Die Band aus Los Angeles hat dieses Jahr einiges zu feiern, nicht nur ihr zehnjähriges Jubiläum, sondern auch ihre tausendste Show. Hier ein kleiner Vergleich, um zu verdeutlichen, wie viel das ist: TOUCHÉ AMORÉ haben im Schnitt zehn Jahre lang alle 3,6 Tage eine Show gespielt, METALLICA dagegen kommen in 38 Jahren auf gerade mal knapp über 2.000 Konzerte. Man muss kein Mathegenie sein, um den Unterschied zu erkennen. Wir sprechen mit Sänger Jeremy über zehn Jahre TOUCHÉ AMORÉ, Nebenprojekte und die Zukunft der Band.
Wenn man sich „10 Years / 1000 Shows – Live At The Regent Theater“, den Mitschnitt des Jubiläumskonzerts, anhört, merkt man, dass es für die Band ein sehr besonderer und emotionaler Abend war. Das ist auch spürbar, wenn man mit Jeremy darüber redet: „An dem Abend war es ein bisschen stressig. Es waren sehr viele Freunde und unsere Familien da, Manager, Leute vom Label. Wir hatten uns fünf Monate auf dieses Konzert vorbereitet, also hat sich bis dahin einiges angesammelt. Als es dann auf die Bühne ging, dachten wir nur: Jetzt wird es langsam Zeit, hoffen wir, dass alles gut geht. Aber zum Glück lief alles glatt, keine gerissenen Saiten oder zerbrochenen Drumsticks. Es war ein toller Abend und wir waren glücklich, ihn mit LA DISPUTE und SELF DEFENSE FAMILY feiern zu können.“
Ein Abend, den viele sicher gerne miterlebt hätten. Wer TOUCHÉ AMORÉ bereits live gesehen hat, weiß, dass ihre Shows in einer Sekunde von null auf hundert gehen. Vom ersten Moment an sitzt jeder Schlag auf die Snaredrum, jeder Akkord und jede Gesangsnote da, wo sie hingehören. Wer jetzt glaubt, dass dieser Blitzstart auf umfangreichen Aufwärmezeremonien basiert, wird überrascht sein: „Haha. Nein. Es ist schon lustig. Man sieht immer wieder Bands, die sich versammeln, Musiker, die sich aufwärmen, dehnen und so was. Bei uns ist es das komplette Gegenteil. Wir machen vorher fast nichts, nur Elliot macht sich ein wenig war. Es gibt gar keine Zeremonie, in der Zeit, kurz bevor wir auf die Bühne gehen, reden wir in der Regel nicht mal miteinander. Haha! Das mag vielleicht auch daran liegen, dass wir seit zehn Jahren Musik zusammen machen. Aber selbst wenn wir uns versammelt haben, war das vielleicht vier Mal der Fall. Wir könnten das vor jedem Auftritt tun, aber dann würde es sich nicht echt anfühlen. Wir kennen uns alle so gut und es funktioniert daher einfach. Ich weiß, was der andere an dem Tag gegessen hat. Ich weiß, wie seine Fürze stinken. Ich weiß alles über ihn und er weiß alles über mich. Wir müssen uns nicht gegenseitig motivieren, weil jeder weiß, wie jeder andere tickt.“
Manche Bands gehen sich beim Reisen ja ziemlich auf die Nerven. TOUCHÉ AMORÉ haben ihre eigene Art und Weise, vor und nach der Tour miteinander umzugehen. „Es ist echt interessant, wie das manchmal ist. Ich habe die anderen seit der Europatour vor zwei Monaten teilweise erst diese Woche wiedergesehen. Wir hatten auch kaum Kontakt. Jeder ist in seinem Alltag für sich und lebt sein Leben mit seiner Familie. Unser Leben zu Hause ist komplett anders als unser Leben als Musiker. Wenn wir zusammen sind, verbringen wir einfach unfassbar viel Zeit Schulter an Schulter. Und wenn man das so lange macht, wie wir es tun, weiß man irgendwann, wie seine Freunde funktionieren. Welche Knöpfe man in gewissen Situationen nicht drücken sollte. Oder welche Knöpfe man drücken kann, wenn man gelangweilt ist und ein freundschaftliches Streitgespräch sucht. Wir hatten aber nie ernste Auseinandersetzungen. Wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt, hat sich das in der Regel noch in der selben Stunde wieder geklärt und die Sache ist gegessen.“
