Dafür, dass er zum neuen Album "Wolves In Wolves' Clothing", dem die EP "Never Trust A Hippy" voranging, gar keine Interviews geben wollte, zeigte sich Fat Mike erstaunlich gesprächig - und war am Schluss des Interviews selbst erstaunt, wie viel und was er da so erzählt hat. Gut für mich, gut für euch, denn der Boss von Fat Wreck Chords und seit über 20 Jahren Frontmann von NOFX, scheint sich das Prinzip "Je oller, je doller" zu eigen gemacht zu haben, denn seine Band und seine Äußerungen sind anno 2006 radikaler denn je, und wer NOFX noch von ihrem Auftreten Mitte der Neunziger als Funpunk-Band in Erinnerung hatte, dem sollte spätestens mit Mikes punkvoter.com-Engagement im Vorfeld der letzten US-Präsidentschaftswahlen klar geworden sein, dass sich hier jemand auf Punk-Grundwerte besonnen hat. Einerseits also Spaß haben bis an die Grenze der eigenen Belastbarkeit, andererseits brutalstmöglich klarmachen, worum es bei Punk geht, wofür man steht: Gegen Staat und organisierte Religion, gegen den Mainstream-Bullshit. Und ja, mir sind klare Statements wie die von Mike lieber als das diplomatische "Ja, aber, und wir lieben euch doch alle"-Geschwätz so vieler etablierter Bands, auch wenn solche Aussagen nicht immer frei von Widersprüchen sind.
Mike, wie geht's dir?
Ach, ich bin ziemlich erledigt, wir sind gerade erst von einer US-Tour zurückgekehrt.
Wie, ihr wart vor der Albumveröffentlichung auf Tour?
Ja, um so was kümmern wir uns ja nicht. Fuck, das war eine der verrücktesten Touren, die wir jemals gemacht haben.
In welcher Hinsicht?
Na, was wir eben so gemacht haben, bei den Shows und danach. In New York sind wir nach dem Konzert in einen SM-Club gegangen und haben uns von drei Chicks mal richtig durchprügeln und mit Nadeln traktieren lassen. Na ja, und dann waren da auch ständig jede Menge Drogen im Spiel.
Soso.
Ja, und bei der letzten Tour stand ich in Höschen und mit BH auf der Bühne. Die Sachen hatten uns Mädels aus dem Publikum auf die Bühne geworfen. Und ich habe Wein- und Biergläser auf meinem Kopf zertrümmert. Und einmal fiel ich von der Bühne, auf den Kopf, weil ich zu betrunken war. Und ein paar andere Stories dieser Art gab es auch noch.
Was treibt dich dazu, so was zu machen?
Ich weiß auch nicht. Je älter wir werden, desto mehr machen wir solchen Scheiß, Drogen nehmen auf der Toilette und so. Und ich bin bald 40 ... Und Eric Melvin und ich ziehen uns vor einer Show auch schon mal eine Pulle Wodka rein. Na ja, aber so hat jeder mehr Spaß - oder zumindest wir. Ich denke, wenn wir Spaß haben, macht es auch dem Publikum Spaß.
Ich hatte mich vor ein paar Tage mit Vom von den TOTEN HOSEN über dieses Thema unterhalten, und der sagte, er denke schon darüber nach, was seine Mutter wohl denke, wenn sie von solchen Eskapaden in Interviews liest, und vor allem, wie eines Tages sein Sohn über seinen Vater denken solle, wenn er so was liest. Wie stehst du dazu?
Ach, darüber habe ich mir früher mal Gedanken gemacht, aber heute nicht mehr. Und nächstes Jahr steht sowieso das große NOFX-Filmprojekt an, da wird dann schonungslos alles zu sehen sein. Der Plan ist, dass wir in 30 Städten in Ländern spielen, in denen wir noch nie waren, und dass jeder von uns von einer Kamera begleitet wird, ständig ... Angedacht sind Südamerika, Südafrika, Israel, Südostasien ... Und da wird jeder Drogenexzess gefilmt, jeder Stripclub-Besuch, doch wer weiß, vielleicht läuft das ja auch alles ganz gesittet ab, meist ziehen ja nur Eric Melvin und ich noch richtig los, unser Drummer Erik geht nach dem Konzert meist ganz brav ins Hotel. Keine Ahnung, was der da so treibt, aber vielleicht gibt das ja auch eine interessante Story ab.
