In Zeiten, da die Hardcore-Szene seit etlichen Jahren stagniert und nur darum bemüht zu sein scheint, den NYHC-Sound ständig zu kopieren, ist eine Band wie CONVERGE nur um so wichtiger. Mittlerweile 13 Jahre werkeln die zwei Gründungsmitglieder Jake Bannon und Hauptsongschreiber Kurt Ballou an ihrem Status, eine der wohl intelligentesten und vor allem anspruchsvollsten Punk/Hardcore-Band zu sein. Jede neue Platte setzt neue Maßstäbe in der alternativen Musiklandschaft, und die Zahl an Bands, die versuchen, den einzigartigen Sound und all das, was CONVERGE so unverwechselbar macht, zu kopieren, scheint auch in Zukunft nicht abzuebben. Wer CONVERGE schon mal livehaftig sehen durfte, weiß, dass diese Band voll und ganz zu ihrer Musik steht. Nach einigen Platten bei Equal Vision und einer Split-EP bei Relapse wird das neue Meisterwerk via Epitaph erscheinen. Da die Herren zudem neben ihrer Haupttätigkeit selber noch aktiv in der Punk/Hardcore-Szene sind und vor einiger Zeit auch die erste offizielle Live-DVD auf Deathwish, dem Label von Jake, erschien, konnte ich es mir nicht entgehen lassen, meinen sympathischen Gesprächspartner Jake Bannon auf der letzten CONVERGE-Europatour mit einigen Fragen zu löchern.
Was überwiegt bei CONVERGE, Punk oder Hardcore?
„Wir sind mittlerweile schon seit einer Dekade auf der Bühne und haben uns von den einfachen drei Akkorden immer mehr wegbewegt und sehr viel ausprobiert. Musikalisch gesehen würde ich uns nicht unbedingt in irgendeine Schublade stecken wollen, da wir uns von vielerlei Musik und Kunst inspirieren lassen. Wir sind z.B. allesamt große Fans von DEPECHE MODE, deren Musik hat uns genauso beeinflusst wie MINOR THREAT, oder sogar ein wenig old-schooliger Metal. Was unsere Einstellung angeht, sind wir aber definitiv Punkrock. Wir wollen raus auf die Bühne und unsere Musik vor einem Publikum präsentieren, das ist es, was CONVERGE ausmacht.“
Findest du, dass sich die so genannte Musikszene in den letzten zehn Jahren drastisch verändert hat?
„Heutzutage wird vieles zu ernst genommen und man versucht, alles zu kategorisieren und jede Band mit irgendeinem Subgenre abzustempeln und in diese oder jene Schublade zu stecken. Wir haben schon von Anfang an versucht, nicht eine spezielle Gruppe oder eine bestimmte Musikrichtung zu bedienen. Ich sehe, du trägst ein MELT BANANA-Shirt und führst ein Interview mit mir auf einem Metal-/Hardcore-Festival. Genauso sollte es doch sein! MELT BANANA sind eine Band, die man nicht so einfach kategorisieren kann, die aber jeden, der offen für Musik ist, ansprechen sollte, und das ist auch bei CONVERGE so. Wir haben in Japan mit dieser großartigen Band auf einem Festival zusammen gespielt, und die ganze Atmosphäre war toll. Schließlich sollte es doch nur um Musik gehen und nicht darum, wie tough du bist, ob du die richtigen Klamotten anhast oder so was.“
Wird D.I.Y. bei euch immer noch groß geschrieben?
„Wir sind alle mindestens 110 % motiviert, in Bezug auf das, was wir machen. Ein sehr guter Freund von mir bucht unsere Shows und Tourneen, Kurt hat sein eigenes Aufnahmestudio, nimmt unsere Platten auf und hilft befreundeten Bands bei deren Aufnahmen. Ich selber habe mein eigenes Label, veröffentliche Bands zu denen ich einen guten Draht habe und mache die ganzen Cover und Designgeschichten selber. Außerdem achten wir darauf, mit welchen Leuten wir zusammenarbeiten, wie die Einstellungen von den jeweiligen Plattenfirmen aussehen, die unsere Sachen veröffentlichen und vertreiben. Wir stecken alles in die Band und in das, was wir unterstützenswert finden, und sind auch in der relativ glücklichen Lage, mittlerweile auch einigermaßen davon leben zu können, was aber eher zweitrangig ist.“
Und inwieweit kann man das noch an Epitaph festmachen?
