Dieses ist und wird ein Superwahljahr! Gutes aus der Heimat ist en vogue und DRITTE WAHL machen dabei alles richtig. Als hart arbeitende und ausgiebig tourend bekannte Band, sind DRITTE WAHL per se prädestiniert für dieses Feature mit dem Fokus „Tour“. Ähnlich dem fortwährenden Bruce Springsteen-Phänomen gelingt es den sympathischen Rostockern generations- und genreübergreifend zu begeistern. Warum? Die Herren Gunnar (Git, Voc.), Krel (Drm.) und Stefan (Bass, Voc.) vereinen Geist, Können und Engagement zu ihren ureigenen Trademarks.
Und dass die Drei nach über 22 Jahren kein bisschen leiser, geschweige denn braver, geworden sind, vielmehr erwachsener im positiven Sinne, beweisen sie mit ihrem überragenden aktuellen Album „Gib Acht!“, und ebensolchen Live-Shows. Das euphorische Echo auf die neue, alte Energie beweist, wie wichtig und relevant ihr deutschsprachiger Punkrock immer noch ist. Während ihres noch das ganze Jahr andauernden Tour-Marathons konnte ich mich mehrfach davon überzeugen, dass die drei Punk-Papas die Kids noch locker vom Bildschirm vor die Bühne locken – und zeigen wo der Hammer hängt. Mit Gunnar sprach ich über’s Touren.
„Gib Acht!“ ist just erschienen, ihr seit unterwegs wie eh und je, für Außenstehende nur eine weitere Runde DW live. Was aber ist dieses Mal anders, wie verhält es sich mit euren Erwartungen an das neue Album und welche Reaktionen bekommt ihr auf, vor und hinter den Bühnen darauf?
Unser letztes reguläres Album ist schon über fünf Jahre her, und so wurde es wirklich Zeit, dass wir mal wieder mit neuen Songs aufwarten. Es waren schwierige Jahre. Nachdem Busch’n im Januar 2005 gestorben war, habe ich fast drei Jahre keinen einzigen Text zu Papier gebracht. Wir waren zwar mit Stefan am Bass schon ziemlich schnell wieder sehr viel live unterwegs, aber kreativ war absolute Flaute. Ich dachte schon, es ist vorbei! Die Nachfragen nach neuen Songs wurden immer häufiger, und selbst meine Jungs fragten regelmäßig, wann wir denn endlich neue Aufnahmen machen wollen. Zum Glück ging diese Phase irgendwann und ganz von allein zu Ende, und jetzt sind wir froh endlich mit „Gib Acht!“ am Start zu sein. Die Erwartungen waren natürlich hoch und wir haben einige Stücke dabei, die nicht 100% typisch für uns sind. Dazu kam, dass wir uns für ein anderes Studio für Mix und Mastering entschieden haben und somit auch soundmäßig etwas anders klingen, als auf den früheren Alben. So waren wir schon sehr gespannt, wie die Leute auf unsere neue Platte reagieren würden. Bis jetzt gibt es ein sehr positives Feedback und bei unseren Konzerten werden die neuen Lieder super angenommen und lautstark mitgesungen. Auch in den Läden läuft die Scheibe recht gut und somit sind wir mit dem Start von „Gib Acht!“ sehr zufrieden.
Du sprachst es schon an, Schicksalsschläge wie mit Busch’n, aber auch die Zeit generell bringen Veränderungen mit sich.Wie hat sich die Band und deren Kosmos, wie hast du dich selbst mit der Zeit verändert?
Zu Anfang dachten wir, jetzt leben wir aber richtig intensiv und nutzen jeden Tag für schöne Sachen. Der Alltag und die Normalität sind bei uns nach sechs Jahren natürlich auch zurück. Ich denke aber, dass unser Bewusstsein dafür, wie gut es uns geht, das wir gesund sind, unsere Kinder heranwachsen sehen können, tolle Familien und Freunde haben und mit unserer Musik immer noch so erfolgreich sind, sich geschärft hat. Das Leben ist eben nicht gerecht! Es gibt Kinder, die schon schwerkrank geboren werden, und es gibt eine ganze Menge Leute, denen ich einen baldigen Abgang wünsche – die es meiner Meinung nach nicht verdient haben alt zu werden. So ist es halt!
Woher holst du dennoch immer wieder die Kraft, auch in Form von Musik, etwas dagegen zu setzen? Wie bleibt man dabei relevant und meistert physisch und psychisch ein jahrelanges Leben „on tour“?