Und mit diesem Film willst du dich dann zu Hause blicken lassen?
Na klar, ich habe vor meiner Frau keine Geheimnisse.
Statt der "Osbournes" also die "Nofxe" ...
Nein, der Unterschied ist ja, dass man von Ozzie, von BLACK SABBATH und MÖTLEY CRÜE immer nur diese ganzen Geschichten hört, aber nie was zu sehen bekommt. Unser Film dagegen soll den ganzen Scheiß zeigen, der so passiert - falls er passiert, wir werden sehen. Zwischen total schockierend und total deprimierend ist alles drin. Vielleicht wird die Standard-Reaktion ja auch sein "Schau dir diese alten Deppen an, was die da machen...?
NOFX auf den Spuren von "Jackass"?
Nicht wirklich, obwohl ich erst neulich noch auf Droge auf der Bühne Bier- und Weingläser auf meinem Kopf zerschlagen habe. Aber das ist die Ausnahme. Die meisten Sachen passieren einfach so, wie etwa damals, als ich mir auf der Bühne aus Versehen in die Hose geschissen habe. Ich dachte, das ist ein Furz, aber es war keiner ... Also hab ich mir den Arsch abgewischt und die Scheiße ins Publikum geworfen. Würde mich nicht wundern, wenn die heute jemand als Andenken im Regal stehen hat.
Du erwähntest vorhin die Länder, wo ihr noch nie wart. Ihr habt also noch nie in Asien gespielt?
Nein, nur einmal in Hongkong und natürlich in Japan, aber in Korea, Vietnam, Singapur oder Indonesien waren wir noch nie. Das steht also alles auf dem Plan. Wir sind eben verwöhnte Blagen, wir touren seit einer Ewigkeit schon maximal zwei bis drei Monate im Jahr, und das vorzugsweise am Stück. Na ja, und vielleicht mal ein kurzer Ausflug nach Europa für ein paar Festivals. Unsere letzte US-Tour bestand aus gerade mal zwölf Konzerten, das war alles. Aber so wie wir Gas geben, würden wir mehr auch nicht durchstehen. Wir nehmen ja nicht wirklich viele Drogen, sondern eher viele verschiedene.
In diesem Licht ist also auch die Äußerung zu sehen, die sich im Info zu eurer neuen Platte findet. Da sprichst du davon, dass nichts so einfach sei wie als Alkoholiker in einer Punkrockband zu spielen. Du machst selber Witze über euren Umgang mit Drogen, und gleichzeitig ist die Rock'n'Roll- und Punkrock-Geschichte voll mit Leuten, die daran kaputtgegangen sind.
Ja, aber die konnten mit Drogen nicht umgehen. Ich habe einen College-Abschluss, ich habe eine Firma, bin verheiratet und habe eine Tochter, ich weiß, wie man mit Drogen umgeht. Das mag jetzt arrogant klingen, aber so ist es eben. Ich trinke vor einem Konzert, aber danach nicht mehr, nur so als Beispiel. Vielleicht nehme ich doch das ein oder andere, aber meistens bin ich um drei im Bett. Und: Ich habe nie Heroin ausprobiert. Das Problem ist, dass die Leute nicht genug bekommen können, die nehmen alles und viel davon, die ziehen sich die ganze Nacht lang Kokain rein. So was tun wir nicht, wir machen und nehmen alles nur in Maßen. Und das einzige, was sich über die Jahre "verschlimmert" hat, ist das Trinken. Und ehrlich gesagt ist das Trinken vor einem Konzert bei uns eher das Problem. Ganz schlimm war vor ein paar Jahren unser bis dato größtes Konzert, das war in London. Und da hatten Eric Melvin, El Hefe und ich LSD genommen, und wir konnten kaum spielen, so heftig war das. Aber letztlich geht es darum, dass wir da oben auf der Bühne Spaß haben, und dass das ein riesengroßes Konzert ist, das interessiert uns nicht.
