CONVERGE

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Neue Sounddimensionen

An Kreativität mangelte es CONVERGE noch nie, doch was die Band auf dem neuen Album „Blood Moon: I“ abliefert grenzt an eine Neuerfindung des typischen Sounds. Geschuldet ist das vor allem der Zusammenarbeit mit Chelsea Wolfe. Ich sprach mit CONVERGE-Sänger Jacob Bannon über dieses große Experiment.

Sperrige acht Minuten dauert der erste Vorgeschmack auf das kommende CONVERGE-Album und so überraschend der Titeltrack aufschlägt, so überraschend erscheint auch die Zusammenstellung an Mitwirkenden. Für „Blood Moon: I“ öffnen CONVERGE ihren Sound für die Einflüsse der Sängerin Chelsea Wolfe und des Multi-Instrumentalisten Ben Chisholm, ebenfalls bei der nach der Frontfrau benannten Band. Des Weiteren beteiligt ist Stephen Brodsky, den CONVERGE-Fans als ehemaliges Bandmitglied bereits kennen dürften. Im kreativen Austausch stehen die Musizierenden ja schon seit einiger Zeit und so traf man sich bereits 2016 und trat zusammen mit Steve Von Till von NEUROSIS auf dem niederländischen Roadburn Festival auf. „Das Projekt startete also eigentlich schon vor fünf Jahren im Zuge dieser Live-Show“, erinnert sich Jacob Bannon. „Wir hatten direkt eine unglaublich gute Chemie und genossen von Anfang an diesen Prozess, der uns bis zum aktuellen Album führte. Dabei wollten wir alle eine gemeinsame Band starten, die auch einige Singstimmen vereinen sollte. Für uns von CONVERGE war es wichtig, unserem Sound neue Dimensionen zu geben, und die Zusammenarbeit hat unsere Musik wirklich sehr bereichert.“

Dabei schien von Beginn an klar zu sein, dass man nach besagter Festivalshow in den Niederlanden auch gemeinsam neue Musik schreiben wolle. „Das ging recht schnell los und schon vor ein paar Jahren standen die Demos zu einigen Stücken und irgendwann kam es unausweichlich dazu, dass genügend Material da war, um damit ins Studio zu gehen.“ Entstanden sind elf Songs, die die Musik des eigentlichen Vierergespanns CONVERGE neu definieren. „Eigentlich war es so geplant, dass Chelsea von einer Europatour zurückkehren sollte, um dann direkt mit uns ins Studio zu gehen, aber es gab eine Verzögerung und dann war es schon so weit, dass wir allesamt in den Lockdown mussten. Also haben wir erst mal aus der Ferne miteinander gearbeitet und dann fanden wir Wege, um die Sachen mit möglichst wenig Kontakt aufzunehmen und auch das Mixing und der finale Schliff funktionierten zum Glück relativ problemlos.“

Wenn künstlerisch alles gut läuft, dann ist die größte Challenge meist die Logistik: „Es war wirklich eine Herausforderung, aus der Ferne miteinander kreativ zu sein. Aber wir sind ja auch schon lange Musiker und wissen, wie man durch solche Schwierigkeiten hindurch navigiert. Kurt Ballou, unser Gitarrist, und ich haben schon in den späten Neunzigern über verschiedene Möglichkeiten geredet, wie wir unseren Sound erweitern könnten. Das ging von verschiedenen Instrumente bis hin zu bestimmten Ideen und Dynamiken, die wir ausprobieren wollten. Wir haben viel experimentiert, waren uns aber nie sicher, wann und wie wir manche Dinge unterbringen wollen. Irgendwann kaufte ich mir das zweite Chelsea Wolfe-Album und ich habe es richtig genossen Schon damals haben wir Kontakt aufgenommen und ich und Ben schrieben uns E-Mails hin und her. 2009 und 2010 waren wir dann gemeinsam auf Tour und lernten uns näher kennen. Wir blieben über die Jahre immer in Verbindung und wurden so was wie kreative Freunde. Und von da nahm alles seinen Lauf, bis es dann 2016 zu den gemeinsamen Live-Shows kam. Wir haben uns privat und auch kreativ schon immer sehr gut verstanden.“

Und was waren die Beweggründe für das gemeinsame Album? „Es war so eine positive Erfahrung, zusammen live zu spielen. Als Musiker haben wir unsere gewohnten Formeln und Dynamiken und als kreative Menschen wollen wir natürlich einiges ausprobieren. Diese Kooperation 2016 zeigte uns, dass hier eine natürliche Chemie vorhanden ist. Es machte einfach von Beginn an eine ganze Menge Spaß. Und auch wenn es logistisch doch mehr Aufwand war als erwartet, da ja jeder seine Projekte und Verpflichtungen hat, lief alles andere doch sehr reibungslos und gut.“

Kann Jacob benennen, was genau Chelsea Wolfe und Ben Chisholm zum klassischen CONVERGE-Sound beigetragen haben? „Natürlich sind wir alle sehr unterschiedliche Musiker, die viele unterschiedliche Ideen mit an den Tisch bringen, an dem wir gemeinsam sitzen. Wir sind allesamt Multi-Instrumentalisten und haben in der Vergangenheit schon bewiesen, dass wir flexibel sind. Klar sind da die Dinge, die einem sofort ins Ohr springen. Man hört einfach, dass es beispielsweise eine Gitarre mehr gibt und dass wir jetzt auch mehrere Stimmen vereinen in den Songs. Wie wir uns auf ‚Blood Moon: I‘ musikalisch ausdrücken konnten, das wäre im Rahmen von CONVERGE nicht möglich gewesen, wenn wir es zu viert versucht hätten. Früher wollte ich eigentlich immer Bassist sein, ich hatte nie vor, Sänger zu werden. So war es für mich jetzt cool, auch mal etwas anderes auszuprobieren und eine ganz neue Rolle zu spielen innerhalb eines Bandgefüges. Das war wirklich aufregend für mich. Chelsea bringt ihre unglaubliche Stimme mit und verleiht dem Ganzen eine sehr eigenständige Atmosphäre. Sie hat eine unglaubliche Aura! Natürlich bringt sie auch ihre Kenntnisse an der Gitarre in das Gesamtergebnis mit ein und das gibt unserer Musik eine ganz andere Tiefe.“