SMOKE BLOW

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If you don’t blow you suck

Da sind sie ja wieder: die Kieler SMOKE BLOW, hart und herzlich aus Prinzip. Eine Band, die vom Punker bis zum Metaller eine erstaunlich breite Fangemeinde hat. Und das Image, ziemlich prollig zu sein. Dabei wollen sie doch nur spielen und tun eigentlich gar nix – außer feine Platten machen. Die neue ist jetzt auf Nois-O-Lution erschienen, ich durfte sie als erster hören, war schon Anfang Juni bei der Band im Mastering-Studio und ob des einmal mehr fetten Sounds direkt begeistert. Und so schickte ich den Nordlichtern eine Ladung Fragen per eMail hinterher, die von Fabrizio, Letten und Kentucky beantwortet wurden.

Angesichts der sich vor Begeisterung überschlagenden Pressereaktionen auf das letzte Album würde ich schätzen, dass ihr sicher etwas unter Druck standet, den hohen Erwartungen mit dem neuen Album gerecht zu werden, oder?


„Wir machen den Quatsch jetzt schon so lange mit, haben in den beschissensten Clubs gespielt und sind auch gerne mal tüchtig verarscht worden, so von wegen Vollarsch sein. Demnach kann es uns doch scheißegal sein, ob wir auf die Schnauze fallen oder ein Schulterklopfen einheimsen. Letztendlich sind wir doch froh, wenn es fertig ist und uns gefällt. Wenn jemand da draußen den Kram gut findet, den wir so fabrizieren, ist’s aber auch dufte.“

Was ist eurer Ansicht anders an der neuen Platte, in welcher Hinsicht ist alles beim Alten geblieben?

„Also, die neue Platte ist eigentlich wie immer, oder auch irgendwie total anders – wie man’s nimmt ... Tatsache ist, dass sich eine gewisse poppige Düsternis in den Sound eingeschlichen hat. Weiß der Teufel warum, aber irgendwie kommen die Vocals jetzt so Friedhofsgärtner-mäßig um die Ecke. Außerdem sind diverse, für uns völlig ungewöhnliche Stilelemente mit auf den alten Dampfer geladen worden. SMOKE BLOW hatten ja schon immer so eine doomige Hardcore-Schlagseite. Aber nun ist der Doom kapeister gegangen, stattdessen haben wir die poppigen Punkelemente ausgebaut, die auf der ‚German Angst‘ so durchaus schon vorhanden waren. Das heißt, schnelles Tempo mit mehr Fokus auf Melodien für Melonen. Fazit: Wir sind unschlagbar auf’m Wochenmarkt, sozusagen Gewinner auf dem ‚Karussell des Lebens‘.“

Neues Label, neues Glück? Wieso Nois-O-lution? Ich meine, Arne ist doch Bayern-Fan.

„Viel schlimmer ist, dass Arne gebürtiger Spar-Schwabe ist. Das heißt für uns: Keine große Pizza. Na ja, aber für eine deftige Teewurst-Stulle reicht’s noch so eben.“

Aufgenommen wurde diesmal über einen längeren Zeitraum zu Hause, statt bei Guido Lucas, was ja doch eine andere Arbeitsweise ist. Erzählt mal, und warum diese Entscheidung?

„Zu Hause haben wir die Möglichkeit, intensiver an dem Songmaterial zu feilen. ‚Dark Angel‘ sollte keine Bauchplatte wie ‚German Angst‘ werden. Wir brauchten einfach die Zeit, um einen relevanten Nachfolger zur ‚German Angst‘ zu schreiben. Guido hat leider nicht so viel Zeit, weil er ein Star in der Szene ist und auch ein bisschen Geld kostet. Leider sind wir bettelarm!“

Wer war noch mit im Studio? Wie kam’s zur Zusammenarbeit mit Tom Schwoll, einst bei JINGO DE LUNCH, oder Bela B.?

„Bela mag uns – aber nur ein bisschen. Wir haben ihn eingeladen und wollten eigentlich nur sehen, ob er wirklich kommt. Potzblitz, da stand er schon vor der Studiotür, um kurz darauf wie ein preußischer Zinnsoldat seinen Dienst an der Musik pflichtgemäß zu erfüllen. Er war locker und jeder sollte diesen Typ mögen. Zu Tom ist zu sagen, dass er Deutschlands allerbester Gitarrenspieler ist, einfach unglaublich. Wir hatten viel Spaß mit ihm.“

Letten, du hast offensichtlich aber nicht mit Guido gebrochen, denn da gibt es ja auch noch GENEPOOL. Wie ist da der Stand der Dinge, wie kam es seinerzeit dazu?