Ihr seid als Band ja irgendwie ein Beispiel für die Kids, und ihr sagt, es ist okay Drogen zu nehmen?
Ja, es ist absolut okay, Drogen zu nehmen. Schau dir doch euch Deutsche an, ihr seid mit die größten Alkoholiker in der Welt ...
Von den Franzosen, den Italienern, den Spaniern, den Finnen und den Schweden mal abgesehen.
Und den Russen. Das Ding ist doch: Wer sagt, dass Alkohol okay ist, alle anderen Drogen aber nicht, der ist ein Heuchler. Mehr Leute sterben an Alkoholismus, als an jeder anderen Droge. Ja, ich weiß, dass Alkohol nicht gut ist, dass ich in der Hinsicht kein gutes Vorbild bin. Aber in anderer Hinsicht bin ich es: Ich habe die Schule abgeschlossen, habe einen Uni-Abschluss - und habe mich erst jenseits der dreißig ernsthaft dem Drogenkonsum zugewendet.
Als du wusstest, dass du damit umgehen kannst?
Ja. Sogar Hasch habe ich erst mit 21 probiert. Und als ich dann eine Band hatte, das Touren beherrschte, meine eigene Firma gut lief, da dachte ich mir, jetzt amüsiere ich mich. Ich bin 39, verdammt, ich weiß wie ich mit Alkohol und Drogen umgehen muss. Und ja, ich denke, das ist eine gute Message für die Kids: Geht in die Schule, schaut, dass ihr eine gute Ausbildung bekommt und euer Leben auf die Reihe kriegt - und dann fangt mit der Party an!
Das wirst du auch deiner Tochter vermitteln, wenn sie in das Alter kommt?
Absolut. Ich will nicht, dass meine Tochter zu trinken beginnt, bevor sie 16, 17 ist, und ich werde ihr sagen, sie soll die Finger von Drogen lassen, bis sie ihr Leben im Griff hat. Ansonsten kannst du schnell aus dem Gleis geraten.
Ist das, was du mir da erzählst, nicht irgendwie ein Widerspruch zum Punkrock-Klischees von wildem, rücksichtslosem Spaß? Erst Karriere, dann die Party, das klingt ziemlich spießig ...
Vielleicht, wir haben eben alles etwas mehr unter Kontrolle. Andererseits: Wer idiotische Stunts bringt, wie sich in Amsterdam an eine sich öffnende Hebebrücke zu hängen, auf den trifft das nicht unbedingt zu. Und man treibt sich in Gegenden rum, wo Leute mit Messern und Schusswaffen angegriffen werden, was auch nicht besondern spaßig ist. Solchen Quatsch machen wir immer, sogar Stagediven ist ein Risiko, aber so ist eben das Leben. Aber was ich damit sagen will: Ich bin nicht Darby Crash, nicht Sid Vicious, das ist der Unterschied. Und: Wir haben absolut Spaß auf der Bühne, wir bringen nie zweimal die gleiche Show mit den gleichen Jokes in der gleichen Reihenfolge. Und du weißt, es gibt genug Bands, die jeden Abend die exakt gleiche Show spielen. Über NOFX kann man das aber auf keinen Fall sagen. Wir spielen einfach spontan einen Song, den wir sechs Jahre nicht gespielt und geprobt haben, und wenn der total in die Hose geht, was soll's? Das machen wir auch beim Reading-Festival, egal. Und wenn dort Leute amerikanische Flaggen verbrennen, verbrenne ich eben Friedensfahnen - vor 100.000 Zuschauern.
Was Drogen anbelangt, würdest du da den Satz unterschreiben "Never trust a hippy"?
Oh ja. Auf unserer ersten Tour 1985 haben wir natürlich nirgendwo Gage bekommen, und so hatten wir uns zwei Blätter Acid gekauft, um sie unterwegs zu verkaufen und uns mit dem Geld über Wasser zu halten. Natürlich haben wir uns von einem Hippie in Berkeley schlechtes Zeug andrehen lassen, das wir aber trotzdem gerne weiterverkauft haben, haha.
