Um ehrlich zu sein, "One Cure Fits All" ist weit davon entfernt, mein liebstes THERAPY? Album zu sein, es verhält sich sogar eher umgekehrt. Aber wo andere Bands stromlinienförmig ihre Routine durchziehen, beweisen die Nordiren Charakter, will meinen, die Jungs machen einfach, was sie für richtig halten. Dass bei inzwischen elf Alben nicht nur Höhepunkte dabei herausgekommen sind, macht die seid 1990 bestehende Formation nur noch sympathischer. Selbst wenn sich die großen Hits auf anderen Alben befinden, nüchtern betrachtet steckt "One Cure Fits All" den Großteil der Konkurrenz locker in die Tasche. Abgesehen davon ist es erst das zweite Werk, das in der aktuellen Besetzung eingespielt wurde. Wir erinnern uns: Neil Cooper spielt erst seid "High Anxiety" bei THERAPY? Schlagzeug, welches wiederum das letzte Album für Zweitgitarrist Martin McCarrick war. Es gab also genug, das im Telefongespräch mit Bassist Michael McKeegan zu klären war - übrigens ein sehr freundlicher Mensch, der ziemlich viel lacht ...
Michael, sechzehn Jahre in einer berühmten Rockband ...
Das ist schon eine sehr lange Zeit und ich bin selbst überrascht, dass es inzwischen unser elftes Album ist, aber wir sind wirklich bester Stimmung und in guter Form. Es ist immer wieder aufregend, ein neues Album rauszubringen, außerdem ist es faszinierend, dass sich die Leute immer noch für uns interessieren und wir all die Interviews geben können.
Gibt es nach all dieser Zeit Unterschiede zwischen den Vorstellungen, die man einmal hatte, und der Wahrheit?
Eigentlich nicht. Aber es ist schon so: Umso länger man in einer Band spielt, desto schneller vergisst man die Gründe, warum man damit mal angefangen hat. Was mich in Gesprächen mit anderen Bands immer verwundert hat, ist die Tatsache, dass auf die Frage, welche Musik sie mögen, häufig als Antwort kam, dass sie außer der eigenen Musik sonst nichts hören. Und das finde ich schon sehr seltsam. Als wir angefangen haben zu spielen, hatten wir keine Ahnung davon, was wir machen, aber wir waren wirklich musikbegeistert. Auch wenn das jetzt blöd klingt, wir haben überall gespielt, wo wir konnten, und hatten viel Spaß daran, andere Bands zu sehen und neue Platten zu entdecken. Natürlich gab es auch Abnutzungserscheinungen und Zeiten, wo man uns eine gewisse Müdigkeit angehört hat, aber momentan sind wir wieder voll dabei und als Musikfans mit Hingabe am Werk. Und das ist schon cool.
Ich finde das neue Album, besonders das Schlagzeugspiel, hört sich nach euren ersten beiden EPs an.
THERAPY? haben 1990 als Support für Neils erste Band THE BEYOND gespielt, und Fyfe, der erste THERAPY?-Drummer, war damals ein großer Fan von Neils Art zu spielen. Es ist schon komisch dass Neil, der damals so ein großer Einfluss für Fyfe war, jetzt unser Schlagzeuger ist.
Warum habt ihr das neue Album zusammen mit Pedro Ferriera und nicht wieder mit Pete Bartlett aufgenommen?
Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht, mit wem wir das Album aufnehmen wollten, und eigentlich war es sogar Pete, der uns den Rat gegeben hat, jemand anderen auszuprobieren. Wir haben die letzten zwei Alben mit ihm aufgenommen und die Routine, die dabei entstanden ist, wäre nicht wirklich gut gewesen, um eine weitere Platte zusammen zu machen. Also haben wir uns nach langer Zeit mal wieder mit verschiedenen Produzenten getroffen und über Musik gesprochen und die Gründe, ein Album mit uns aufzunehmen. Einige waren echt lustig und haben uns dann gesagt, dass sie das Album mit uns machen wollen, weil sie Geld dafür bekommen. Pedro hingegen kannte unsere alten Sachen und hatte einige Ideen, er wollte wirklich mit uns zusammenarbeiten. Außerdem ist er ein netter und talentierter Kerl, der mit viel Enthusiasmus bei der Sache war.
Worin liegt deiner Meinung nach die Relevanz, die ihr 2006 habt?
