THERAPY?

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Blind date

Im November waren THERAPY? zu Gast im Düsseldorfer Haus der Jugend. Vor der Show haben sich Bassist Michael McKeegan sowie Sänger und Gitarrist Andy Cairns ein wenig Zeit für die folgenden zehn Songs genommen.

THE BREEDERS „Invisible man“

Andy:
Sind das die BREEDERS? Nette Menschen, wir haben sie häufiger auf Festivals getroffen. In letzter Zeit gibt es wieder vermehrt Bands, die sich ähnlich anhören. Die Gitarren klingen sehr nach Shoegaze, das scheint im großen Stil wiederzukommen. Das ganze Album klingt großartig, man kann es noch immer gut hören. Viel Musik aus den Neunzigern ist nicht so gut gealtert. „Nevermind“ von NIRVANA zum Beispiel. Ein sehr gutes Album, aber vom Gitarrensound her typisch Neunziger. Auch „Troublegum“ von uns klingt heute eher altmodisch.

Michael: Ich hatte immer eine Schwäche für die BREEDERS. Auf den Festivals, die wir gemeinsam gespielt haben, war die Band sehr entspannt und hat nicht versucht, ihre Show dem größeren Rahmen anzupassen. Das hat mir imponiert.

HAWKS AND DOVES „Hush money“

Michael:
Ich habe keine Idee, wer das ist.

Die Band ist ein Nachfolger von PLANES MISTAKEN FOR STARS.

Andy: Klingt sehr niedergeschlagen und pessimistisch. Diese düstere Stimmung gefällt mir sehr gut, wirklich fantastisch. Das werde ich mir besorgen müssen.

Welches THERAPY?-Album würde die Kategorie „niedergeschlagen und pessimistisch“ am ehesten erfüllen

Andy:
Wahrscheinlich „Infernal Love“, das Album ist sehr melancholisch und enthält nicht viel Optimismus. „Suicide Pact – You First“ geht zwar in eine ähnliche Richtung, ist aber zeitgleich aggressiv und knallt.

Michael: Die Produktion von „Infernal Love“ war eine schwierige Zeit. Wir hatten viele große Ideen für das Album, allerdings war die Umsetzung sehr stressig. Die Vorgänger gingen uns leichter von der Hand. Der Druck auf die Band war groß und wir waren nicht konzentriert genug. Es hat 15 Jahre gedauert, bis wir gemerkt haben, dass die Platte funktioniert. Die meisten mögen sie heute mehr als zum Zeitpunkt des Erscheinens.

KYLESA „Shaping the southern sky“

Michael:
Sag es nicht! Ich kenne das auf jeden Fall. Es hört sich nach YOB an, das ist es aber nicht ... Klar, KYLESA, ich liebe die Band. Das neue Album hat auch ein gewisses Shoegaze-Element, gepaart mit den erdigen Riffs und dem zweistimmigen Gesang passt das sehr gut. Das Psychedelische und die Keyboards hätten vor 15 Jahren noch eher kitschig geklungen. Da ist in letzter Zeit viel passiert, eine Menge Bands haben dem Metal einen neuen Dreh gegeben.

Andy: Sehr hypnotisch. Keine Ahnung, ob das aus dem Kopf oder aus dem Bauch kommt. Was das Songwriting angeht, ist vermutlich die Balance aus beidem das Richtige.

PENTAGRAM „Walk alone“

Michael:
Das neue PENTAGRAM-Album ist verdammt gut. Die Dokumentation über den Sänger Bobby Liebling hat mir sehr gefallen. Beeindruckend, wie er sich wieder aufgerafft hat.

Andy: Es ist eben wahr, dass gute Musik nichts mit dem Alter, dem persönlichen Background oder solchen Dingen zu tun hat. Man beurteilt, was aus den Boxen kommt, wenn es einem gefällt, sollte das reichen. Anderseits gibt es Menschen, die nicht so denken. Ich erinnere mich daran, dass ich Fyfe, unserem ersten Schlagzeuger, HÜSKER DÜ vorgespielt habe und ihm die Musik gefiel. Irgendwann hat er dann ein Foto der Band gesehen und war enttäuscht, weil die Mitglieder in seinen Augen nicht nach Hardcore aussahen.

Michael: Viele Leute haben eine konkrete Vorstellung davon, wie Musiker, die einen bestimmten Sound spielen, aussehen sollten. Dieses Image wollen sie dann haben. Bobby Liebling und HÜSKER DÜ, aber genauso die frühen MOTÖRHEAD, THE FALL oder CAPTAIN BEEFHEART haben etwas Einzigartiges, das keinen Erwartungen entspricht. Für mich ist das wichtiger als ein Image.

Andy: THERAPY? haben auf einem Albumcover versucht, sich über die angesprochenen Erwartungen lustig zu machen. Wir haben uns falsche Schnurrbärte angeklebt und Rüschenhemden angezogen. Ironischerweise haben es die Leute ernstgenommen.

CHRISTIAN FITNESS

„All ghosts to medicine counter four“

Michael:
Hört sich an wie der Typ von McLUSKY und FUTURE OF THE LEFT. Das ist vom neuen CHRISTIAN FITNESS Album. Etwas mehr Krach und Garage als FUTURE OF THE LEFT. Die waren eher Songwriting-orientiert. McLUSKY fand ich sowieso toll.