Und daher kommt der Titel eurer neuen EP, auf der eine Zeichnung von Jesus zu sehen ist und darunter eben dieser Spruch?
Nein. Der hat was damit zu tun, dass ich keine Lust mehr darauf habe, die ganzen Konservativen und Republikaner anzupissen, sondern mir noch eine Zielgruppe ausgesucht habe: religiöse Menschen in aller Welt, denn die sind es, die alles ruinieren. Das Problem ist nicht das Militär, es sind die Fundamentalisten überall auf der Welt, die für die ganzen Probleme verantwortlich sind: Christen, Juden, Moslems, na ja, die Buddhisten eher weniger. Religion ist der wahre Feind, und wenn wir Jesus auf das Cover packen, dann deshalb, weil ich mir da halbwegs sicher sein kann, nicht dafür umgebracht zu werden. Bei Mohammed sieht das ja etwas anders aus.
Gibt es schon Reaktionen auf das Cover?
Nein, darauf noch nicht, aber ich bekomme ja auf Konzerten mit, dass Leute gehen, wenn ich mal wieder Scheiße über Gott erzähle und über Menschen, die an eine Religion glauben. Ich sage da eben so Sachen, dass ich Leute für Idioten halte, die mehr an ihren Gott glauben als an ihre Mitmenschen. Und dass solche sich doch besser aus meinem Konzert verpissen sollten, was nicht wenige Kids dann auch tun. Aber fuck, das ist ein Punk-Konzert, was glauben die denn, was sie zu hören bekommen?
Dann muss ich auf ein Thema zu sprechen kommen, wegen dem ich dich schon einmal angepisst hatte: Warum hast du denn dann einst eine MxPx-Platte veröffentlicht? Das ist ja nun eine Band mit klar christlichem Hintergrund.
Okay, also auf der Platte, die ich damals rausgebracht habe, ist kein einziger religiöser Song. Und: Die haben sich einst als christliche Band bezeichnet, sie tun es aber nicht mehr. Sie sagen, sie sind eine Band mit Mitgliedern, die Christen sind. Die wissen, wie ich zu dem Thema stehe, doch solange sie ihren Glauben als ihre Privatangelegenheit betrachten, habe ich damit kein Problem und kann auch eine Platte von so einer Band veröffentlichen. Ein Beispiel dafür, dass das nicht geht, sind COMEBACK KID: Die wollten gerne auf Fat Wreck veröffentlichen, aber ich stellte fest, dass sie bei einer vorherigen Platte in der Thanklist Jesus danken, und damit war die Sache für uns erledigt. Aber ich habe auch schon die Veröffentlichung einer FEAR-Platte abgelehnt, weil die Texte zu sexistisch waren. Und GUTTERMOUTH habe ich auch nicht gemacht, weil die homophob waren. Ich sage also auch mal nein zur Veröffentlichung einer Band, wenn es dafür gute Gründe gibt. Bei MxPx war das für mich nicht gegeben: Solange jemand nur an Gott glaubt, ist das sein Ding, doch wenn er versucht, das anderen aufzuzwingen, habe ich damit ein Problem.
Mein Problem ist, dass es mittlerweile beinahe unmöglich ist, im Blick zu behalten, welche Bands christlich sind und welche nicht. Speziell aus dem Metalcore-Sektor kommen da mittlerweile sehr viele Bands, bei denen es Labels wie Fans scheißegal ist, welch konservative Meinungen eine Band vertritt. Mir scheint da seitens der Labels vor allem das kommerzielle Interesse im Vordergrund zu stehen, Inhalte sind nicht mehr gefragt.
