Seit 1998 zählen THRICE zu den beständigsten Bands im Post-Hardcore. Am 17. September erscheint nun ihr elftes Album „Horizons/East“. Wir sprechen mit Sänger Dustin Kensrue und Gitarrist Teppei Teranishi über Vertrauen in sich selbst und die Mitmenschen, über die Rolle von Mathematik beim Songwriting und klären, weshalb es sich lohnt, seinen Horizont zu erweitern.
Seid ihr froh, dass eure neue Platte nun kurz vor dem Release steht?
Teppei: Oh ja, es war eine anstrengende Zeit und ich obendrein derjenige, der „Horizons/East“ produziert hat, ähnlich wie bei „The Alchemy Index“ damals 2007. Nun haben wir unser eigenes Studio gebaut, quasi das THRICE-Headquarter. Die Räumlichkeiten so herzurichten, dass sie sich für die Aufnahmen dieses Albums eigneten, war monatelange harte Arbeit. Jetzt bin ich aber entspannt, ich verbringe viel Zeit mit meinen drei Söhnen, die begeisterte Fußballer sind und mich ganz schön auf Trab halten, wenn ich sie zum Training und zu Spielen kutschieren darf.
Pflegst du auch ein eigenes Hobby?
Teppei: Ich habe kürzlich angefangen, selber eine E-Gitarre zu bauen. Das ist ganz schön komplex. Ich habe es mir auch besonders schwer gemacht, halte mich nicht an Baupläne gängiger Modelle, sondern gestalte das Instrument frei Schnauze in meinem eigenen Design.
Durch „Horizons/East“ zieht sich das Motiv des Horizonts. Was ist die Inspiration dahinter?
Dustin: Ich habe mich viel damit beschäftigt, wie wir die Welt sehen, und fühlte mich speziell durch das Buch „Finite and Infinite Games“ von James P. Carse angeregt. Seine Theorie basiert darauf, dass alles auf der Erde in zwei Systeme eingeordnet werden kann: das Abfragesystem, welches auf Daten und wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, und das Glaubenssystem. Sobald wir neue Informationen erhalten oder Erfahrungen machen, ordnen wir Ereignisse für uns ein und unsere Sichtweisen können sich verändern: Wir erweitern unseren Horizont. Ich persönlich glaube, dass das eine wertvolle Art ist, die Welt zu sehen und offen zu bleiben.
Davon handelt der erste Song „Color of the sky“ ...
Dustin: Genau, es geht um eine Person in einer Kleinstadt. Ihr wird gesagt: Das ist die Welt, die Wahrheit. Irgendwann fängt die Person an zu zweifeln und entdeckt neue Realitäten, betrachtet das Altbekannte aus neuen Perspektiven. „Scavengers“ befasst sich damit, jemanden zu unterstützen, der oder die in toxischen Glaubenssystemen gefangen ist, und „Summer set fire to the rain“ beschreibt eine Person, die so sehr in ihrer eigenen Realität gefangen ist, dass sie den Blick für die schönen Dinge des Lebens verliert.
„Horizons/East“ hat einen sehr diversen Sound, ist aber dennoch ein authentisches THRICE-Album. Wie würdet ihr es beschreiben?
Teppei: Das trifft es gut. Die Platte beinhaltet Songs von der einen und der anderen Seite des Spektrums, es gibt härtere und träumerische Momente, dennoch ergeben sie alle Sinn auf einem THRICE-Album. Ich hoffe, der Sound wirkt kraftvoll und natürlich zugleich. Ich mag nämlich nicht, wie überproduziertes modernes Rock-Recording klingt.
Wachst ihr auf natürliche Weise in neue Stilrichtungen rein?
Teppei: Ich glaube schon. Der Geschmack und die Meinung jedes Bandmitglieds haben einen hohen Stellenwert und bekommen stets ihren Raum. Ein Album ist somit eine Momentaufnahme davon, wo wir als Kollektiv zu dem Zeitpunkt stehen.
Und eure Fans sind offen diesen Veränderungen gegenüber. Das ist ja nicht so üblich in der Szene ...
Teppei: Absolut! Wir können uns glücklich schätzen, solch offene Fans zu haben, die uns vertrauen und Neuem eine Chance geben. Das erzeugt einen gewissen inneren Frieden , der uns erlaubt, ohne Reue zu experimentieren.
Dustin: Ich glaube, manchmal verwechseln Menschen ein Album mit dem Moment, in dem sie es das erste Mal gehört haben. Wir erleben Musik eben nicht in einem Vakuum, sondern mitten im Leben. Aber unter dem Einfluss äußerer Umstände reagierst du gegebenenfalls anders, bist weniger offen für Neues oder verletzlicher – und damit erkläre ich mir, dass manche Leute plötzlich enttäuscht sind vom neuen Sound ihrer Lieblingsband. Unsere Fans verstehen aber offenbar gut, dass auch wir uns auf einer Reise befinden und wachsen.
Seit 1998 macht ihr in der gleichen Konstellation Musik. Was hat sich verändert?
Teppei: Ich persönlich bin kaum noch aufgeregt vor Veröffentlichungen. Es gibt doch immer jemanden, der stänkert. Damit beschäftige ich mich aber gar nicht mehr.
Dustin: Ich habe gelernt, mir selbst sowie allen Bandmitgliedern zu vertrauen. Diesmal haben wir uns sogar zugetraut, uns eigene Challenges beim Songwriting zu setzen. Zum Beispiel haben wir ein Riff in „Northern lights“ auf Basis der Fibonacci-Folge geschrieben. Wir wissen inzwischen genau, wie wir miteinander umgehen müssen, um das Beste aus uns herauszuholen.
Ihr habt eine US-Tour für September geplant, was steht außerdem an?
Dustin: Ihr könnt schon mal gespannt sein, denn „Horizons/East“ ist nur der erste Streich. Wir planen die Veröffentlichung eines zweiten Langspielers, „Horizons/West“, schon für 2022.
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