THRICE

Foto

Ein kleiner Funke kann große Feuer entfachen

Mit konkreten Ideen und einer gehörigen Portion Wut melden sich THRICE nach ihrer kurzen Auszeit zurück. „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ ist für die Band um Sänger Dustin Kensrue schon fast so etwas wie ein Comeback-Album. Es ist die Rückkehr zum druckvollen Rock, der eigentlich alle Stärken der Band vereint: unglaublich gute Songs mit spannenden und fesselnden Texten. Doch dieses Mal ist da noch mehr. Schlagzeuger Riley Breckenridge spricht im Interview über eine Band, die sich noch einmal wiedergefunden hat, und über Songs, die wohl genau das tun, was im Moment vonnöten ist: Sie nennen die Dinge beim Namen.

Starten wir doch direkt mit der Frage, warum ihr eure Pause nach nur drei Jahren mit „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ schon wieder beendet habt.

Um die Frage zu beantworten, muss ich erst mal zum Grund der Auszeit von THRICE zurück: Damals war es vor allem Dustin, der sich dafür aussprach, die Band auf Eis zu legen, um sich seinen Soloaktivitäten hinzugeben. Er wollte sich vor allem spirituellen Dingen widmen und schrieb ja unter anderem auch ein Album, das nur aus Weihnachtssongs bestand. Wir anderen haben es auch so gesehen, dass wir mit dem künstlerischen Projekt, zu dem sich THRICE für uns alle entwickelt hat, etwas festgefahren waren. Dustin war es dann, der uns alle kontaktierte und sich gewünscht hat, dass wir wieder weitermachen. Außer Eddie, meinem Bruder, der als Aushilfsmusiker unter anderem bei KNAPSACK und ANGELS AND AIRWAVES mitmachte, haben Teppei und ich die Musik eher ruhen lassen, und so kam der Anruf damals mehr als gelegen.

Wie kann ich mir den Entstehungsprozess einer THRICE-Platte vorstellen, von der ihr sagt, dass sie geschrieben werden musste?

Da wir zum allerersten Mal nicht alle in der gleichen Stadt wohnten, Teppei zum Beispiel lebt mittlerweile in der Nähe von Seattle, haben wir unsere Songideen per Dropbox verschickt. Jeder hat dazu in seinem Heimstudio Teile für mögliche Songs eingespielt und wir anderen haben dann etwas dazu gebaut oder nach langen Diskussionen ausgetauscht. Wir sind alle gleichwertig an der Entstehung der Songs beteiligt.

Ist es schwierig für eine Band wie euch, die mit „The Alchemy Index“ sogar zum Teil rein elektronische Musik veröffentlicht hat, auf einen musikalischen Nenner zu kommen?

Wir haben uns als Band gemeinsam entwickelt, seitdem wir vor fast schon 15 Jahren unsere erste Platte „Identity Crisis“ geschrieben haben. Wir kennen unsere Stärken, zu denen es auch gehört, unseren Horizont immer weiter zu öffnen, und wissen, wie wir alle Interessen in einem Studioalbum vereinen können. Natürlich kommt es manchmal vor, dass einer mit einer konkreten Idee ankommt. Die ist aber meist nicht weit von dem entfernt, was wir anderen so denken.

„To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ klingt stellenweise wieder nach den „alten“ THRICE. Dass ihr euch ausgerechnet mit einem soliden Rockalbum zurückmeldet, das ehrlich gesagt erst nach mehrmaligem Hören so richtig zündet, war also im Interesse der gesamten Band?

Das halte ich sogar für eine Stärke des Albums. Wir haben es meiner Meinung nach geschafft, Songs zu schreiben, die es dem Hörer abverlangen, dass man sich mehr als einmal und nicht nur so nebenbei mit ihnen beschäftigt. Dustins Texte sind so direkt und kritisch, wie lange nicht mehr, und unser Sound soll der ganzen Stimmung dienen. Aus diesem Grund klingen manche Songs der neuen Platte auch stellenweise wieder sehr heavy.

Manche Stellen, zum Beispiel bei „Whistleblower“, erinnern etwas an euren Sound der „The Artist In The Ambulance“-Phase. Kannst du dir das erklären?

Brian McTernan hatte sehr großen Einfluss auf uns, wenn nicht sogar den größten überhaupt. Er hat uns damals gezeigt, zu was wir fähig sind, und uns dazu ermutigt, unsere Musik nicht durch äußere Erwartungen oder Vorgaben zu begrenzen. Ich könnte dir jetzt unzählige andere musikalische Einflüsse nennen, die uns während der Produktion von „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ inspiriert haben. Neben CAVE IN waren es noch unzählige Bands, die wir regelmäßig hören und die uns so beeinflussen. McTernan hat uns damals jedoch geraten, nie jemandem nur einfach nachzueifern, sondern immer zu versuchen, etwas Einmaliges zu schaffen. Das war ein sehr großer Ansporn für uns alle. Die neuen Songs der Platte haben sich musikalisch einfach so entwickelt. Es war aber nicht beabsichtigt, so zu klingen, wie wir schon mal klangen.