Klar, das ist ein richtig großes Ding! Ich habe dazu neulich noch ein Interview gegeben und auch angesprochen, dass die bei der Warped-Tour in den USA letztes Jahr sogar eine Bibelgruppe hatten! Jeden Abend trafen sich da Leute zum gemeinsamen Bibellesen, das waren jeden Abend 60, 70 Kids aus Bands, die da gebetet haben. Und ich habe in dem Interview klar gesagt, dass wenn wir die Warped-Tour spielen, es keine verfickte Bibelgruppe geben wird. Wenn die Fucker das versuchen sollten, werden sie von uns, RISE AGAINST und ANTI-FLAG mit einer Ladung Bierflaschen eingedeckt! Und die werden sich nicht wehren, denn das sind ja Christen, die halten dir höchstens noch die andere Wange hin, hahahaha. Ich sehe einfach nicht, dass Gott und Punkrock irgendwas miteinander zu tun haben können. Na ja, und was MxPx anbelangt: Ich muss ja auch irgendwie Geld verdienen, hehe. Im Ernst, das sind coole Typen, die auch nichts gegen Drogen und Alkohol haben, aber sie hatten eben als Kids ein paar Probleme.
Und deshalb werden die zu Christen.
Ja, wenn du in einer Familie aufwächst, in der man dir das ganze religiöse Zeug schon als Kleinkind beibringt, dann fällt dir eigenes, freies Denken später einfach schwer - und es ist schwer, sich davon zu befreien.
An deinen gerade geäußerten Meinungen erkenne ich einerseits eine gewisse Radikalität, andererseits sind sie auch irgendwie so schrecklich ausgewogen. Wie kommt das?
Haha, danke. Man kann einfach nicht zu reaktionär sein. In dieser Sache mit den dänischen Mohammed-Karikaturen etwas: Ich denke, die Dänen haben da einen Fehler gemacht, und es war auch nicht richtig, dass andere europäische Zeitungen die Zeichnungen nachgedruckt haben. Warum? Schon allein deshalb, weil die Karikaturen nicht lustig waren. Und es ist einfach keine gute Idee, diese Millionen verrückter Moslems anzupissen. Das Ganze hatte was von der wahnsinnigen Aktion, in einem überfüllten Konzertsaal laut "Feuer!" zu rufen. Das ist nicht besonders klug, das hat für mich nichts mit Redefreiheit zu tun.
Du bist also der Meinung, dass das nicht aus grundsätzlichen Gründen falsch war, sondern einfach weil die Umstände dagegen sprechen?
Ja, das ist wie mit dem Holocaust: Danach kann man auch nicht einfach in einer Zeitung Karikaturen über die getöteten Juden abdrucken. Das ist einfach nicht besonders klug. Und deshalb kann ich die Reaktionen der Moslems nachvollziehen.
Aber was ist dann mit eurem EP-Cover, wo Jesus mit einer Flasche Wein abgebildet ist?
Ja, und? Das ist lustig.
Warum? Weil du selbst aus einer christlichen Kultur kommst und deshalb das Recht zu Kritik hast?
Nun, wenn ich in einer christlichen Gesellschaft leben würde, in der ich wegen dieses Covers Todesdrohungen bekäme, dann würde ich dieses Cover überdenken. Aber zum Glück sind Christen nicht so verrückt wie Moslems, das heißt, christliche Fundamentalisten sind nicht so verrückt wie muslimische. Darüber kann man sicher streiten, aber es ist meine Meinung. Ja, es gibt Christen, die Abtreibungskliniken anzünden, aber sie steinigen keine Frauen, nur um ihr Gesicht zu wahren. Da liegt der Unterschied.
Hast du einen christlichen oder jüdischen Familienhintergrund?
Meine Eltern kommen beide aus jüdischen Familien, aber wir haben nie irgendwelche religiösen Feste gefeiert und gingen auch nie in eine Synagoge.
Muss man deshalb das Jesus-Cover in einem anderen Licht sehen?
Nein, wieso? Jesus war doch Jude. Wir haben für "Seeing double at the Triple Rock" vom neuen Album auch ein Video gedreht, in dem mich Jesus in einer Toilette tauft, und für den Dreh hatten wir ein Konzert organisiert, bei dem sich alle 200 Besucher als Priester oder Nonne verkleiden mussten. Das war ein sehr lustiges Bild, und Jesus hat dann kein Crowdsurfing gemacht, er lief über die Menge, hahahaha. Der Song ist über eine Bar in Minneapolis, und da haben wir das auch gedreht. Die Kneipe gehört den Jungs von DILLINGER 4.
