Urlaub und Punkrock! Die neue DRITTE WAHL ist nun schon über einen Monat draußen, und so wie ich mir mit dem ersten Hören Zeit gelassen habe, so möchte ich auch einen ganz besonderen Zeitpunkt und Ort auswählen, um meine Gedanken zu der Scheibe niederzuschreiben.
Das Album hat mit "Feige Helden" sowohl textlich als auch musikalisch einen Opener, der den Einstieg in die Platte leicht macht. Ein typischer DRITTE WAHL-Song, schnell, rhythmisch und geradeaus.
Ein aktuelles Thema, wie Menschen manipuliert werden und die Entscheidungen anderer blind gesteuert umsetzen. Bei "Unschreibbar" stocke ich einen Moment! Nein das ist nicht das was ich von DRITTE WAHL erwarte.
Ich mag diese kleinen Liedchen oder Effekte auf ihren Veröffentlichungen nicht. Sorry. Mit "Wo?" geht es in eine Richtung weiter, die zeigt, dass die Band derzeit in der Oberliga des deutschen Punkrock spielt.
Textlich wird hier genau das geboten, was ich unter einer persönlichen Story verstehe, und er regt mit Sicherheit dazu an, auf das eigene Tun oder Nichttun zu schauen. Gleiches gilt für die Tracks "Wir kaufen uns ein kleines Stück", "Willst Du?" beziehungsweise "Zeit bleib stehen!".
Ich genieße übrigens gerade einen solchen Augenblick mit einem schönen heißen Tee, den Blick auf den Himalaja und Menschen die trotz ihrer Armut öfter und ehrlicher lächeln als wir. Musikalisch sind die Titel sehr unterschiedlich, eine zum Metal-HipHop tendierende Nummer, eine sehr melodische Punkballade und ein nach vorne abgehender Punksong.
Geniale Mischung. "Plakativ" ist wieder politisch motiviert und, wie immer bei DRITTE WAHL, wird nicht der Zeigefinger gehoben, sondern ein Thema angerissen und dem Hörer das Nachdenken überlassen.
"Fortschritt" der Song, der dem Album den Namen gab, ist etwas langsamer in der Gangart, aber eben sehr hart und einer der besten Titel auf dem Album. Ein klasse Schlagzeug, Bass und die Akustikgitarre werden sehr effektvoll eingesetzt.
Der Text trifft meine momentane Befindlichkeit sehr genau. Ich erlebe hier in Nepal die Faszination, dass man auch ohne viel Geld, Wohlstand, TV-Müll, Börsengewinne sehr glücklich sein kann.
Den Menschen hier im Himalaja sind viele dieser Dinge gänzlich fremd und die Zeile "Der Fortschritt hat uns krank gemacht" bekommt eine noch größere Dimension. "SAS Beluga" erinnert uns wieder einmal daran, dass die Band aus Rostock kommt und das Ganze im Gewand einer flotten Punkrock-Nummer.
Und noch ein Lieblingssong: "Alle Tage - alles gleich". Wie aus dem Leben gegriffen, der Soundtrack für einen etwas älteren Punk und die Gesangspassage von Tatjana lockert das ganze zusätzlich auf.
Klasse Idee beim "Rastermann" in der musikalischen Umsetzung den Reggae zu bemühen. Textlich geht es in die Abartigkeit der heutigen Zeit, dass jeder überall unter Beobachtung stehen muss, um "unsere" Sicherheit zu gewähren.
Aber auch dieses Thema greift hier in Nepal schon, zumindest was die Hauptstadt Katmandu und einige wichtige Knotenpunkte, wie den Flughafen Lukla und so weiter betrifft. Auf Grund der fortschreitenden Erfolge der "Maoisten", wird in den Gebieten, die noch nicht von ihnen beherrscht werden, viel Zivilpolizei eingesetzt, die die Leute gnadenlos bespitzelt.
Nur dort sind die Konsequenzen andere, man kann für Äußerungen gegen das herrschende System mit dem Leben bezahlen. Eins, zwei, drei - Punkrock: "Wie viel Leid", "Weißes Boot" (geile Coverversion des ROTE GITARREN-Klassikers) und "Hoch in'n Norden (up platt)" kommen sehr flott daher und zeigen textlich erneut die große Bandbreite, die auf dem Album bedient wird.
Und nun zu der Nummer, auf die ich persönlich gewartet habe: "Auf der Flucht". Die Erinnerung an Busch'n. Es gibt viele Möglichkeiten, mit dem Thema "Tod eines Freundes, Bandmitglieds ..." umzugehen.
Ich glaube, DRITTE WAHL haben es mit "Auf der Flucht" so gemacht, wie es das Gefühl einfach verlangt. Nach dem Hören war mir so, als ob ich schon immer gewusst habe, wie dieser Song klingen muss.
In diesen Zeilen und der Musik sind soviel Schmerze und Wehmut, aber auch Optimismus, die einen sofort ergreifen. Und gerade in dieser Balance von Trauer und dem Blick nach vorn steckt wohl das Geheimnis.
Das ist sie nun die neue Scheibe von Gunnar, Krel und Stefan. Eine Platte, die für mich zu den überdurchschnittlich guten Alben aus Deutschland zählt und an die 2005 ohnehin kein anderes Album heranreicht.
Danke! Arnim (East Side Records), Namche Bazzar, Nepal
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