Wenn wir über die Inhalte der neuen Platte sprechen, scheint eine direktere, pragmatischere und weniger atmosphärische Hintergrundmusik sehr passend. Wie siehst du das?

Ein Grund für das schnelle Ende unserer Auszeit war unter anderem, dass Dustin gesehen hat, dass er die Dinge, die ihn zu der Zeit beschäftigt haben, nur im THRICE-Kontext ansprechen konnte. „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ ist an manchen Stellen ein klares Statement zur aktuellen politischen und ökologischen Lage der Welt. Wenn du dir allein die Songtitel wie „Death from above“, „Whistleblower“ oder „Hurricane“ anschaust, wird sehr schnell deutlich, um was es dabei geht: Dronenangriffe und das Verhalten der Regierung gegenüber der Bevölkerung etwa. Der Song „Black honey“ funktioniert für mich auch auf mehreren Ebenen. Zum einen auf einer sehr persönlichen, wo eine Person ihrem Egoismus freien Lauf lässt. Und zum anderen auf einer politischen, mit der die amerikanische Außenpolitik beschrieben wird. Die US-Politiker haben so viele falsche Entscheidungen getroffen und eine Welt geschaffen, die eher von Misstrauen und Wut geprägt ist als von Offenheit und Harmonie.

Was sollten den Leuten nach dem Hören der Platte klar geworden sein?

Dass Veränderung immer im Kleinen anfängt. Es sind Zeitungsartikel, Internet-Posts, Videos und Musik, welche die Menschen zum Nachdenken bewegen. Wir haben es glücklicherweise geschafft, dass die Leute uns zuhören oder sich zumindest mit unserer Musik beschäftigen. Da Dustin sich, wie schon gesagt, so direkt wie selten zu bestimmten Dingen äußert, bewegt hoffentlich ein paar andere Menschen dazu, auch darüber nachzudenken. Wollen wir wirklich etwas verändern, müssen wir jetzt damit anfangen. Irgendwann wird es zu spät sein, wenn wir nur apathisch zuschauen, wie unsere Welt zugrunde gerichtet wird.

Würde es für euch nicht auch Sinn machen, euch politisch zu engagieren und eure Ideen einzubringen? Schließlich lässt sich ein demokratisches System ja immer noch mitgestalten.

Ich selbst bin sicher keine Politikerpersönlichkeit. Vielmehr sehe ich meine Verantwortung darin, Veränderungen im Kleinen anzustoßen. Sei es durch meine Ernährung oder auch durch mein sonstiges Verhalten. Dazu kommt, dass das politische System in Amerika es ja gar nicht wirklich zulässt, dass revolutionäre Ideen umgesetzt werden. Allein die Tatsache, dass ein Land mit fast 250 Millionen Einwohnern nur zwei große Parteien vorweisen kann, spricht für sich. Viele Leute scheinen ja fast schon froh darüber zu sein, dass ihnen ihre Lebensziele von Menschen diktiert werden, die nicht mal annähernd aus den gleichen sozialen Verhältnissen kommen.

Jedes Land bekommt also die Politiker, die es verdient?

Sicher! Diese ganze Patriotismus-Idee funktioniert ja nur, weil die Leute sich hier gerne für besser halten als andere. Das Schlimmste wäre ein Sieg von Donald Trump bei den kommenden Präsidentschaftswahlen. Aber auch eine Hillary Clinton ist nicht wirklich die Politikerin, die wir bräuchten in Zeiten des Klimawandels und wachsender Armut. Selbst der vermeintlich linke Bernie Sanders muss sich mit seinen Idealen an die Masse anpassen. Und leider ist die hier in Amerika zur Zeit eher lethargisch als zukunftsorientiert.

Wie sieht eure Zukunft als Band aus? Können wir davon ausgehen, dass THRICE jetzt erst mal weitermachen?

Davon gehe ich aus. Wir haben natürlich eine Reihe von Konzerten anlässlich der Veröffentlichung von „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ geplant. Im August und September werden wir auch nach Europa kommen. Es ist jedoch gar nicht mehr so einfach, Zeiten zu finden, in denen wir alle keine anderen Verpflichtungen haben. Schließlich haben wir alle unsere Familien und unsere Kinder. THRICE ist aber für uns alle eine Möglichkeit, etwas aus unserem Leben zu machen. Das werden wir jetzt erst mal nicht aus der Hand geben.