BROILERS

Noir

Sammy Amara, Frontmann der BROILERS, äußert sich im Ox-Interview ehrlich: Er habe Angst davor, dass die Fans vom neuen Album enttäuscht sind. Und enttäuschte Fans sind für eine Band wie die BROILERS ein Unding.

Schließlich berufen gerade sie sich seit jeher stolz auf die Zugehörigkeit zur und Herkunft aus der Punk-Szene – einer Szene, die vor allem für die wechselseitige Loyalität zwischen Fans und Bands bekannt ist.

Sogar einen eigenen Terminus haben die BROILERS für ihre treuesten Verehrer: „Die-Hards“. Aber ausgerechnet dieses eine Wort, um das sich alles dreht, dieses „Punk“, ist ja gerade das Problem, das die Düsseldorfer jetzt so besorgt sein lässt.

Die BROILERS mögen ihre Wurzeln im Punk haben, aber das, was oben sprießt, die Musik, das wächst mittlerweile in eine andere Richtung. Vor allem mit „Noir“, dem sechsten Studioalbum. Und so eine Entwicklung nehmen selbst die loyalsten Anhänger persönlich.

Schließlich sind Punkfans seit jeher nur noch einer Sache mehr verpflichtet als ihrer Lieblingsband: dem Punk selbst. Und der macht auf „Noir“ maximal noch 50% aus. Der Rest ist Rock. Alternativ bis skurril.

Mit Anklängen an Springsteen, U2, Pop und allerlei Experimenten mit Schlagzeug und Bass. Hat Sammy also zu Recht Angst vor einer Fahnenflucht? Vielleicht. „Noir“ wird polarisieren und keiner darf sich darüber beschweren.

Aber sollte es tatsächlich so weit kommen, wäre das sehr schade. Denn es würde zeigen, dass sich viele Leute nicht wirklich mit „Noir“ beschäftigt hätten. Diese – im Vorfeld angekündigte – Mischung aus den einerseits härtesten, andererseits emotionalsten Songs der Band seit langem, hat nämlich einen Reiz und eine Dringlichkeit, die einem manchmal den Atem rauben und die man eigentlich nicht leugnen kann, wenn man genau hinhört.

Man muss „Noir“ eben nur mehr als die obligatorische eine Chance geben. Liebe und Zuneigung wollen erkämpft werden. Dann dürften auch Zweifler zur Überzeugung gelangen: „Zurück in Schwarz“ (Punk), „Die Letzten“ (kein Punk), „Grau Grau Grau“ (Punk), „Ich brenn‘“ (kein Punk) gehören zum Besten, was die BROILERS je zustande brachten.

Der Oi! – ja, der ist passé. Aber das ist er im Falle dieser Band ja schon seit Jahren. „Noir“ – das nach „Vanitas“ (2007) und „Santa Muerte“ (2011) wie der letzte Teil einer Trilogie um Tod, Schmerz, Sehnsucht, Hoffnung und Glückssuche rüberkommt – ist nichts anderes als das intensivste, dunkelste und gerade dadurch fesselnde Album einer Band, die musikalisch zudem noch nie reifer klang.

Ein großes Konzept in Schwarz. Natürlich saß Vincent Sorg – der Hosen-Produzent – an den Reglern und sorgte für jenen fetten, bombastischen Sound, von dem Campino und Co. bereits seit Jahren zehren.

Das Wichtigste aber ist: Sorg hat das Herzblut, das die BROILERS in diesen düsteren Brocken gesteckt haben und das mit jedem Hördurchgang ein Stück mehr durchsickert, nicht angerührt. „Noir“ wird niemand im Sommer bei dreißig Grad im Schatten und mit der Bierflasche in der Hand mitgrölen.

Aber wer sagt, dass es kein „Punk“ ist, wenn man ein Album einfach wegen seiner textlichen wie musikalischen Leidenschaft und Schwere, Reife und Intensität goutiert?