, wenn Alkohol wenigstens ein bisschen Trost spendet. So eine Platte wird normalerweise nur von sehr alten Herren nach 25 Jahren Bandpause abgeliefert. Ellenlange uninspirierte Gitarrensoli und penetrante Keyboardeinlagen als Bestandteil von durchgehend hitfreien Songs, die man so nur von Bands kennt, die völlig orientierungslos auf der Suche nach ihrer Bestimmung sind. Dabei ist die Scheibe immerhin ordentlich produziert, was das ganze Elend auf der anderen Seite nur noch transparenter macht. Die fehlende Wut der ersten LP stellt sich mit zunehmender Spieldauer dann immerhin doch bei einem selber ein, spätestens dann, wenn ein weiteres Gitarrensolo – und davon gibt es reichlich – mit wildem Klaviergeklimpere um die Vorherrschaft streitet.
Man fragt sich, was das Ziel war. Mit Bands wie KANSAS, RUSH oder SPINAL TAP einen Fistfight auszutragen, wer die überflüssigste Scheibe raushaut? Sich mit dem zweideutigen Titel geheimnisvoll verabschieden? Und wer will das eigentlich auch so genau wissen?
Der Geschichte nach wurden viele der Platten von den Käufern wieder zurückgeschickt oder zurück in die Läden getragen, was durchaus verständlich ist. Zwei Leute machten sich noch während der Aufnahmen vom Acker und 1984 war die Band vorläufig Geschichte. So weit, so gut, umso erstaunlicher ist es, dass sie die Kurve nach der Neugründung mit der „Back To The Known“-7“ inklusive selbstkritischem Titel 1985 bereits wieder gekriegt haben, um mit „Suffer“ und den beiden folgenden (debatable, ich weiß) LP-Klassiker abzuliefern, deren Erfolgsrezept sie bis heute immer wieder dünner aufkochen. Dass die Herren keine Lust mehr auf Experimente haben, kann man ihnen nach diesem Desaster, das Mr Graffin und Brett Gurewitz einstimmig als Fehler bezeichnen, nicht verdenken. Bis auf „Billy Gnosis“ tauchen glücklicherweise keine weiteren Songs der LP in den Live-Sets seit 1987 auf. Der Umstand, dass diese Platte nur ein einziges Mal in dem hundsteuren Gesamt-LP-Set wiederveröffentlicht wurde, spricht Bände. Andere Bands hingegen verleugnen auch mal eine Platte komplett, aber dazu kommen wir noch.

Was lernen wir daraus?
- Gebt Greg Graffin niemals ein Keyboard, Piano oder irgendwas mit Tasten
- Da sieht man mal, was Bands wie FOREIGNER für einen schlechten Einfluss haben
- Der Bandhitler hat nicht selten die dümmsten Ideen
- Spiel niemals eine Drogenplatte ein, wenn du nicht mal Pilze isst
- Schuster bleib bei deinen Akkorden
- Wären sie damit durchgekommen, gäbe es heute keine „Suffer“
- Nix, denn sonst gäbe es diese Reihe hier schließlich nicht

Menschen, die diese Scheibe abfeiern, hören auch heimlich YES, headbangen zu „Tubular Bells“ und backen lustige Kekse mit Manfred Mann dem seiner Erdband im Ohr. Warum ich diese Platte dennoch habe? Weil ich wahrscheinlich, wie viele andere auch, einfach nicht glauben wollte, dass die Platte wirklich sooo schlecht ist, wie immer gemunkelt wird. Das war lange vor dem Internet und der Möglichkeit, sich ohne finanzielle Verluste darüber zu informieren. Dem Original-Release stehen ganze acht Bootleg-Versionen gegenüber, die mit den falschen Coverfarben ohne Textbeilage ist meine. Habe beim Wiedereintüten gerade festgestellt, dass es doch eine kleine Textbeilage in Form eines kopierten Beiblatts gibt. Da sieht man mal, wie wichtig mir das bisher war. Immerhin war sie nicht teuer, ging wohl auch als Bootleg irgendwann nur noch recht schleppend. Einem richtigen BAD RELIGION-Fan kann man mit dieser Scheibe übrigens mehr als nur den Tag versauen.