Schluss, aus, feddich, auch wenn da draußen noch zig Monolithen der Unzulänglichkeit lauern, weil eben niemand perfekt ist, und es bei jedem Plattenranking einer langlebigen und produktiven Band immer eine Veröffentlichung gibt, die abgeschlagen auf dem allerletzten Platz liegt. Die eine Scheibe, über die man nur hinter vorgehaltener Hand spricht oder nur in einem Zustand auflegt, in dem man eigentlich ins Bett gehört, um der Scheibe noch mal eine allerletzte Chance zu geben. Meistens sind dabei Drogen, viel Alkohol oder beides im Spiel. Ich bin ja nach wie vor der festen Überzeugung, dass manche Anlagen nach dem Abspielen dieser Dinger nicht mehr dieselben sind, und eigentlich einen Exorzisten oder wenigstens einen handfesten Urlaub bräuchten, um wieder einigermaßen auf die Füße zu kommen.
Billy Idol – Vital Idol
Eine Platte, die exemplarisch für vieles steht, was in den Achtzigern alles falsch lief. Die Unart, aus jeder Single eine Extended-Maxi-Version zu machen, in der einfach nach vier Minuten ausgeblendet wird, weil die Musiker zu blöd für ein richtiges Ende waren, oder Remixe, bei denen sich irgendwelche Knopfjongleure an „Interpretationen“ des einen Radiohits machten, der dann zwei bis drei Mal auf einer Super-Sound-12“ verbraten wurde. Musste man sich nicht kaufen, lief damals aber wie geschnitten Brot. Die Pestversion sind LPs, auf denen die Remixe dann zu einer Platte vereint werden, für alle, die mit dem Umschalten auf 45 rpm ihre Probleme hatten oder einfach nicht so oft aufstehen wollten. 1985 hatte Idol nach zwei Hit-LPs schon zwei Jahre nichts mehr abgeliefert, war vom vielen Touren ziemlich platt und auf lustigen Substanzen. Was also tun, um die chronisch leeren Kassen von Chrysalis irgendwie zu füllen? „Lass uns die ganzen B-Seiten-Mixe auf eine eigenständige LP packen, quasi als ‚Best-Of‘ nach nur zwei LPs, wird schon keiner merken.“ Gesagt, getan, „Vital Idol“ hat sich verkauft wie Aufbackbrötchen vor einem extralangen Wochenende mit Feiertag. Die Resterampe überbrückte die Zeit bis zur nächsten Platte problemlos und war in den Nachwehen von Idols Karriereknick eine beliebte Flohmarktplatte, als die Leute schließlich feststellten, dass die Originalversionen der Stücke eine deutlich höhere Halbwertszeit hatten. Dieser Auswuchs aus der Kreativabteilung der Chefetagentoilette kennt einige Nachahmer (SIGUE SIGUE SPUTNIK „The Ultimate 12“ Collection“, Madonna „12“ Singles Collection“ usw.), aber so früh wie Idol war kaum jemand am Start. Eine der wenigen Ausnahmen, bei der eine solche Ansammlung als eigenständiges Werk durchgehen kann, ist übrigens „Mixed Up“ von THE CURE. Beim Anhören von „Vital Idol“ und anderen Extended Mixen, habe ich bis heute noch ein und denselben Gedanken: Boaaaaah, wann ist das Stück endlich fertig?
G.I.S.M. – Detestation (Remastered + Remixed)
Man soll über Tote nichts Schlechtes sagen! So ein Satz kann eigentlich nur von jemandem stammen, der in seinem Leben derart viel Scheiße gebaut hat, dass er nach seinem Ableben um seine Reputation bangen muss. Bau keinen Mist, dann gibt es auch keinen Grund. Wenn du dich nach langem Zögern und viel gutem Zureden endlich zu einer Wiederveröffentlichung eines frühen Meisterwerks entschließt, dann lass es, wie es ist, und am besten alle Finger von einer „Überarbeitung“ oder einem zeitgemäßen Remix „nach Gehör“. Das Gehör leidet mit der Zeit, vor allem wenn man als Musiker lange Zeit auf Bühnen vor lauten Boxen verbracht hat. Erst recht, wenn man morgens mit diesem leichten Pfeifen im Ohr aufwacht, das einen bis abends stetig begleitet. „Detestation“ ist ein brachiales Meisterwerk, das keinerlei Überarbeitung nötig hatte, es war rundum perfekt, so wie es war. Dieses 1983 veröffentlichte Stück Bösartigkeit traf einen damals wie ein rostiger Vorschlaghammer mitten ins Gesicht, und tut das im Original auch vierzig Jahre später immer noch mit derselben Wucht. Wenn man die Zutaten aber verändert und „nachbessert“, wo man nicht nachbessern, sondern lediglich verschlechtern kann, dann erntet man ungläubige Blicke vom Nachwuchs, der sich, nach den vielen Lobpreisungen über den Impact, den diese Scheibe damals hatte, die vom Meister höchstpersönlich neu abgemischte Version von 2020 zugelegt hat. Ohne klärende Gespräche steht man dann als geschmackloser alter Mensch aus dem letzten Jahrtausend da, alle weiteren Musikempfehlungen werden „aus Gründen“ ignoriert. Der Ursprung dieser Platte ist eine dominante und ultradreckige LP von Randy Uchida, die Hardcore-Riffs mit Metal in einer Weise vermischt, die es vorher so nicht gab. Die Brutalität des Gitarrensounds ist neben Sakevis Gesang das prägende Element und exakt der besagte Vorschlaghammer. Nun hat Sakevi ausgerechnet an diesen Gitarrensound Hand angelegt, ihn so weit nach hinten gemischt, dass er einem nicht mehr sofort ins Gesicht springt. Der Bass und vor allem der Gesang stehen nun im Vordergrund. Wäre diese LP damals so veröffentlicht worden, würde heute niemand mehr mit derselben Ehrfurcht von G.I.S.M. sprechen, sie wären lediglich eine von vielen anderen japanischen Bands. Jeder Bootleg klingt authentischer als diese Wiederveröffentlichung, ganz abgesehen von meinem wirklich heruntergenudelten Original, für das ich mir ein Upgrade so sehr gewünscht hatte, aber es gibt manchmal eben auch Downgrades aus der Hand eines Meisters.
