THRICE

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Wie heißt du, wer bist du, wohin gehst du?

THRICE sind ein Phänomen, das man nur schwer beschreiben kann. Von Anfang an spielte diese Band einen eigenständigen und begeisternden Sound, der sich vom Klang der meisten anderen zeitgenössischen Punkrock- und Hardcore-Bands unterscheidet, weil die Kalifornier melodischen Punkrock und Hardcore-Elemente mit metallischen Soli paarten. Dieser Sound prägte die ersten beiden, auf Hopeless Records/Sub City erschienenen und dort kürzlich neu veröffentlichten THRICE-Alben „Identity Crisis“ und „The Illusion Of Safety“. Und auch das 2003er Majordebüt der Band „The Artist In The Ambulance“ auf Island/Universal repräsentierte im Wesentlichen noch diesen typischen THRICE-Sound. Das neue und vierte Album „Vheissu“ macht es dem Hörer aber schwierig, THRICE zu kategorisieren. Das Album lebt von ruhigen Klängen, ist sehr experimentell und hat, bis auf einige Songs, nur noch wenig mit dem einstigen Klang von THRICE zu tun. Die Band präsentiert auf „Vheissu“ viele verschiedene Einflüsse, sie vereint in ihren neuen Songs Rock, Pop, elektronische Parts und vieles mehr und präsentiert der Welt somit ein Album, das wohl niemand erwartet hat. Grund genug also, sich einmal mit THRICE-Bassist Eddie Breckenridge zu unterhalten.

Eddie, als ihr 2003 im Rahmen der Warped Tour in den USA aufgetreten seid, habt ihr einige Akustik-Shows gespielt, von denen ein Mitschnitt auf der DVD, die eurer Raritätensammlung „If We Could Only See Us Now“ beiliegt, zu sehen ist. Was für eine Erfahrung war das?

Musikalisch war das eine gute Erfahrung für uns, mental hatte ich damit aber Probleme. Riley, unser Drummer und mein Bruder, hatte sich eine Rückenverletzung zugezogen, die es ihm für einige Tage unmöglich machte, Schlagzeug zu spielen. Wir standen also vor der Wahl, die Shows abzusagen oder ohne ihn zu spielen. Letzten Endes war es der beste Kompromiss für uns und unsere Fans, die Akustik-Shows zu spielen, und ich denke, dass wir eine ganz gute Figur gemacht haben. Trotzdem war es für mich und die anderen komisch, ohne Riley zu spielen. Es war das erste Mal, dass er nicht bei einem THRICE-Konzert dabei war.

Mich hat es überrascht, wie gut ihr klingt, wenn ihr die Songs unplugged spielt.

Mich auch, aber ich denke, es liegt daran, dass fast alle THRICE-Songs entstehen, indem einer von uns zu Hause mit einer Akustikgitarre herumspielt und eine Songidee entwickelt. Diese Idee greifen wir im Proberaum auf und lassen aus ihr erst dann mit unseren elektrischen Instrumenten einen Song entstehen, wie man ihn auf einem THRICE-Album hört. Die Akustikversionen unserer Stücke geben dem Hörer daher einen Eindruck davon, wie das Kernstück eines THRICE-Songs klingt. Auf „If We Could Only See Us Now“ sind neben den Videoaufnahmen von unseren Akustik-Gigs ja auch weitere akustische Songs zu hören. Die Idee war, unseren Fans zu zeigen, woher THRICE-Songs kommen.

Lass uns über „Vheissu“ sprechen. Warum habt ihr auf dem Cover die deutsche Phrase „Wie heißt du?“ abgedruckt?

