BLACK FLAG - Ending On A Bad Note
Ein echtes Highlight, bei der ich zur Abwechslung ausnahmsweise mal so schlau war, sie mir nicht zu kaufen, bevor ich sie gehört hatte. „What The ...“ ist die einzige Vinyl-Platte übrigens in der kompletten Reihe, was sehr viel mehr über meinen geistigen Zustand aussagen dürfte als mir lieb ist.
Hier gibt es nichts zu beschönigen, kein einziges versöhnliches Wort, das nicht gelogen wäre. Das 2013 erschienene „What The ...“ ist pures, nacktes, bitteres Elend; kompaktes Grauen von A-Z, angefangen vom Cover bis hin zum letzten Knistern der Auslaufrille und der Erkenntnis, dass dieses Übel zwei LP-Seiten hat. Um die bloße Existenz der Platte zu verstehen, muss man das amerikanische Rechtssystem verinnerlichen, wobei ich lieber mit Aceton gurgeln oder mir kleine Nadeln unter die Fingernägel stecken würde, als mich mit der „Logik“ amerikanischer Gerichte und vor allem der Vergütung amerikanischer Anwälte auseinanderzusetzen.
Fangen wir also anders an: BLACK FLAG ist eine Marke, mit der Lizenz zum Kleingelddrucken. Die vier ikonischen Balken aus der Feder von Raymond Pettibon prangen wahrscheinlich auf mehr Ärschen, Oberarmen und Gelenkknöcheln als andere beliebte Tätowationiermotive der Punk- und Hardcore-Gemeinschaft. Warum? Das CRASS-Logo ist zu schwer, außerdem sind das eigentlich Hippies. GERMS kapiert keiner. Der MISFITS-Schädel ginge vielleicht noch, aber an einem schlechten Tag verklagt dich eventuell Glenn Danzig. Viel gibt es nicht, was auch der größte Depp noch mit vier Dioptrien im Halbrausch erkennt, um in dir einen Gesinnungsgenossen seiner rebellischen 12 1/2 Monate zu erkennen. Die BLACK FLAG-Balken versteht tatsächlich selbst ein auf 50 IQ-Punkte heruntergedimmtes Kleinhirn. Die Platten verkaufen sich in etlichen Nachpressungen bis heute, T-Shirts gehen sowieso. Diese Kuh lässt man einfach nicht vom Acker, wenn man die Rechte am kompletten Backkatalog besitzt, mit Solid State Tuners (SST, für die Amateure) als Label sowieso keinen guten Ruf mehr zu verlieren hat und gerade in einer unschönen Scheidung lebt.
Blöd, wenn sich dann zwei ehemalige Sänger der Band einfach so das Markenrecht eintragen lassen, weil man selber weder an die Steuererklärung noch an die Verlängerung desselben Markenrechts gedacht hat, das sich jeder eintragen lassen kann, sofern es brachliegt und man ein „berechtigtes Interesse“ daran hat. Dafür gibt es übrigens eine wunderbare Internetseite, auf der man auch verfolgen konnte, wer sich damals die Rechte für den Markennamen „CRO-MAGS“, „THE MISFITS“ oder „THE RAMONES“ für die Rente gesichert hat. Bemühe einfach eine Suchmaschine und forsche nach „Trademark Electronic Search System“, kurz „TESS“.
Liebenswerterweise hatten sich Keith Morris und Henry Garfield Rollins in ungewohnter Zweisamkeit die Markenrechte für ebenjene BLACK FLAG eintragen lassen, schließlich gab es die Band nicht mehr, beide waren ehemalige Sänger derselben und die Rechte waren vakant. Der Typ, an den die beiden Mittelfinger adressiert waren, stand gerade auf Platz 99 der Rolling Stone-Liste für die 100 größten Gitarristen aller Zeiten, hatte sie und andere aber nebenher jahrzehntelang um Kohle beschissen. Die Botschaft: „Hey Greg, vielleicht hast du unsere Briefe, Mails und Bombenpäckchen ja nicht erhalten, in denen wir höflichst um ein paar Cent der Tantiemen angefragt haben, die du uns schuldest. Vielleicht meldest du dich jetzt ja mal bei uns, ergebenst Keith und Garfield. P.S. Fick dich!“ Ja, kann man machen.
Intermezzo (das heißt „Zwischenspiel“, du legastnischer Anal Phabet), erst einmal setzen lassen.
Über das BLACK FLAG-Gesamtwerk kann man durchaus geteilter Meinung sein, sich über „Family Man“ streiten, bei „Loose nut“ gemeinsam kurz vor die Türe gehen, um das wie richtige Männer mit Schnick-Schnack-Schnuck auszutragen (Bester von drei?), darauf bestehen, dass „Damaged“ die einzige wahre Platte ist, dass Dez Cadena der beste Sänger überhaupt war, undundund ... Fruchtlose, völlig überflüssige Diskussionen, wo doch jeder weiß, dass bei einem Kampf zwischen Superman, Godzilla und Karl Marx immer das Spießbürgertum gewinnt.
Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass sich BLACK FLAG zu jeder Zeit und in jeder Phase, ob Punk, Hardcore oder später, immer anfühlte, als würde jemand zwei Ziegelsteine zusammenschlagen, in deren Mitte sich dein Kopf befand. Tonnenschwere harte, ehrliche Kost, die im Gegensatz zu Vollkorn nicht mal ansatzweise „leicht“ verdaulich war. Ganz egal welche Phase der Band man bevorzugt, der Backkatalog ist pures Gold, das man nicht einfach so wegwirft, erst recht nicht, wenn man jahrzehntelang nur unkompostierbaren Mist veröffentlicht hat, und einige Bands, die einem eigentlich bis ans Ende ihrer Tage dankbar sein müssten (auch wenn sie nie einen Cent gesehen haben), sich unverschämterweise auch noch aus ihren Bierdeckelverträgen klagen.
Zurück zum amerikanischen Recht, gierigen Anwälten und dem Umstand, dass man die Marke nur zurückbekommt, wenn man Leben und „Aktivität“ einer glücklichen Band/Familie nachweisen kann, die seit 1986 keinerlei ehelichen Pflichten mehr nachgekommen war, wenn man von den drei Auftritten im Jahre 2003 absieht. Gigs, deren Erlös Katzen zugute kam, für die sich der Herr Ginn einsetzt. Ein völlig furchtbarer Mensch kann er also doch nicht sein, möchte man an dieser Stelle mutmaßen, ist er aber doch! Wer um sich eine Band aus Mietsklaven schart, um eine Platte wie „What The ...“ einzuspielen, die auf alles spuckt, was für den Namen, das Qualitätssiegel, den Sound, die Optik von BLACK FLAG steht, nur um seine Pfründe zu sichern, muss einfach ein schlechter Mensch sein.
Ich will nicht wissen, wie viele Menschen sich nach dem unbesehenen Kauf dieser Scheibe – unbesehen, denn mit diesem Cover kann man diese Platte nur erwerben, wenn man auch Zigaretten kauft, auf deren Schachteln Tumore und trübe Augen abgebildet sind – mit Schmirgelpapier, einer groben Feile oder eine Käsereibe an ihrem Oberarmtattoo zu schaffen gemacht haben, um dieses umgehend zu entfernen.
„What The ...“ ist Armut auf LP-Länge, die man nur deswegen erkennt, weil der Bandname auf der LP steht. Als würde man auf einen rostigen Fiat Uno einen Rolls Royce-Engel nageln, um bei eBay-Kleinanzeigen den doppelten Preis rauszuschlagen. Selbst Jello Biafra würde diesem Sänger eine reinhauen wollen, und das, obwohl er selber nie bei BLACK FLAG am Mikro stand. Nun, er hat es mit seinen Ex-Kumpels der Kennedys und ihrem Sängerdouble auch nicht gerade leicht mit dem Einschlafen. Zwar erkennt man das Gitarrenspiel von Greg Ginn, aber alles andere klingt wie eine schlecht gecastete Band, die zu den halbgaren Songs irgendetwas hinrotzt, damit der Meister sie nicht wieder in den Keller sperrt. 22 Teflon-Songs: Nichts bleibt haften oder gar im Gedächtnis.
Alleine die in maximal fünf Minuten hingerotzte Pop-Punk-Coverartwork-Parodie ist eine komplette halbstündige Prügelei mitten ins Gesicht von Raymond Pettibon, dem kleinen Bruder von Greg Ginn. Wäre der Gesang nicht so furchtbar, die Aufnahme nicht so dumpf, könnte „The chase“ als einer der wenigen Songs durchaus als richtiges BF-Stück durchgehen. So aber klingt das Gesamtergebnis wie eine unterdurchschnittlich begabte Schülerband, deren Gitarrist das einzige Talent der Truppe ist, irgendwann eventuell mal BLACK FLAG gehört hat und autistisch vor sich hin spielt, weil er dem Rest der Kapelle das gemeinsame Ziel nur unzureichend vermitteln kann. Wer sich auch nur zwei Songs dieser Scheibe auf ein Mixtape packt oder die Grütze in seine Spotify-Playlist packt, sollte sich ernsthaft darüber Gedanken machen, ob seine Eltern nicht doch Paarhufer sind.
Das Übel wurde dann auch noch live dargeboten, schließlich muss eine aktive Band für einen Juristen ja auch touren. Ich war da. Der Unterschied zwischen Vorband (not so ... GOOD FOR YOU) und dem Hauptact (BLACK FAKE) betrug eine Person. Das BF-Konzert im Universum gehört für alle Zeiten in die Top Ten der grausamsten Verkehrsunfälle, die je auf einer Bühne mit meinem Eintrittsgeld finanziert wurden. Für diesen schlimmen Abend verabscheue ich Greg Ginn definitiv bis ans Ende seiner Tage und darüber hinaus. Clevere Menschen hingegen spielen in der Besetzung Keith Morris, Chuck Dukowski, Bill Stevenson und Stephen Egerton dann eben mal ein paar Konzerte als FLAG, die selbst ein taubstummer Blinder schon als Dreiviertel Original-BLACK FLAG ausmacht und als das versteht, was gemeint ist. Wenn das sogar ehemalige Jurastudenten problemlos erkennen, hat man halt verschissen und eine Menge Geld in einem Rechtsstreit verbrannt, der von Anfang an nicht wirklich zu gewinnen war.
Das Ende der Geschichte: Greg Ginn darf unter dem Namen BLACK FLAG fortan sein eigenes Erbe und das der anderen Ehemaligen mit neuen Mietsklaven durch den Dreck ziehen, während andere ältere Herren als FLAG das Brett liefern, das sie in ihrer Jugend nicht um die Ohren gehauen bekommen haben, weil die Eltern es ihnen verboten haben. Warum? Hab ich ja gar nicht! Yay ...
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