Man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass eine Band ihr eigener Herr ist, dass es vollkommen in ihrer Macht liegt beziehungsweise liegen sollte, ihren Sound so gestalten, wie sie es eben will und nicht so, wie es Szene, Plattenfirma oder sonst wer von ihr erwarten.
Warum ich das anmerke? Nun, das neue THRICE-Album stellt eine Herausforderung dar. "Vheissu" wird, da bin ich mir sicher, Fans der Band auf eine Probe stellen und bei Kritikern Verwunderung hervorrufen.
Die energische, vielseitige und melodische Mischung aus Punkrock, Hardcore und Metalsoli, die die ersten beiden Alben der Band "Identity Crisis" und "The Illusion Of Safety" dominierte und zu einem Charakteristikum der Band wurde, erkennt man auf "Vheissu" nur noch ansatzweise.
Und auch,wenn das Majordebüt "The Artist In The Ambulance" schon andeutete, dass THRICE nach zwei furiosen Alben ihren Sound gen Pop und Rock öffnen, war doch nicht abzusehen, dass "Vheissu" ein solch großer Schritt in Richtung Rock werden würde, wie er geworden ist.
Dabei fängt THRICEs zweites Album für Universal so an, wie man es sich als eingesessener Sympathisant der Kalifornier wünscht. Der Opener "Image of the invisible" ist ein furios-energischer Midtempo-Song, der durch das für THRICE typische Wechselspiel aus Härte und Melodie, das vor allem im mitreißenden Refrain des Songs zum Ausdruck kommt, geprägt ist.
Die weiteren Songs des Albums aber geben dem Hörer in den ersten Momenten des Hörens einige Rätsel auf. Da ist mit dem zweiten Song "Between the end and where we lie" ein fast reiner Popsong mit kleiner Elektronik-Spielerei zu hören und mit "Atlantic" eine Ballade.
"For miles" erinnert durch einen Pianoeinsatz und traurigen Gesang gar an diverse Schmalzrocker. Im Gegensatz dazu flammt bei "The earth will shake", einem guten und energischen Viereinhalb-Minuten-Rocker, und "Hold fast hope" noch einmal der genannte, einst für THRICE typische Sound auf.
Das führt dazu, dass diese Tracks nicht nur gelungene Gegengewichte zu den anderen Songs darstellen, sondern auch, dass THRICE immer noch die Zähne zeigen und tolle, energische Songs schreiben.
Das Interessante an "Vheissu" ist nun, dass sich die Verwirrung, ja vielleicht sogar Enttäuschung, die die rockigen, neuartigen THRICE-Songs hervorrufen, bei mir mit zunehmendem Hören der Platte neutralisiert haben.
In meinen Augen kann man sich, sofern man sich auf "Vheissu" einlässt und sich innerlich vom klassischen THRICE-Sound abkoppelt, durchaus in das Album hineinfinden. Die Songs wirken mit der Zeit nicht mehr wie irreführende Experimente, sondern ergeben nach und nach ein in sich stimmiges Soundbild.
Und gerade dieses innerliche Abkoppeln von den THRICE, die man kannte und vielleicht sogar liebte, ist die Herausforderung, die THRICE mit ihren 13 neuen Songs an ihre Fans stellen. (49:25) (07/10)
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