Ich denke, es gibt ein paar Menschen, die eine Band wie THERAPY? brauchen. Wenn ich mir heutzutage Bands anhöre, denke ich mir häufig, okay, ganz gut, das war es dann aber auch schon, nichts, was das Leben von irgendjemandem verändern könnte. Und es gibt auch nicht so viele Bands, die das Ganze mit derselben Hingabe machen, die wir an den Tag legen. Wir spielen, was wir wollen, und kümmern uns nicht darum, ob wir Titelstorys in Magazinen kriegen oder eine Million Platten verkaufen. Natürlich mögen wir Titelstorys und Plattenverkäufe, aber wir nehmen keine Alben auf, um es den Leuten leicht zu machen. Wenn sich die Hörer allerdings etwas mit der Sache auseinandersetzen, werden sie mehr davon haben, als bei Bands, die ihre Musik schnellschussartig zusammenbasteln. Heutzutage sind Musik und Kultur leider sehr häufig austauschbar geworden, und es gibt auch nicht mehr so viele Gruppen, für die ich mich wirklich begeistern kann. Von zwanzig Bands ist meistens nur eine den Hype wert. Als wir anfingen, gab es Grunge, dann kam das Punk-Revival, gefolgt von Britpop und New Metal, und jetzt gibt es diese ganze neue Rock'n'Roll-Welle, das sind sicherlich alles Stile, mit denen man uns in Verbindung bringen kann, aber wir haben nie zu einer dieser Szenen gehört. Für uns hatte es schon immer mehr Sinn und Spaß, sich das Ganze von außen anzuschauen.
Wo wir gerade von anderen Bands sprechen, wen würdest du als Einflüsse aufzählen?
Es ist nicht so, dass wir als Band irgendetwas hören, was sich dann als konkreter Einfluss in unserer Musik niederschlägt. Meistens sind es eher Stimmungen, die wir versuchen wiederzugeben, beispielsweise wenn wir irgendeinen Film gesehen haben, der uns gefällt. Aber musikalisch ... Neil Diamond, APHEX TWIN, KING CRIMSON, SOUNDGARDEN oder wegen mir auch alter Death Metal.
Was hältst du vom neuen VENOM-Album?
Ich hab es erst ein paar Mal gehört, aber es ist ziemlich gut. Vielleicht ein wenig zu lang, weil nur acht oder neun Songs richtig cool sind. VENOM ist halt eine der Bands, mit denen ich aufgewachsen bin, und ich denke, sie haben gute Arbeit geleistet, weil sie wie eine zeitgemäße Version von sich selber klingen. Aber der Albumtitel "Metal Black" ist einer der schlechtesten, den ich jemals gehört habe, wirklich schrecklich.
Habt ihr als Band eigentlich so etwas wie ein Rezept für die vielen brillanten Popmelodien, die sich auf all euren Alben befinden?
Ich glaube nicht, dass wir ein Rezept dafür haben, wir könnten zwar versuchen, uns hinzusetzen und solche Stücke zu schreiben, aber was dabei rauskommen würde wäre wahrscheinlich nicht so gut wie "Screamager" oder "Lonley cryin' only". Solche Stücke passieren eher, es ist nicht so, dass man mit Erfolg daran arbeiten könnte.
Ihr seid also sehr inspirierte Musiker ...
Es war noch nie so, dass wir uns vorgenommen haben, an einem Tag vier Stücke hinzukriegen, um ein Album voll zukriegen. Das würde mir auch nicht gefallen.
Im Booklet von "Infernal Love" standen damals ein paar positive und hoffnungsvolle Sätze zur Situation in Nordirland. Wie ist es, mehr als zehn Jahre später immer noch Stücke wie "Rain hits concrete" oder "Private nobody" zu veröffentlichen?
Bestimmte Dinge müssen halt immer noch gesagt werden. All die verschiedenen Konflikte auf dieser Welt, all die Euphemismen, die Politiker gerne benutzen, um Entscheidungen zu rechtfertigen. Dasselbe, was ich eben über die Austauschbarkeit von Musik und Kultur gesagt habe, trifft auch auf Politiker zu, noch schlimmer ist aber, dass auch Menschenleben austauschbar sind. Auch wenn die Medien versuchen, die Sache wie ein Computerspiel darzustellen, und viele es nicht wahr haben wollen, ist es eine Tatsache, dass Menschen sterben.
Ich danke dir für das Interview.
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