„CONVERGE und Epitaph sind schon eine ganze Weile in Kontakt, und in den letzten Jahren hat sich bei beiden Parteien sehr viel getan. Wir haben uns weiterentwickelt, was unsere Musik und Kunst angeht, und genauso Epitaph. Sie haben ja eher als ‚das Label von Brett von BAD RELIGION‘ angefangen und sind mittlerweile eine feste Institution geworden. Wenn du auf BAD RELIGION-Kram stehst, kommst du daran ebenso wenig vorbei, wie bei melodischem Poppunk, Streetpunk, Hardcore, atmosphärischem Rock, experimenteller Musik – selbst Tom Waits und ein paar Freunde von uns sind mittlerweile bei Epitaph bzw. deren Sublabel Anti. Als es schließlich darum ging, ein neues Label zu finden und wir das Angebot von Epitaph bekamen, mussten wir nicht lange überlegen. Du hast halt Leute, die dich total unterstützen, und sich über all die Jahre auch unverzichtbare Kontakte zu Vertrieben in aller Welt erarbeitet haben, was insbesondere für die meisten unserer Fans einen finanziellen Vorteil mit sich bringt, da unsere alten Album früher nur als teurer Import erhältlich waren.“
Nach eurer Split mit AGORAPHOBIC NOSEBLEED hätte ich eher erwartet, dass ihr bei Relapse landet.
„Es gab auch ein paar Gespräche über eine weitere Zusammenarbeit, aber Relapse sind uns persönlich zu sehr Metal. Nicht dass Relapse kein großartiges Label wäre, immerhin bringen sie NEUROSIS, TODAY IS THE DAY und jetzt ZEKE raus, aber der Schwerpunkt bei Relapse liegt meiner Meinung nach eher im Metal-Bereich. Das Epitaph-Programm ist wesentlich abwechslungsreicher, und für uns als Künstler ist es eine größere Herausforderung, auf einem so vielseitigen Label unsere Platten zu veröffentlichen. Du wirst mehr gefordert, was Neues und Aufregendes zu schaffen.“
Lass uns mal über dein Deathwish-Label sprechen, da hat sich ja in letzter Zeit einiges getan.
„Deathwish mache ich zusammen mit einem sehr guten Freund und zwei Angestellten. Ich verbringe damit knapp 60 Stunden die Woche, mache die Coverartworks und kümmere mich um das Design, halt den ganzen Kunstkram. Aber wenn du jetzt glaubst, dass ich dadurch stinkreich geworden bin, dann hast du dich leider getäuscht. Wir sind froh, wenn wir wenigstens unsere zwei Mitarbeiter am Ende des Monats mit einem Scheck nach Hause gehen lassen können, wir selber sehen da keinen Cent. Genauso verhält es sich mit CONVERGE. Die Leute sehen dich seit über zehn Jahren auf der Bühne und denken, dass du ziemlich viel Kohle in der Tasche haben musst. Die Wahrheit ist, die Band hat bis heute noch keinen finanziellen Gewinn abgeworfen, was uns auch ziemlich egal ist, da wir uns das Geld von unseren Jobs holen. Ich arbeite als Art-Director für ein Designstudio, um damit meinen Lebensunterhalt, meine Band und mein Label zu finanzieren. Wir glauben halt alle an unsere Kunst und stecken dementsprechend sehr viel Zeit und Geld da hinein, um weiter zu kommen. Bei Deathwish haben wir natürlich den Vorteil, dass ich durch CONVERGE ziemlich viele Connections zu Bands, Labeln und Vertrieben knüpfen konnte, das hat uns am Anfang vieles erleichtert. Jetzt müssen wir am Ball bleiben und sehen, wie es weitergeht.“
Hast du selber eine besondere künstlerische Ausbildung genossen?
„Ja, ich studierte knapp vier Jahre Graphik-Design und habe da trotz Tourstress meinen Abschluss hinter mich gebracht und kann recht gut davon leben.“
Was inspiriert dich am meisten?
