Aus einfachen Umständen haben sie sich nach oben gearbeitet - was klingt wie die Vita eines Gewerkschaftsführers, passt auch auf die BROILERS. Die Düsseldorfer Band um Frontmann Sammy Amara ist seit über zehn Jahren dabei, und was Anfangs soundmäßig dem Namen entsprach, ist über die Jahre erheblich gereift und heute solider deutschsprachiger Streetpunk-Rock'n'Roll mit ordentlich Style. "Vanitas" heißt das neue Album, zu dem uns Sammy Fragen beantwortete.
Wie kommt es, dass das neue Album bei People Like You rauskommt? Die Split-CD mit VOLXSTURM war ja noch bei DSS erschienen.
Aus E-Mail-Geplänkel wurde mehr ... PLY-Tobbe vertraute mir - in einer nicht mehr nüchternen Minute - an, dass man uns schon länger beobachte. Scheinbar waren die Früchte irgendwann reif, so dass PLY sie ernten konnte. Aber DSS-Micha hat uns immer und in jeder Hinsicht unterstützt. Wir konnten alles umsetzen, er hat alles finanziert, sei es noch so wackelig oder absurd. Und es hat sich ja glücklicherweise immer ausgezahlt. Nur ist es so, dass DSS Records nicht über eine Infrastruktur wie PLY verfügt, und wir folglich mit der letzten Platte das Potenzial des Labels nahezu ausgeschöpft haben. PLY war nicht nur in dieser Hinsicht der richtige Schritt nach vorne. Micha bleibt natürlich weiter unser Freund, wir ballern uns gerne dann und wann heftig einen, und er ist sehr stolz auf uns und das, was wir erreicht haben.
Im Promotext zu "Vanitas", der neuen Platte, heißt es, ihr seid "not scared of developement, personal and musicwise". Wie würdest du selbst die musikalische Entwicklung der Band seit den Anfängen beschreiben beziehungsweise inwiefern haben sich persönliche Entwicklungen auf die Musik ausgewirkt?
Auf der einen Seite haben sich natürlich Interessen und Ziele verlagert. Das, was mit 18 wichtig war, ist nicht immer das, was man mit 28 als höchstes Ziel erachtet. So sind auch die Probleme, die man nun mal hat, andere. Das schlägt sich aber hauptsächlich in den Texten nieder. Musikalisch haben wir von Platte zu Platte, von Jahr zu Jahr einfach unseren Horizont erweitert, sind bestimmt auch mutiger geworden. Wir sind glücklich mit dem, was wir machen, und können es deshalb auch ehrlich durchziehen. Wenn wir Bock haben, einem Song eine Soulkante zu geben, wird das gemacht, auch ohne die Sicherheit einer verzerrten Gitarre.
Habt ihr bei "Vanitas" etwas bewusst anders gemacht als bei "LoFi" - sei es jetzt beim Songwriting oder bei den Aufnahmen - oder ergibt sich der Sound eher unbewusst aus den gerade angesprochenen Veränderungen?
Der Unterschied liegt vielleicht in der Art, wie die Songs entstanden sind. Ich habe die Sachen auf einer Akustikgitarre zu Hause geschrieben, im Proberaum haben wir sie zusammen arrangiert. Das haben wir so zwar schon Jahre gemacht, aber diesmal war es uns sehr wichtig, dass der Song auch schon mit Stimme und Akustikgitarre allein gut klingt. Ein guter Song braucht auch nicht mehr. Wobei von Reduktion anhand der langen Zeit im Studio und der Instrumentierung ja auch nicht die Rede sein kann.
Das philosophisch-religiöse Konzept des Begriffs "Vanitas" ist ja ein ganz schön harter Brocken - ein Blick in Wikipedia hilft - und du musst jetzt erklären, wie ein paar Ex-Skinhead-Raufbrüder auf so was Hochgeistiges kommen ...