Musik ist für mich eine Art Therapie. Ich kann in meinen Songs Themen besingen, die mich gerade bewegen, und dann gebe ich meine Gedanken und Gefühle weiter. Das ist fast wie ein gutes Gespräch mit einem Freund. Ganz fair ist der Handel natürlich nicht, denn der Zuhörer bekommt meine Empfindungen weitergereicht und muss nun selbst schauen, was er damit anfängt. An das Leben auf der Autobahn haben wir uns mit den Jahren gewöhnt. Das wurde zwar stetig mehr, aber auch zur Normalität. Wenn wir heute zwei Wochenenden hintereinander zu Hause sind, dann juckt es in den Fingern und es wird Zeit, dass der Zirkus wieder ins Rollen kommt. Physisch gibt es bei uns noch keine nennenswerten Beeinträchtigungen. Wir sind ja noch jung!
Na, das lässt doch hoffen! Was meinen denn die Familien, speziell die Kids, wenn am dritten Wochenende schon wieder Koffer gepackt werden?
Sie kennen uns ja nicht anders. Für unsere Kids ist es Normalität, dass wir gerade an den Wochenenden oft weg sind. Sicher ist da manchmal etwas Traurigkeit dabei, aber umso schöner ist das Wiedersehen.
Sold out! Da verkauft ihr diese Tage doch tatsächlich einen Club nach dem anderen aus – später Balsam für die Seele, eher überraschend oder gar erhofft?
Wir freuen uns natürlich. Unser Weg war nie ganz gerade, sondern verlief immer in Wellenform. Es gab immer mal wieder Zeiten, in denen es sehr gut lief, und dann kamen Täler und wir haben wieder vor weniger Leuten gespielt. Ich denke mal, es wird jetzt auch so sein. Die neue Platte kommt gut an und die Clubs sind voll, aber wie es in ein, zwei Jahren aussehen wird, vermag niemand zu sagen. Vielleicht bleiben wir ja noch einige Zeit oben auf der Welle. Ein bisschen Hoffnung ist also auch dabei.
Mit eurer Bandkarriere überspannt ihr mehrere Szene-Generationen. Gab bzw. gibt es auf der aktuellen Tour noch Momente des Wiedersehens aus „alten Zeiten“?
Klar treffen wir oft alte Bekannte. Manchmal kommen sie auch erst nach Jahren mal wieder zu einem Konzert von uns. Andere erzählen uns, dass sie uns von früher kennen, aber der Zahn der Zeit hat ihre Gesichter schon aus unseren Erinnerungen verdrängt. So ist das halt. Die jungen Leute haben (glaube ich) gar nicht so recht begriffen, dass wir auch gut ihre Eltern sein könnten. Das ist ja auch ein schönes, wenn auch unfreiwilliges Kompliment.
Und wie sind die Reaktionen auf die „Gib Acht!“-Songs generell?
Die Songs kommen sehr gut an. „Ich bin dafür“, „Wo ist mein Preis“, „Ich bin’s“, „Fliegen“ und „Morgen schon weg“ sind wohl die Favoriten. Bei „Mama, hol den Hammer“ streiten sich die Geister, aber es gibt ja eine Skip-Taste, falls mal ein Lied nicht gefällt.
Ja, „Ich bin’s“ fällt positiv aus der Reihe. Schon mal versucht den im Radio unterzubringen?
Ich denke das ist eher schwierig. So ein richtiger „Radio-Song“ ist „Ich bin’s“ nun auch nicht. Dazu ist er zu lang und zu traurig, das spielt doch keiner. Außerdem hängt es nicht immer von der Qualität eines Songs ab, ob er im Radio gespielt wird. Pay to play ist das große Motto heute.
Leider. Gut, wenn wir schon beim Anders-Sein sind, schauen wir auch gleich mal dezent in die Zukunft. Wann kommt das DRITTE WAHL WENIG DAMPF-Orchester – DW mal ganz leise – auf Tour?
Wir wollen das unbedingt mal machen! Auch wenn es natürlich nichts Neues ist, klar. Wir haben schon ein paar richtig gute Leute mit im Boot und versuchen nun einen Zeitraum zu finden, in dem alle können. Das ist schwierig, aber – hoffentlich – nicht unmöglich. Also, ich denke Anfang 2012 wird es soweit sein.
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