Der Titel des Albums hat heutzutage kaum eine Bedeutung. Unser Sänger Dustin hat das Wort „Vheissu“ in einem Buch gefunden, das er gerade liest. Früher existierte das Wort, aber es war nie ganz klar, was es eigentlich heißt. Wir haben auf dem Cover Phrasen in mehreren Sprachen vereint, so dass sie eine mögliche Bedeutung des Wortes „Vheissu“ waren. Und das ist der Grund, warum wir die Wortfolge „Wie heißt du“ in das Coverdesign einbezogen haben – sie ist eine mögliche Bedeutung des Wortes „Vheissu“. Davon abgesehen erschien uns der Albumtitel „Vheissu“ aus zwei Gründen als cool. Erstens klingt er einfach gut. Zweitens kleidet er unser Album in ein Mysterium. Das Hören dieses Wortes, da bin ich mir sicher, löst in der Wahrnehmung der Leute erstmal ein Fragezeichen aus, eine Unsicherheit darüber, was sie mit dem Album erwartet.

Herzlichen Glückwunsch, genau das habe ich gefühlt.


Sehr schön, „The Artist In The Ambulance“, der Titel des Vorgängeralbums, überraschte die Leute, weil er im Gegensatz zu den Titeln unserer ersten beiden Alben „Identity Crisis“ und „The Illusion Of Safety“ sehr simpel schien. Jetzt wollten wir die Leute ebenfalls überraschen, nur auf eine andere Art und Weise.

„The Artist In The Ambulance“ wurde ein sehr erfolgreiches Album, wie habt ihr euren Erfolg erlebt?

Das Wort „Erfolg“ ist in meinen Augen ein problematischer Begriff, denn er ist sehr subjektiv, weil jeder etwas anderes darunter versteht. Natürlich haben wir auch gemerkt, dass es für uns mit „The Artist In The Ambulance“ in kommerzieller Hinsicht gut lief. Dennoch war das Album ja kein Megaseller. Das wollten wir aber auch gar nicht erreichen. Unser Ziel war es, dass die Leute, die sich für alternative Musik interessieren, etwas mit dem Namen THRICE anfangen können. Ferner wollten wir die Band auf ein Level bringen, das uns erlaubt, zu tun und zu lassen, was wir wollen und von der Band zu leben. Das haben wir mit dem Album erreicht, daher waren wir erfolgreich in den Dimensionen, die wir als THRICE unter Erfolg verstehen.

Ihr habt das erreicht, was ihr wolltet, warum also weitermachen?

Nun, einerseits hätte eine Bandauflösung bedeutet, dass wir das Erreichte revidieren, was wohl niemand will. Andererseits haben wir auf „The Artist In The Ambulance“ einige künstlerische Dinge nicht gemacht, die wir gerne gemacht hätten, zu denen uns damals aber die Zeit fehlte.

Was denn?

Das ist schwer zu sagen. Grundsätzlich haben wir 2003, als wir „The Artist In The Ambulance“ geschrieben und aufgenommen haben, nur einfach nicht soviel experimentiert, da uns die Zeit fehlte. Dafür haben wir uns bei „Vheissu“ wesentlich mehr Zeit gelassen und das Album nach und nach entstehen zu lassen. Allein für das Schreiben von „Vheissu“ haben wir uns acht, neun Monate Zeit genommen, um daraus ein homogenes Kunstwerk zu machen und nicht bloß ein Album, das schnell aufgenommen und herausgebracht wird, wie es bei „The Artist In The Ambulance“ der Fall war. Es war eine Tour gebucht, vor der wir das Album fertig haben mussten. Diese beiden Prozesse haben wir in nur vier Monaten vollzogen. Aufgrund dieses begrenzten Zeitfensters haben wir uns darauf konzentriert, ein typisches THRICE-Album zu machen. Dieses Mal haben wir uns von jeglichem Druck frei gemacht, unsere künstlerische Freiheit, die wir genießen, genutzt und uns eine Menge Zeit genommen.

Also seid ihr mit dem Vorsatz, bewusst etwas anders machen zu müssen, an „Vheissu“ heran gegangen?