„Ich lasse mich durch ziemlich viel inspirieren, du musst eigentlich nur mit offenen Augen deine Umwelt betrachten. Eine schöne Stadt kann ebensoviel Charme haben wie eine hässliche. Aber Musik ist ein entscheidender Einfluss auf meine Arbeit, immerhin bin ich ja selber Musiker und meine Kunden überwiegend befreundete Bands von mir. Es gibt auch sehr viele Künstler, die ich sehr verehre, aber das sind ehrlich gesagt zu viele, um sie jetzt alle aufzuzählen, wobei mich vor allem Francis Bacon schon als Kind immer fasziniert hat. Heutzutage gibt es wirklich viele und talentierte junge Künstler da draußen, und es macht Spaß, deren Werke zu betrachten und mit neuen Talenten zusammen zu arbeiten.“
Findest du es einfacher für CONVERGE das Artwork zu machen als für einen anderen Klienten?
„Es ist sehr viel schwerer, für deine eigene Band das Artwork zu machen. Ich schreibe ja auch die Texte, insofern bin ich mehr gefordert, meine Gefühle dementsprechend visuell umzusetzen. Dann hasse ich meinen Job, aber dadurch wirkt alles kompakter. und ich habe die Kontrolle über den visuellen Aspekt und muss nicht ständig beim Künstler anrufen und rumnörgeln, hehe. Seit ein paar Monaten bin ich schon mit dem Artwork unserer neuen Platte beschäftigt, die ja erst im Sommer erscheint, und die Vorbereitung dazu ist auch schon einige Jahre her. Man macht halt während den Aufnahmen verschiedene Phasen in seinem Leben durch und das wirkt sich auch auf die Texte und die Bilder aus.“
Angesichts deiner visuellen Ansprüche wirkt eure DVD dagegen fast etwas, naja, schrottig. Ich find die zwar klasse, aber ich hätte mir bei einer Band wie CONVERGE mehr extravagante Videoclips gewünscht.
„Wir wollten diese ganzen Bootlegs von unseren Shows einfach nicht mehr sehen. Diese ganze Idee mit der DVD entwickelte sich vor ein paar Jahren. Wir fragten ein paar Leute, die unsere Show aufgezeichnet haben, ob sie uns nicht ihre Aufnahmen geben könnten, nachdem wir erfahren haben, dass die für sehr viel Geld an unsere Fans verkauft wurden. Aber wir hätten dafür selber bezahlen müssen, und die meisten dieser Aufnahmen waren echt grottig. Also sammelten wir Videos und sortierten alles, um unseren Fans für gerade mal 15 Dollar einen Überblick über unsere Entwicklung und unsere Liveshows zu geben, und packten alles auf eine DVD. Die Aufnahmen sind größtenteils ziemlich roh, aber es ist halt Punkrock. Wir fangen auch gerade an, mit einigen Leuten an aufwendigeren Videos zu arbeiten, um die dann in der Zukunft eventuell ebenfalls zu veröffentlichen. Die sind dann natürlich wesentlich aufwendiger und weniger eine Dokumentation unserer Liveshows, viel mehr kleine Kunstfilme. Solche Videos gehorchen ja anderen Regeln. Du brauchst eine Story und kannst nicht einfach einen Livemitschnitt reinschneiden.“
Was kann man vom neuen Album erwarten?
„Wir haben gerade 14 Lieder fertig, vielleicht kommen noch ein paar hinzu. Das Album wird ‚You Fail Me‘ heißen und düsterer, unheimlicher und aggressiver als ‚Jane Doe‘ werden. Ziemlich heftiger Stoff. Es geht darum, von deiner Freundin oder von deinem Freund betrogen worden zu sein, all dieser Beziehungskram, den jeder von uns mal irgendwie durchmachen musste.“
Deine Texte sind recht düster und schildern ja überwiegend deine eher mal pessimistische Sichtweise, wie sieht es mit deinem Humor aus?
„Hm, ich bin eher der typische Künstlertyp, der zu viel nachdenkt und über das Leben philosophiert. Insofern bediene ich wohl das gewohnte Klischee des depressiven Künstlers, hehe. Ehrlich gesagt kann ich mir auch Witze nie richtig merken, insofern vermassele ich die ganzen Pointen schon am Anfang.“
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