Ich habe bislang nur die EP gehört, und mein erster Eindruck ...
It's the same old shit, right? Die Leute fragen mich immer, was an unserer neuen Platte so grundsätzlich neu und aufregend ist, und ich sage "Nichts!" Es ist der gleiche Scheiß wie immer! Wir hatten im Studio viel Spaß, aber wenn du schon 250 Songs aufgenommen hast in deiner Karriere, fällt es etwas schwer, innovativ zu sein. Und während andere Bands im Laufe von 20 Jahren viel, viel schlechter geworden sind, sind wir nur ein kleines bisschen schlechter geworden.
Der Albumtitel "Wolves In Wolves' Clothing" ist eine Abwandlung der Redewendung "Der Wolf im Schafspelz". Was hat es damit auf sich?
Das ist eine Metapher für die derzeitige Situation der USA: Wir sind ein Land, das behauptet, für Demokratie und Frieden zu stehen und zumindest mal so getan hat, als seien wir die Netten und Guten. Jetzt aber haben wir den Schafspelz abgelegt und sind einfach nur die Wölfe, die wir sind. Wir ficken alle und tun, was wir wollen.
Das letzte Interview führten wir kurz vor den US-Wahlen, und du warst noch zuversichtlich, eine zweite Amtszeit von Bush verhindern zu können, auch mittels des Engagements via punkvoter.com. Es kam anders. Was hat sich in den letzten eineinhalb Jahren in den USA verändert?
Die Situation im Irak hat sich massiv verschlechtert und mittlerweile haben wir es geschafft, den gesamten Mittleren Osten gegen uns aufzubringen. Das Abtreibungsrecht und damit die Rechte der Frauen werden wieder eingeschränkt, verschiedene Bundesstaaten schreiten da schnell voran. Der Oberste Gerichtshof ist jetzt in der Hand der religiösen Rechten. Die Wirtschaft steckt in einer Krise, unsere Währung ebenso. Wir geben der Welt gegenüber ein peinliches Bild ab. Und es ist rein gar nichts mehr großartig an den USA. Unsere Plattform punkvoter.com ist immer noch aktiv, demnächst stehen wieder Wahlen zum Abgeordnetenhaus an, und so finden sich da diverse neue Statements. Zur Warped-Tour werden wir unsere Aktivitäten wieder etwas verstärken, nachdem wir durchaus eine längere Pause eingelegt hatten. Aber ich war nach Bushs Wahlsieg nur kurz richtig angepisst, und wir hatten schon an dem Abend trotz unserer Niederlage eine große Party, wir haben uns selbst gefeiert dafür, dass wir uns so für unser Land angestrengt hatten. Man muss eben auch sehen, dass die Lage der Welt und der USA schon schlimmer war: Der Zweite Weltkrieg, der Genozid in Jugoslawien in den Neunzigern, die Weltwirtschaftskrise mit 25 % Arbeitslosen ... Bush ist ein schrecklicher Präsident, aber deshalb muss man sich doch nicht sein eigenes Leben ruinieren.
Hast du den Film "Syriana" gesehen, in dem es um die Verquickung von US-Wirtschaftsinteressen und Außenpolitik geht?
Nein, aber mich hat "Good Night Good Luck" beeindruckt, in dem es um die McCarthy-Ära ging. Da fiel mir auf, dass es damals noch richtige Nachrichten gab, während die Nachrichten in den USA heute nur noch ein einziger schlechter Witz sind. Was ich sagen will: Zuerst denkt man bei diesem Film, dass damals ja alles richtig schlimm war, stellt dann aber fest, dass heute alles noch viel schlimmer ist. Und gleichzeitig ist in Ländern wie Argentinien oder Brasilien alles noch voll schlimmer, etwa was Korruption anbelangt, während verschiedene europäische Ländern in dieser Hinsicht ganz weit vorne sind. Die USA sind lange nicht so schlimm wie der Kongo, daran ändert alles Gejammer und Geschreie nichts, das muss man auch sehen. Und immerhin muss in den USA niemand hungern.