NEUROTIC OUTSIDERS „Feelings are good“

Andy:
Keine Ahnung, wer das ist ... NEUROTIC OUTSIDERS? Okay, der Name sagt mir natürlich was, die Band von Steve Jones und Duff McKagan. Habe ich noch nie gehört. Ehrlich gesagt, gefällt mir das. Duff hat ja auch beim MISFITS-Cover von GUNS N’ ROSES gesungen.

Michael: Macht schon irgendwie Sinn. Er ist offensichtlich ein interessanter und smarter Typ. Ich habe innerhalb kurzer Zeit seine Autobiografie gelesen. McKagan scheint sich schon bewusst zu sein, wie viel Scheiße er selbst gebaut hat. Zugegeben, ich habe nie gedacht, dass sich die NEUROTIC OUTSIDERS so anhören. Ich hätte etwas anderes erwartet, eher in Richtung THE CULT, oder mehr Ähnlichkeit mit GUNS N’ ROSES und den SEX PISTOLS.

Andy: Mir ist es nie in den Sinn gekommen, so eine Band zu gründen. Wir jammen zwar gerne mit befreundeten Musikern, aber eine Supergroup zu gründen und die Weltherrschaft an uns zu reißen, wäre dann doch nichts.

GIRL BAND „In plastic“

Andy:
Vielleicht THE NOTWIST? Wenn du sagst, die kommen aus Dublin, fallen mir ROLLERSKATE SKINNY ein, die sind es aber auch nicht. Sind das GIRL BAND? Das hört sich nach No Wave an, ich hätte eher Indiepop erwartet. Klingt großartig, als wäre es live aufgenommen. Mir gefallen die Gitarren, schön abgefuckt. Erinnert an frühe PUBLIC IMAGE LTD.

Michael: Die Band erhält in Irland viel Aufmerksamkeit von der Presse. Was verwirrt, ist die Tatsache, dass es eine Band aus Belfast gibt, die GIRLS NAMES heißt.

MC Lars „Hey there Ophelia“

Andy:
MC Lars. Kenne ich und gefällt mir auch. Ich muss jedoch klarstellen, dass wir nie ein Problem damit gehabt hätten, wenn er „Screamager“ direkt gesamplet hätte. Wir wurden gefragt, fanden die Idee cool und hatten nichts dagegen. Die Rechte an dem Song liegen aber bei Universal. Nach der Veröffentlichung hat MC Lars in einem Interview behauptet, wir hätten Geld für das Sample verlangt. Dem ist nicht so. Das ist ärgerlich. Trotzdem, ich mag das Stück, eine großartige Version eines unserer Lieder. Mein Sohn ist 16 und hört keine Rockmusik, sondern HipHop. Ich sollte ihm den Song vorspielen. Mal sehen, wie cool er seinen alten Herrn dann findet.

COLISEUM „Fuzzbang“

Andy:
LIGHTNING BOLT? Hört sich an wie eine moderne Version von RITES OF SPRING. Gefällt mir gut. Kommen die aus Washington D.C.?

Nein, aus Kentucky. COLISEUM.

Andy:
Neil, unser Schlagzeuger, ist ein großer Fan. Ich kannte bis jetzt nur „Black Magic Punks“.

Michael: Das aktuelle Album heißt „Anxiety’s Kiss“. Ist auf jeden Fall sehr gut.

Andy: Es ist sehr schwierig, das, was man rüberbringen will, so simpel zu gestalten, wie es geht. Besonders was die Texte angeht, ist es wichtig, direkt zu sein. Ich habe vor Kurzem ein Gespräch zwischen Ian MacKaye und Steve Albini gehört. Sie haben sich über Songwriting unterhalten. Interessanterweise sieht sich Ian MacKaye, im Vergleich mit zum Beispiel BIG BLACK, eher im Pop. Er schreibt einfache Texte, die sich reimen, damit sie leicht zu merken sind. Ich habe MINOR THREAT zwar nie als Pop wahrgenommen, aber im Endeffekt hat er recht. Wenn es darum geht, eine Aussage zu vermitteln, hilft es, es einfach zu halten. Man sollte nur aufpassen, denn es kann schnell klischeehaft und lächerlich werden. Ich versuche immer, möglichst ökonomisch zu schreiben, mir gefällt diese Herausforderung. Ich bin großer Fan von Samuel Beckett, der hat sein Leben lang daran gearbeitet, das zu perfektionieren.

SINGLE MOTHERS „Runaways“

Andy:
MODERN LIFE IS WAR? Erinnert aber auch ein wenig an THE NERVE AGENTS. Der Sänger klingt wie eine jüngere Version von Matt Caughthran von THE BRONX.

Deren Gitarrist hat das spätere Debütalbum der Band produziert. Das hier ist von der zweiten EP der SINGLE MOTHERS.

Andy: Mir gefällt der Gesang. Man versteht den Text, was im Hardcore nicht immer so ist. Klingt wirklich sehr angepisst, und zwar durchgehend. Für so viel Wut musst du ein Teenager sein.

Michael: Ich denke, mit dem Älterwerden verschiebt sich das. Es gibt zwar noch genug Dinge, auf die man wütend ist, aber man geht das Ganze fokussierter an. Macht trotzdem Spaß, so was zu hören.