Vier Jahre ist es her, dass Dietmar, der beste Rainer Langhans-Imitator Rostocks, mit Tabak und Bier in den DRITTE WAHL-Proberaum gelockt wurde, um zwei Songs für „Gib Acht!“ einzuspielen. Seitdem gehört das Keyboard nicht nur live zum festen Bestandteil der Combo: Was zwei Songs auf dem Vorgänger waren, ist eine durchgehende Institution auf „Geblitzdingst“.
So ist aus der jugendlichen Deutschpunk-Truppe ein Ensemble aus bodenständigen Musikern geworden, aus der AZ-Band der BROILERS- und Hosen-Support-Act. Entsprechend ließ man sich diesmal auch nicht mehr von Uwe von DAILY TERROR produzieren, sondern ging in die renommierten Principal-Studios, in denen auch schon DIE TOTEN HOSEN, DONOTS und IN EXTREMO sich haben verewigen lassen.
Aber keine Angst, DRITTE WAHL sind noch längst kein Altherren-Pop! „Geblitzdingst“ lässt lediglich die Kurve, in der die Menge der eingesetzten Sound-Effekte dargestellt werden, deutlich hochschnellen.
Gunnar spielt nicht mehr ausschließlich seine bissig-zerrige Gitarre wie auf „Halt mich fest“ (2001); stellenweise wird gar seine Stimme durch die bunte Welt der Klangverschönerer gejagt, das eine oder andere Sample eingespielt und auf Synthies zurückgegriffen.
„Sirenen“ bedient schon fast ein dark-waviges Muster und man fühlt quasi, wie man auf dem Deck des knarzenden Schiffes im tiefsten Nebel Halt sucht, während Schreie vom Geisterschiff herüberschallen.
„Brust raus!“ heißt es hingegen im Titeltrack: HipHop-Rocker Casper hätte wegen des Nord-Raps an „Geblitzdingst“ seine Freude. „Teufel und Dämonen“ reißt den Hörer verstärkt durch ein Panik verstreuendes Orchester in dystopische Kriegsszenerien.
Auf das Platzen von Gunnars Halsschlagader wartet man bei dem metallischen, Hardcore-nahen „F.D.S.“ (Fick den Scheiß) – gut, dass der Multi-Instrumentalist Holger, der die Truppe ab sofort an Dietmars Stelle auch live unterstützen wird, sowohl die Keys als auch die Gitarre bedienen kann.
Ihre Liebe für folkig-schmissige und Banjo-unterstützte Melodien leben DRITTE WAHL in „Zu wahr, um schön zu sein“ aus. Schön ist der jeweils eine sich seit der ersten Platte durchziehende Song, in dem das Sehnsuchts- und Todes-Motiv behandelt wird: In diesem Falle ist „Stillstehen“ dem verstorbenen Vater der Brüder Gunnar und Krel gewidmet.
Über den schlechten Witz „Was weiß ich schon von der Liebe“ sehen wir mal hinweg. Und wem saubere Lieder wie „Der Spiegel“ oder „Der Schatten“ zu universell sind, der hat den Rostockern bei „Fortschritt“ 2005 sowieso schon den Rücken zugekehrt.
Der große Rest freut sich über 26 Jahre große Schnauze und einen weiteren Meilenstein aus der Deutschpunk-Schmiede DRITTE WAHL, auf dem sich mal wieder so wahr und offen ausgekotzt wird, wie es nur wenige Bands schaffen, ohne in Klischees und Parolen verfallen.
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