Mag sein, aber was ist, wenn die Leute so arm sind, dass sie sich nur krankmachende Billigst-Lebensmittel leisten können?
Das ist auf jeden Fall ein Problem - aber besser als hungern, oder? Being fat is better than starving.
Klingt nach einem perfekten Titel für euren nächsten Labelsampler.
Haha, gute Idee, ja. Jedenfalls sind in den USA sogar die Penner dick, denn in jeder Mülltonne finden sich halbe Sandwichs. Dünn sind nur die Junkies ... Das Problem der Amerikaner ist, dass sie wirkliche Armut und Leiden nicht kennen. Sogar die Ärmsten der Armen in den USA haben einen Fernseher.
Natürlich, so stellt man die Leute ruhig. Lass uns über Fat Wreck sprechen, was macht dein Label, was hat dich die letzten Monate beschäftigt, was sind die Pläne für die nächsten Monate?
Na ja, es hat mich getroffen, dass AGAINST ME das Label verlassen haben, um zu einem Major zu gehen. Und ich bin sehr zufrieden mit dem aktuellen LAG WAGON-Album. Wir tun, was wir schon immer getan haben, wir bewegen uns ganz langsam bergab, hahaha. Die Platten von THE LOVED ONES, von LAWRENCE ARMES und SAINT CATHERINES sind gerade erschienen, LOVE EQUALS DEATH kommt bald, und wir versuchen halt neue, coole Bands zu signen. Aber wir werden auf jeden Fall die Finger lassen von trendigen Screamo-Metalbands, auch wenn die derzeit sehr angesagt zu sein scheinen.
Aus diesem Bereich kommen ja auch die meisten dieser religiösen Bands, wobei sich eben viele Labels nicht scheuen, so was unter Vertrag zu nehmen.
Nun, die signen eben alles, was gerade angesagt ist. Aber mit dieser Attitüde habe ich Fat Wreck nicht gegründet, und so will ich nicht enden. Aber es gibt Schlimmeres auf der Welt als Labels, die shitty Bands signen.
Ach ja? Und wer muss das ausbaden? Wir hier beim Ox, die diese ganzen CDs zumindest einmal anhören müssen!
Also ich werde jetzt nicht schlecht über Tony von Victory reden, weil er christliche Bands signt, von denen er glaubt, dass damit viel Geld zu verdienen ist. Wir bei Fat Wreck haben eben das Glück, Bands wie NO USE FOR A NAME, MAD CADDIES, STRUNG OUT, NOFX oder LAG WAGON zu haben, all diese älteren Bands, die sich gut verkaufen - wenn auch nicht mehr so gut wie früher, aber ich will mich nicht beklagen. Und es gibt eben immer Leute, die Bands, die bei Fat Wreck unterschreiben, dafür kritisieren, weil sie denken, wir seien so eine Art kleiner Major. Den REAL KcKENZIES ging das zum Beispiel so, denen warfen Leute deshalb vor, Sell-outs zu sein - dabei habe ich die nur gesignt, weil das die größten Alkoholiker sind, die ich kenne, haha. Wir waren zusammen in Japan unterwegs, und ich kenne keine Band, die härter Party macht.
Armand von SICK OF IT ALL erzählte mir, dass sie deshalb Fat Wreck verlassen hätten, weil das Label für sie zu klein sei, speziell in Europa.
Damit kann ich leben. Und ja, wir geben nicht wirklich viel Geld aus für unsere Bands, aber ihre Platten haben sich okay verkauft. Aber auch Bands wie LAG WAGON, NO USE FOR A NAME oder NOFX haben in den letzten Jahren von jeder neuen Platte weniger verkauft als von der davor. Das geht bei NOFX seit "Punk in Drublic" so, bei LAG WAGON seit "Hoss". Das gleiche Problem hatten auch SOIA, von jeder Platte verkauften sie weniger. Aber sollte ich deshalb mehr Geld in sie stecken? Glauben sie, sie wären dadurch größer geworden? Vielleicht gibt ihnen ihr neues Label ja einen guten Push, aber sie werden nicht wie früher mal 200.000 Platten verkaufen. Die sind eine Hardcore-Band, die seit 20 Jahren dabei ist, da ist das eben so. Aber ich fand es gut, dass sie auf Fat Wreck waren, dass wir Freunde sein konnten.