TOUCHÉ AMORÉ-Konzerte leben nicht nur von der Energie des Konzertsaals, sie sind die Energie des Konzertsaals! Schlag auf Schlag werden Songs ins Mikro gebrüllt, bei denen neunzig Prozent des Publikums lauthals mitschreien. Eine Stimmung, die jeder Zuschauer und jede Zuschauerin in Mark und Bein spüren kann. Doch kann man diese Atmosphäre auch auf Platte bannen? Eine Frage, die sich einige Fans berechtigterweise gestellt haben, als das Live-Album angekündigt wurde. Die Sorge kann die Band zwar verstehen, jedoch nicht unbedingt teilen: „Wenn es in einer anderen Stadt gewesen wäre, hätte sich vielleicht Nervosität breitgemacht. Da es aber ein Heimspiel war, gab es schon eine andere Energie im Konzertsaal. Als wir dann den Auftritt von LA DISPUTE gesehen haben, waren wir uns ganz sicher, dass es ein besonderer Abend wird. Und nachdem wir schon länger nicht mehr mit ihnen gespielt haben, war die Vorfreude groß und alle Beteiligten wollten einfach nur Spaß haben. Dadurch hat sich alles extrem energiegeladen angefühlt.“
Wer „Live At The Regent Theater“ hört, wird davon überzeugt, dass diese Energie sogar auf der Platte mitschwingt. Man wünscht sich sofort, sich direkt in die Situation beamen zu können, um das, was man hört, live mitzuerleben. Doch eine Sache ist der Band und ihren Technikern nicht ganz so gelungen wie erhofft: „Es war schwer, die Publikumsinteraktion einzufangen. Der Raum hat hohe Decken und ist dazu noch sehr breit. Wir hatten zwar Mikros an beiden Seiten, aber nicht wirklich nah am Publikum. Das führt dazu, dass man die Menge in ruhigen Momenten sehr gut hört, aber nur vage, wenn es laut zugeht. Du weißt, dass da Leute sind, aber es ist nicht so deutlich, wie es sein könnte. Aber umso toller ist es, die Masse an Menschen mitzubekommen, wenn die Musik leiser ist. Das gibt uns ein großartiges Gefühl.“
Tausend Shows in zehn Jahren, das ist logischerweise mit sehr viel Reisen verbunden. Sehr viel Zeit, die man in engen Autos und auf unbequemen Pritschen verbringt. Umstände, die schon einige Bands zermürbten und schlussendlich irgendwann dazu führten, getrennte Wege zu gehen. Nicht jedoch TOUCHÉ AMORÉ: „Du kannst jede tourende Band fragen, man hat immer mal gute und mal schlechte Tage. Man hat gute Touren und schlechte Touren. Es bedeutet alles für uns, dass das, was wir tun, unser Job ist. Andere würden dafür töten und für uns ist es Realität. Der Gedanke aufzuhören war nie stark genug, um es ernsthaft in Erwägung zu ziehen.“
Wie es weitergeht, wissen TOUCHÉ AMORÉ aktuell selber nicht. „Momentan machen wir seit zwei Monaten Pause und haben noch gar keine Idee, was als Nächstes passiert. Das ist komplett neu für uns. Sonst hat nach einer Tour immer direkt etwas Neues auf uns gewartet. Ich weiß echt nicht, was unser Plan ist. Wir haben mal über ein neues Album gesprochen, aber dafür geschrieben haben wir noch nichts. Wir befinden uns jetzt in unserer Nebensaison und müssen mal schauen, was die Zukunft bringt.“ Aber zum Glück braucht man sich nach diesem Gespräch mit Jeremy um die Zukunft der Band erst mal keine Sorgen zu machen!
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