Mit „Blood Moon: I“ beschreitet die Band aus Boston nicht nur klanglich neue Wege, sie öffnet ihren Sound und ihr Bandgefüge auch den Einflüssen von Sängerin Chelsea Wolfe. Was bei dieser ungewöhnlichen und doch harmonischen Zusammenarbeit herauskam, bietet ordentlich Stoff für ein Gespräch mit CONVERGE-Sänger und Hardcore-Legende Jacob Bannon.
Als ich erfuhr, dass ich mich mit CONVERGE-Sänger Jacob Bannon über das neue Album „Blood Moon: I“ unterhalten dürfe, erfüllte sich für mich ein lange gehegter Traum. Zählen doch „Jane Doe“ und „No Heroes“, aber auch „All We Love We Leave Behind“ zu meinen All-time-Favorites. Mit genannten Werken lässt sich „Blood Moon: I“ aber musikalisch so gar nicht in Einklang bringen und dennoch trägt es die typische Handschrift von CONVERGE.
Für „Blood Moon: I“ öffnen CONVERGE ihren Sound für den Beitrag der Sängerin Chelsea Wolfe und ihrem Bandkollegen Ben Chisholm. Mit an Bord ist auch wieder Stephen Brodsky, der für CONVERGE als ehemaliges Bandmitglied und Teil des Ben Koller Sideprojects MUTOID MAN schon seit den Neunzigern zur Familie gehört.
Die Musizierenden kooperieren ja schon seit einiger Zeit, so traf man sich, damals noch mit Steve Von Till von NEUROSIS, bereits 2016 und trat auf dem niederländischen Roadburn Festival gemeinsam auf. „Das eigentliche Projekt startete also schon vor fünf Jahren im Zuge dieser Live-Shows“ erinnert sich Jacob Bannon. „Wir hatten direkt eine unglaublich gute Chemie und genossen von Anfang an den Prozess, der uns zum aktuellen Album führte. Dabei wollten wir alle eine große gemeinsame Band starten, die auch einige Stimmen vereinen sollte. Für uns bei CONVERGE war es wichtig, unserem Sound ein paar neue Dimensionen zu geben, und die Zusammenarbeit hat unsere Musik wirklich sehr bereichert.“
Bisher haben sich CONVERGE auf diese Weise noch nie solchen Einflüssen geöffnet. „Die Split-Platten zum Beispiel sind immer aus Freundschaft entstanden, manche daraus, dass man zusammenarbeiten wollte. Wir alle gehen unterschiedliche Wege und da ist es cool, auf einem Release zusammenzukommen. Wir haben nie richtig danach gestrebt, mit jemandem zusammenzuarbeiten, und ich bin immer sehr dankbar, wenn so was stattfindet, auch wenn ich das selten plane. Oft haut es mich richtig um zu sehen, mit wem wir schon alles zusammen arbeiten durften und welche Früchte das getragen hat. Ich bin da oft noch wie ein kleines Kind in manchen Dingen, und das sage ich als 45 Jahre alter Mann, aber ich bin wirklich sehr fasziniert von diesen Kollaborationen. Es ist einfach unglaublich, wenn man Musik mit Leuten macht, die einen selbst schon sehr inspiriert haben. Und mit ‚Blood Moon: I‘ ist ein Album entstanden, das unglaubliche Tiefe besitzt und so weit weg ist von allem, was wir bislang veröffentlicht haben.“
Gibt es einen Song vom neuen Album, bei dem Jacob auf die Publikumsreaktion besonders gespannt ist? „Eigentlich will ich nie die Reaktionen sehen. Bei mir war es schon immer so, dass ich die Dinge einfach mache und dann weitergehe. ‚Blood Moon: I‘ unterscheidet sich so sehr von allem, was ich je gemacht habe. Es war eine durch und durch wilde Erfahrung und es haut mich noch immer aus den Socken. Es hat mich eine ganze Menge gekostet, an diesen Punkt zu kommen, und ich bin so glücklich hier zu sein, wo ich gerade bin als kreative Person. Ich liebe und genieße die kreative Erfahrung und die Zusammenarbeit mit diesen großartigen Künstlern war genau das, was ich brauchte.“
Wie fühlte es sich für Jacob an, einige Monate auf das Tourleben verzichten zu müssen? „Ich habe währenddessen gar nicht so viel darüber nachgedacht. Ich ging einfach in den Überlebensmodus. Ich musste mein Dach über dem Kopf behalten. Es war sehr schwierig, ich meine, ich habe ein Plattenlabel, das ich am Laufen halten musste. Leider mussten wir hier einiges auf Eis legen und es waren viele Monate mit minimaler Arbeit, in denen es nur darum ging, die Lichter anzubehalten. Es war wirklich herausfordernd und als wir dann endlich viele Leute zurückholen und wieder anstellen konnten, war das ein großartiges Gefühl. Ich toure, seit ich 16 bin! Es war natürlich ein wahnsinniges Erlebnis jetzt ein Ende dieser tourlosen Zeit zu erleben. Dass ich bis Mitte vierzig so sehr im Tourleben stecke – darüber erlaubte ich mir das erste Mal richtig nachzudenken und zu reflektieren. Dafür hatte ich zuvor nie die Zeit. Es war eine Katharsis und es war sehr komplex, auch aus gesundheitlichen Gründen. Ich meine, man macht sich auch unweigerlich Gedanken, wo die persönliche Reise hingehen soll und wer man am Ende sein möchte. Es war emotional wirklich überwältigend. Jetzt überwiegt die Freude, das Tourleben zurückzuhaben, und auch das ist wieder sehr komplex. Ich meine, vor drei Jahren war all das eine völlig andere Sache als jetzt. Es ist alles anders und ich fühle mich introspektiver als je zuvor.“
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