Fasst du das als persönliche Niederlage auf, wenn die Verkäufe nicht mehr so gut sind wie noch vor Jahren?
Ich denke, das ist eine normale Entwicklung im Plattengeschäft. Eine Band ist jung, wird immer populärer, und irgendwann kommt der Punkt, an dem sie auch wieder an Popularität einbüßt. So ist der Lauf der Dinge, und das betrifft 99 % aller Bands. Bands regen sich darüber natürlich auf, aber ich kann ihnen dann nur die Frage stellen, was sie sich denn gedacht haben? Dass sie immer größer werden? Also, wie könnte ich das persönlich nehmen? Nimm nur mal die RAMONES, die großartigste Punkband aller Zeiten: Die sind mit jeder Platte kleiner geworden, was die Verkäufe anbelangt.
Gleichzeitig wurden sie aber bei anderen Musikern und bei Journalisten immer beliebter, und weil ständig über sie geschrieben und geredet wurde, hat man da bis heute einen ganz anderen Eindruck.
Tja, ich weiß gar nicht, ob die überhaupt mal eine Goldene Schallplatte
hatten. Im Gegensatz zu uns, wir bekamen eine für "Punk In Drublic". Weltweit haben wir davon über eine Million verkauft. Aber seitdem hat sich jede Platte mit schöner Regelmäßigkeit schlechter verkauft.
Hat das auch was mit der ganzen Download- und Tauschproblematik zu tun?
Sagen wir so: Es hat den Rückgang beschleunigt. Wobei es weniger die Download-Sache ist, die schädigt, als vielmehr das CD-Kopieren, das mittlerweile so einfach ist. Das kennt doch jeder: Der eine kauft sich eine CD, ein Freund fragt, ob er sich die mal eben kopieren kann, und das war's. Das ist das wahre Problem, aber darüber rege ich mich nicht mehr auf, das ist eben der Lauf der Dinge. Parallel zu den rückläufigen Verkaufszahlen haben sich Besucherzahlen bei NOFX-Konzerten übrigens nicht verändert.
Das hört man allenthalben, und speziell der Merchandise-Verkauf bei Konzerten wird für Bands immer wichtiger. Aber noch mal, wie gehst du mit sinkenden Verkaufszahlen um, gibt es dazu Krisen- und Strategiesitzungen im Fat Wreck-Büro?
Klar fragen mich die Leute bei meinem Label "Mike, was sollen wir tun? Sollen wir mal was anderes ausprobieren?" Aber ich bin halt ein seltsamer Typ, ich sage nein, das sei eben der Lauf der Dinge. Wir sagen unseren Bands, dass sie so viel touren sollen wie möglich, das bringt das Geld. Aber auf die Frage nach der Geheimwaffe für steigende Verkaufszahlen habe ich keine Antwort. Andere Labels verkaufen derzeit richtig gut, etwa Victory, was daran liegt, dass dieser Sound derzeit eben sehr angesagt ist. Aber nimm nur mal GREEN DAY, die sind derzeit die größte Rockband der Welt. Gleichzeitig aber haben sie von ihrem aktuellen Album nur ein Drittel der Menge von "Dookie" verkauft. Dabei sind sie heute viel größer und bekannter als damals.
Apropos Konzerte: Werden wir NOFX dieses Jahr in Deutschland live sehen können?
Nein. Wir waren doch erst letztes Jahr in Deutschland. Ich denke, unser Erfolg hat auch was damit zu tun, dass unsere Konzerte etwas besonderes sind, dass wir nicht alle paar Monate in einer Stadt spielen, sondern nur alle paar Jahre, und um so mehr freuen sich die Leute darauf.
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