„Less Than Zero“ – Filmsoundtrack
Ja, ja, alles, was Rick Rubin anfasst, wird zu Gold! Klar doch, dann erklär mir doch bitte mal die zweite Jake Bugg-Platte, die Reunion-LP der SMASHING PUMPKINS und andere Rubin-Produktionen, bei denen er für viel Geld als Interimstrainer auf den Plan gerufen wurde, um aus keinen Ideen irgendwie einen Release zu basteln. Auch am Soundtrack von „Less Than Zero“ (1987, deutscher Titel „Unter Null“) kleben an den meisten Songs die Nutellafinger von Rick Rubin. Ein Film, den man kaum gesehen hat und sich schon nicht mehr daran erinnern kann. Ein Soundtrack voller großer Namen, mit zumeist unsäglichen Coverversionen und zwei Originalen aus der Feder von Glenn Danzig. Einmal für Roy Orbison und ein Song, der so schmalzig ist, dass man davon absah, DANZIG als Band dazuzuschreiben, die erst ein Jahr später ihre erste LP abliefern sollten. SLAYER in peinlich? Geht, wenn sie „In-a-gadda-da-vida“ von IRON BUTTERFLY covern. Letztendlich ist dieser Soundtrack nur ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass auch Rick Rubin einfach mal komplett danebengreift, und sei es im Gesamtkonzept eines Soundtracks für einen Film, den wirklich niemand braucht.
THE LIBERTINES – s/t
Mit einer neuen LP in der Pipeline sind die Befürchtungen groß, dass es schlimmer kommen könnte. Nicht wenige hätten hier ohne zu zögern sofort auf „Anthems For A Doomed Youth“ gesetzt, lägen aber falsch, denn der eigentliche Stinker ist und bleibt die zweite LP. Nach der umwerfenden „Up The Bracket“ von 2002 ist der selbstbetitelte Nachfolger zwei Jahre später ein trauriger Schatten des Debüts, wobei selbst die meisten Single-B-Seiten mehr Hitpotenzial haben als die beiden akzeptablen Stücke einer Band („Can’t stand“, „Likely lads“), die sich während der Aufnahmen bereits innerlich aufgelöst hatte. Wie nichtig das Album tatsächlich ist, fiel mir erst auf, als ich mir irgendwann das Reissue auf Vinyl besorgt habe und beim erneuten Durchhören feststellen musste, dass da nichts ist, was haften bleibt. Eine Platte wie Teflon, fettresistent, nichts brennt an oder wird irgendwann richtig gar. Dagegen ist die wieder zusammengeraufte Band 2005 auf „Anthems ...“ eine wahre Wohltat, auch weil man von ihnen einfach nichts mehr erwartete. Zur Not konnte man ja auch immer noch auf die teils exzellenten Scheiben der BABYSHAMBLES von Pete Doherty zurückgreifen.
Nicht geschafft in diese Reihe haben es ...
Zola Jesus: Da hatte ich mich ursprünglich auf „Taiga“ festgelegt, aber leider musste sie weitere Platten nachschieben, darunter die noch belanglosere „Arkon“.
THE MISFITS: Wir wollen ja keine unsinnigen Diskussionen aufwärmen, welche Phase nun eigentlich zählt, ob überhaupt eine nach G.D. zählen kann, aber alles mit Jerry Only am Mikro ist furchtbar. Kurz davor hat’s rückwirkend ein „Gschmäckle“ und über die „Evilive“ in LP-Form kann man sich auch streiten.
PINK FLOYD: Ebenfalls zu viel des Guten an Schlechtem, dabei hätte ich zu gerne. Besser als in „Lost In Music“ hätte ich es aber ohnehin nicht formulieren können. Auch hier wäre das Postulat „ein Stinker in einem ansonsten fast tadellosen Gesamtwerk“ einfach nicht zu halten gewesen, denn da wird’s nach hinten raus schon sehr verkopft und schlimm.
THE CURE: CURE-Fans sind so was von empfindlich und verteidigten selbst die nahezu komplett hitfreie „Wish“-LP derart verbissen, dass ich auf breiter Basis um mein Leben gefürchtet hätte.
Amy Winehouse: Der „Lioness“-Frevel. Die Frau war tot, sie konnte sich nicht mehr gegen die Leichenfledderei der Plattenfirmengeier wehren, also zählt es nicht.
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