Mit ihrem fünften Album „Lament“ widmet sich die amerikanische Post-Hardcore-Band TOUCHÉ AMORÉ der Zeit nach dem letzten Album. Das behandelte monothematisch den Krebstod der Mutter des Sängers. Und zwar so eindringlich, dass viele Fans es nicht hören können. Die Zeit danach scheint heller zu sein. „Lament“ ist inhaltlich von Hoffnung und guten Momenten geprägt, wenn auch nicht ausschließlich. Bolm wurde seinem Anspruch nach höchstmöglicher Authentizität absolut gerecht, was nicht zuletzt an der Zusammenarbeit mit dem herausfordernden Produzenten Ross Robinson lag. „Lament“ ist mit Sicherheit, bezogen auf Inhalt und Musik, das vielfältigste Album der Band. Von jeher beherrschten TOUCHÉ AMORÉ das Stop & Go perfekt, als Hörer:in wird man willenlos in ihren Händen und weiß nie, was hinter der nächsten Ecke lauert. Bricht der Song in sich zusammen oder schlägt die Band einen weiteren Haken? In dem Stück „Reminders“ verbindet Bolm seine persönlichen Gedanken mit der aktuellen, politischen Situation in Amerika. Mit einer Präsidentschaftswahl in Aussicht, die zwischen schlecht und weniger schlecht entscheidet, bleibt eigentlich nur die Rückbesinnung auf sich selbst. Gemeinsam mit Julien Baker, die ihm in diesem poppig-fröhlich anmutenden Song den Rücken stärkt, tut Bolm genau das. Das Album „Lament“ ist weiterhin gefüllt mit Unsicherheiten („I’ll be your host“, „Feign“) und Verzweiflung. Auf „Is Survived By“ gestand Bolm: „Don’t worry, I still get dizzy, in the usual situations“, auf „Laments“ singt er: „I say the wrong things, at the perfect time. That’s my signature“ und fragt sich weiterhin: „Do I die a little less often, when I think profane?“ Das fasst die Verbesserung der seelischen Stabilität gut zusammen. Ein Highlight ist das sich auffächernde „Limelight“, der Song mit Andy Hull von MANCHESTER ORCHESTRA. Hull, der wie ein Retter aus dem Nichts aufzutauchen scheint und Bolm in seinem vermeintlichen Fall begleitet. Den Moment, wenn beide im Songfinale aufeinandertreffen, kürt Bolm sogar zu seinen Top-drei-Momenten von TOUCHÉ AMORÉ. Menschen an seiner Seite zu haben, das ist ein entscheidender Punkt im Zusammenhang mit „Lament“. Es ist ein Album, das sich an Gemeinschaft festhält, daran, dass andere auch alle Tiefen und Höhen durchleben müssen. Es wäre vermessen zu behaupten, dass „Lament“ ein fröhliches Album ist, unterm Strich ist es auch purer Überlebenswille. Aber TOUCHÉ AMORÉ wagen sich damit eindeutig aus der Dunkelheit und zünden ein, zwei kleine Lichter an. Damit skizzieren sie zumindest grob die Richtung zum Ausgang. „Lament“ symbolisiert mit seinem außergewöhnlichen Schlagzeugende die Idee, dass das Ende ein Anfang sein kann. Nein, nicht kann, immer sein muss.
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