THERAPY?

Disquiet

Wie fühlt sich der „Troublegum“-Erzähler wohl zwanzig Jahre später? So lautet in etwa der theoretische Überbau des neuen THERAPY?-Albums. Klingt nicht übermäßig originell, gelingt den drei Iren aber überraschenderweise gut.

Gerade nach den zwei durchwachsenen letzten Anläufen, „Crooked Timber“ und „A Brief Crack Of Light“, die bis auf wenige Ausnahmen zu sehr im Midtempo und Rumgeriffe verhaftet waren, besinnen sich THERAPY? wieder voll auf ihre Stärken.

Und so wildert sich das Trio durch seine eigene Vergangenheit und vor allem durch die Alben nach den Chartserfolgen mit Major-Plattendeal. Gerade diese Jahre hängen THERAPY? bis heute nach und lassen Szene-Menschen häufig bei Erwähnung der Band pikiert die Nase rümpfen.

Zu Unrecht. Der Opener „Still hurts“ besorgt soundmäßig den Anschluss an „Troublegum“ und ist einer der schwächeren Songs des Albums. Das eingängige „Tides“ macht es besser, klingt nach R.E.M.

und erinnert damit etwas an „Long distance“ auf „Never Apologize, Never Explain“. „Good news is no news“ wiederum hat eines dieser absurden nicht-Gitarrensoli, wie man sie zuletzt auf „Semi-detached“ hörte und liebte.

„Words fail me“ hätte das mediokre „Shameless“-Album deutlich aufgewertet. „Torment, sorrow, misery, strife“ ist melodieselig, wie BAD RELIGION oder eben THERAPY? selbst zu ihren besten Zeiten.

Zwischendrin haut man mit „Insecurity“ sogar noch ein FU MANCHU-Riff raus. (vergleiche hierzu auch „Sister“ auf dem geil-verbiesterten „Suicide Pact – You First“). Die eigenen verdrogten Charts-Jahre Mitte der Neunziger bekommen mit „Vulgar display of powder“ die nachträgliche Abmahnung: „Bombastic and pompous, coked up to the eyes“.

Zum Abschluss gibt es mit „Deathstimate“ einen der besten THERAPY?-Songs der letzten zwanzig Jahre. Die Vorschusslorbeeren (von Seiten der Band ausgesprochen), die eine Mischung aus BLACK SABBATH und PORTISHEAD versprachen, behalten recht.

Ganze sieben Minuten lang walzt sich das elendig lange Riff herrlich ungelenk durch den Song, während Andy Cairns melancholisch von der kürzer werdenden (Lebens-)Strecke vor sich singt. Ohnehin: Wut, Frustration, Verbitterung sind bei THERAPY? immer noch Leitmotive.

Zwanzig Jahre später ist aus dem „Troublegum“-Protagonisten kein Mensch geworden, der in seiner Lebensmitte „angekommen“ ist. Und das ist ja auch mal beruhigend zu erfahren ... Herausgekommen ist dabei ein Album, das Rockmusik nicht unbedingt neu erfindet, aber zeigt, dass man auch nach 25 Jahren im Musikbusiness relevant sein kann.

Für eine volle Punktzahl hätte die Iren übrigens nicht auf die zwei hervorragenden räudig-punkigen B-Seiten „Armed with anger“ und „Demons! Demons!“ verzichten dürfen. Ein Skandal eigentlich, diesen Songs so wenig Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.