Es gibt Platten, die hat man miterlebt, und solche, die man nicht miterlebt hat – wegen (zu) später Geburt oder wegen zum damaligen Zeitpunkt anderer musikalischer Interessen. Meine erste Erinnerung an DIE TOTEN HOSEN ist das Cover von „Opel-Gang“ im Schaufenster eines Plattenladens in der Heidenheimer Fußgängerzone. Der Name sagte mir nichts, aber das Cover mit dem aufgebockten Opel Rekord Caravan faszinierte mich. Bald darauf kursierten in der Schule Kassettenkopien, unter uns pubertierenden Jungs erfreute sich „Hofgarten“ großer Beliebtheit: Von „Ficken, Bumsen, Blasen“ hatten wir keine Ahnung, aber das roch nach Gefahr und war kein Lied, das man zu Hause laut hören wollte, außer man hatte Bock auf seltsame Diskussionen mit den (Groß)Eltern. Bald darauf dann der Non-Album-Song „Eisgekühlter Bommerlunder“ im einzig empfangbaren Radiosender SDR 3 mit der legendären Sendung „Point“ und der Indie-Hitparade, später im Jahr die seltsame Rap-Version „Hip Hop Bommi Bop“, die es auch ins Fernsehen schaffte – wir gierten danach, bei „Formel Eins“ mindestens ein akzeptables Lied entdecken zu können unter all dem Pop-Schrott. Waren es also DIE TOTEN HOSEN, die Punk in meine Kleinstadtwelt brachten? Ich kann es nicht sagen, die Erinnerung verschwimmt da etwas, aber das Album, das nun anlässlich seines vierzigjährigen Jubiläums in einer auf 7.000 Exemplare limitierten Sonderedition erschienen ist, bezeichne ich ohne Zögern als die wichtigste Platte von Campino und Co. Im Booklet, für das Kolja von ANTILOPEN GANG die Band interviewt hat, ist neben vielen anderen Zeitungsauschnitten auch ein Schnipsel mit den damaligen „Independent Charts“ abgebildet. Unter den Top-10-Singles „Bommerlunder“ und „Reisefieber“, bei den Alben „Opelgang“ (sic!) auf Platz 1, vor NEW ORDER, CRASS, SLIME und AZTEC CAMERA. Irgendwie holten uns, holten mich die Hosen damals voll ab: Das war Punk, aber albern, wild, verspielt, eingängig, nachvollziehbar, nah dran an unserer Teenie-Welt und unserem Gymnasiastenhumor – und dabei doch gefährlich, siehe „Hofgarten“. Das war elektrisierend, aufreizend, provozierend – und Underground. Spätestens als die Dorfprolls an der Schule aber mit DIE ROTEN ROSEN die Band entdeckten, zogen wir weiter – zu cooleren Bands, wie wir fanden ... Die Neuauflage kommt im Hardcover-LP-Buchformat, das originale Album gibt es als LP und als CD und auf einer zweiten CD 18 Bonusnummern, darunter der Non-Album-Song „Bommerlunder“ und das rückblickend schreckliche „Hip Hop Bommi Bop“. Das erwähnte Booklet ist erstklassig aufgemacht – das ist der große Vorteil eines Bandarchivs und eines eigenen Labels, so bewahrt man die Kontrolle über sein Vermächtnis.
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