DRITTE WAHL

10

Ein simpler Titel und schlichtes Coverartwork verraten es: Hier liegt das zehnte Studioalbum der Rostocker vor. Wirklich kreativ scheint er nicht, das stimmt. Legt man die Scheibe aber auf, überrascht „10“ mit erfrischend negativer Vielfalt.

Es scheint, als hätten DRITTE WAHL sich in alten wütenden Songs wie „Auge um Auge“, „Greif ein!“ oder „Mainzer Straße“ wiedergefunden: „Ich glaube, in schwierigen Zeiten wie diesen, in denen es keine einfachen Lösungen gibt, kann es wichtig sein zu sagen, wo man steht“ äußert sich Gunnar dazu.

Und es sind schwere Zeiten, in denen Rentner Pfandflaschen sammeln („25 Cent“) und das Bessere „Der Feind des Guten“ ist. Dabei besonders traurig: „Die Songs haben sich wie von selbst geschrieben.“ Bei all dem Gemütsgemetzel freut man sich über die Sommerhymne „Der Himmel über uns“ – „So was gibt’s nicht in der Cloud“, heißt es darin.

Und das wiederum spiegelt den roten Faden, der sich durch „10“ zieht: Es scheint, als hätten Gunnar und Co. sich als Input an den Kommentarspalten Wutbürger anziehender Social-Media-Kanäle bedient.

DRITTE WAHL setzen den sich dort wiederholenden Phrasen einen musikalische Arschtritt entgegen. Für den auf jedem DRITTE WAHL-Album nicht fehlen dürfenden Pathos sorgen „So lange her“ und „Vor dem Aufprall“, nach deren Konsum man erst mal Lebenszeichen von lange nicht gesehenen Freunden einholt.

Neuzugang Holger an Gitarre und Keyboards verpasst dem Album seine musikalische Glätte. Das ist kein Riot-Straßenpunk mehr, aber „so richtig Punk mit Iro und so waren wir ja nie.“ Sagt Gunnar.

„Aber die Attitüde passte uns halt immer sehr gut.“ Und das merkt man den Jungs auch nach fast dreißig Jahren im Geschäft auf ihrem zehnten Album noch immer an.“