Diese Vorstellung hatten wir, ja. Dennoch entstand das Album nicht mechanisch. Es gab keine Blaupause, nach der wir beim Songschreiben vorgegangen sind, ein solches Schema für einen Song ist deiner künstlerischen Qualität auch eher abträglich, denke ich. Bei „Vheissu“ haben wir einfach alle Ideen einfließen lassen, haben jeden Vorschlag, die ein Bandmitglied für einen Song hatte, einmal ausprobiert und geschaut, wie die Idee zu einem konkreten Song passt. Somit war der Entstehungsprozess der Platte sehr organisch. Viele Songs von „Vheissu“ haben wir übrigens schon auf unserer Europatour zu „The Artist In The Ambulance“ geschrieben. Wir hatten das Computerprogramm Reason dabei, mit dem wir sehr viel herumspielten und erste musikalische Experimente machten. Als wir nach der Tour zurück nach Kalifornien kamen, hatten wir einen Haufen Ideen mitgebracht. Viele von ihnen griffen wir auf und versuchten, diese digitalen Elemente in Songs umzuwandeln, indem wir sie selber auf unseren Instrumenten spielten. Dieser Prozess der Übertragung der Dateien in THRICE-Songs war eine Herausforderung. Denn auf dem Computer hatten wir alle virtuellen Instrumente einfließen lassen, die wir wollten. Keyboards, Pianos, elektronische Parts und vieles andere. Uns als Band stehen aber nicht alle diese Instrumente zur Verfügung, so dass wir schauen mussten, wie wir die Stimmungen mancher Stücke auf dem Computer umwandeln – ob wir vielleicht ein Element direkt vom Computer auf die Platte nehmen oder ob wir einen Part ganz verwerfen. Letzten Endes haben wir aber nur ein Element direkt aus dem Computer auf die Platte genommen. Es ist das Schlagzeug-Intro von „Stand and fell your worth“. Der ganze Umwandlungsprozess von den virtuellen Songs auf dem Computer in sozusagen echte THRICE-Songs, bewirkte also schon, dass wir viele Ideen entwickelten und viele Dinge ausprobierten.

Eine der ersten Gedanken, den ich beim Hören von „Vheissu“ hatte, war, dass das Album eure Fans dazu herausfordern wird, sich von eurem klassischen Sound aus melodischem Punkrock und Hardcore zu lösen.
Wie siehst du das?

Ich stimme dir vollkommen zu. Diejenigen, die THRICE als Ganzes verstehen und sehen, dass wir uns als Menschen und Band entwickeln, werden sich, hoffe ich, schnell auf das Album einlassen können. Andere wiederum, die THRICE primär wegen unseres ersten Albums „Identity Crisis“ mögen, werden über „Vheissu“ vielleicht verärgert sein. Und auch das kann ich verstehen. Denn als wir „Identity Crisis“ schrieben, waren wir ganz andere Menschen als heute, hatten andere Inspirationen und andere künstlerische Vorstellungen. Das, wie jedes andere THRICE-Album, ist also eine Momentaufnahme unserer Band. Heute ist ein anderer Moment, mit anderen Bedingungen. Wenn jemandem aber unser erstes Album sehr viel bedeutet, ist logisch, dass er von „Vheissu“ vielleicht irritiert ist.

Warum habt ihr bei „Vheissu“ eigentlich nicht wieder mit Brian McTernan zusammen gearbeitet, der eure letzten beiden Alben produziert hat?

Dass wir Steve Osborne als Produzenten wählten, hatte mehrere Gründe. Brian ist ein toller Produzent, keine Frage. Aber Brian hat dadurch, dass er unsere letzten beiden Alben und die Alben von beispielsweise STRIKE ANYWHERE mit erarbeitet hat, eine Vorstellung davon entwickelt, wie wir klingen würden. Mit „Vheissu“ wollten wir uns aber von allen vorgefertigten Bildern, die jemand von unserer Band hat, lösen. Außerdem waren wir neugierig, wie die Arbeit mit einem Produzenten sein würde, der gar nichts mit der Punk- und Hardcore-Szene zu tun hat. Deswegen haben wir mit Steve Osborne jemanden gewählt, der in der Vergangenheit mit den DOVES, U2 und Peter Gabriel, aber mit keiner härteren Band gearbeitet hat. Außer einigen Demos kannte er keine THRICE-Songs, ging also unvoreingenommen an die Arbeit heran und half uns dabei, unsere Songs aus einem ganz neuen Blickwinkel zu betrachten. Dieses Experiment war aber für uns und ihn sehr erfrischend und inspirierend, denke ich.