Pathos. Pathos hat uns vor allem bei der Titelwahl immer schon sehr gut gefallen. Das ganze Album musste etwas von einem Kinofilm oder Soundtrack haben. Auch im grafischen Konzept. Kurz nach dem Release der "LoFi"-LP/CD waren wir uns schon ziemlich sicher, die Platte "Vanitas" nennen zu wollen. Das Wort hat einen schönen Klang, die Bedeutung hat ohne Frage viel Wahrheit in sich und lässt großen Raum für eigene Interpretationen. Als es immer klarer wurde, dass "Vanitas" auch eine Art roter Faden in den Texten sein würde, haben wir uns endgültig entschieden.
Andererseits ist allgemein ein unterschwelliges Thema die "Gang", "Männerfreundschaft", whatever ... Was fasziniert daran?
Männerfreundschaft weniger als Freundschaft im Allgemeinen. Darauf basiert unsere Band. Diese Gang-Geschichte ist vielleicht ein weiterer Flirt mit der von uns geschätzten Mafia-Romantik. Was das auch sein mag.
18 Songs in 66 Minuten - früher wurde man für so was aus dem Dorf gejagt! Unkontrollierbare Kreativitätsschübe oder was?
Einfach zu viel gutes Material. Zuviel Herzblut in den einzelnen Songs, um sie fallen zu lassen. Wir wissen nämlich genau, dass wir sie nach ein paar Jahren nicht mehr veröffentlichen würden. Ich denke, als Band sollte man sich zumindest einmal eine Doppel-LP geleistet haben. THE CLASH haben mit "Sandinista!" für mich ihr größtes Werk geschaffen. Wobei, das waren vier LPs. Das lässt mich voller Hoffnung in die Zukunft blicken, haha.
Euer Name ist seit geraumer Zeit eher dazu angetan, falsche Erwartungen an den Sound zu wecken - ist man das irgendwann so leid, dass man wirklich über einen Wechsel nachdenkt?
Wir hatten eine Zeit, in der wir darüber nachdachten. Das war ganz am Anfang, noch vor dem Release unseres ersten Longplayers 1997. Sicher wäre vieles einfacher gewesen. Der Name gehört jedoch zu uns, so hässlich er auch sein mag, vielleicht liegt gerade darin die Herausforderung.
Während so manch andere Band mit "oi" im Namen Proll-Oi! macht, macht ihr ja eher Studenten-Oi!, oder?
Als Beschreibung fand ich Emo-Oi! auch mal einigermaßen heikel. Mir ist es egal, wie die Leute unsere Musik nennen. Ich interessiere mich nicht für musikalische Schubladen.
Wie reagieren die frühen Fans auf so eine Entwicklung?
Natürlich gibt es Jungs und Mädels, gerade die jüngeren Kids, die durch LOIKAEMIE, BROILERS und Co. zu dieser ganzen Oi!-Punk-Sache gekommen sind, für die das alles nichts mehr ist, es muss alles viel härter sein und noch ein bisschen mehr "anti". Das müssen und können wir akzeptieren. Dann gibt es aber wieder die Menschen, die schon ein bisschen länger dabei sind, die schon viele Jahre mit uns gehen, die richtig gut auf die neue Scheibe feiern. Das macht uns sehr glücklich. Wenn man einmal verdaut hat, dass wir unseren eigenen Kopf haben, kann einem "Vanitas" auch als "True to the core"-Punkrocker oder Skinhead gefallen.
Sammy, seit geraumer Zeit bist du ja der Grafik-Meister. Wie gehst du an die Gestaltung eines Plattencovers heran, wovon lässt du dich inspirieren, wer sind deine Vorbilder?
Aus der Not, 1996 ein Plattecover für unsere erste Single zu machen, bin ich zu meinem Beruf gekommen. Ich denke den ganzen Tag über Design, Typografie und Musik nach, eine unheilige Kombination. Alles, was ich wahrnehme, inspiriert mich. Ich kann soviel sagen, etwas für sich selbst beziehungsweise die eigene Band zu gestalten ist mit Abstand der schwierigste Job. Nichts ist gut genug. Und am Ende ist es doch alles Scheiße.
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