„GENEPOOL waren schon immer eine gute Band, davon gibt es nicht viele. Ich wollte eine sehr gute Platte mit ihnen machen. Sie hatten halt keinen Sänger, so haben wir in unzähligen Telefonaten diesen Bastard gezimmert. Leider habe ich nicht soviel Zeit, um auf Tour zu gehen, da ich noch viel arbeiten muss – traurig, aber wahr. Die Anderen hatten für meine Entscheidung Verständnis. Aber mal schauen, was die Zukunft bringt.“

Laut Guido Lucas hast du auch so einen 80er Wave-Background. Und wie sieht die subkulturelle Sozialisation der anderen aus, welche Leichen habt ihr im Keller?

„Ich fand schon immer alles scheiße, was die Masse gehört hat. War halt immer so ein schlechtgelaunter Penner – da passte mir dieser laute düstere Sound ganz gut in den Kram, BAUHAUS, THE CURE und so ... Doch bald schon sollte meine asoziale Ader durchbrechen und Eighties-Hardcore war das Ding der Stunde, das war noch so um einiges besser als alles andere davor – schön rumsumpfen und immer nur Party und Destruction. SUICIDAL TENDENCIES, RKL, JERRY’S KIDS, GANG GREEN, ADOLECENTS ... Alles unglaubliche Bands mit sehr viel cooler Attitüde. Kentucky hat ein Seelenleben wie ein Vietnamveteran, also total gestört, wie auch sein Musikgeschmack: MELVINS und diese kranke Amphetamine Reptile-Mischpoke – er heißt nicht umsonst Psycho-Ratte. Fabrizio ist voll Proll: Früher lief er mit Schnauzbart und Nackenpeitsche herum, igitt, aus dieser Zeit entstammt auch seine Bierplauze – der Soundtrack dazu lautete IRON MAIDEN und MÖTLEY CRÜE. Bäh! Greif Hellhammer ist ein scheiß Ökohippie, der am Strand gerne mal blankzieht. FKK zu den Tönen von Dub-Reggae, er ist halt so eine Weltenbummler-Dreadlocke, wenn Punk, dann BAD BRAINS. J. R. ist der Lebemann des Punkrock: immer sauber und geduscht, sozusagen aus gutem Hause. Leider sieht’s in ihm ganz anders aus, er ist nämlich der wahre Psycho-Punk und hörte schon immer alles, was mosht-thrasht-killt. Oh, da ist ja noch der hochprämierte Königspudel, means MC Straßenköter. Er sah mal gut aus, so surfpunk-mäßig. Leider richtet er sich momentan ziemlich zu Grunde – no perspective. Er lässt sich gehen und sieht bald aus wie Pig Champion. Straßenköter war schon immer so ein MC S. aka Ghettobastard. Fuck the world, this is hardcore. Aber Dicker, mach hier mal nicht auf Berlin. Fazit: Wir sind alle so Mittelstands-Kids mit einer Menge Wut im Bauch. Die Aggressionen müssen raus.“

Gemastert habt ihr die Platte weit weg von Zuhause in Düsseldorf. Der entscheidende Schliff?

„Jawohl! Der Mix wurde von Ulf Nagel diesmal etwas vorsichtiger angelegt. Das heißt, die Gitarrenwand steht nicht mehr nur im Vordergrund, um alles andere wegzudrücken. Nun steht der pralle Hörgenuss im Vordergrund. In Düsseldorf wurde die Musik aufs Optimum gepimpt.“

Könnt ihr selbstanalytisch erklären, was euren doch eigenwilligen und sofort erkennbaren Sound ausmacht?

„Sechs Typen machen miteinander Musik, jeder hat seinen eigenen Stil mit eingebracht. Wir sind gemeinsam gewachsen, und das jetzt seit zehn Jahren. Fast immer in der gleichen Besetzung, hier liegt unsere Stärke und Sicherheit. Wir sind eine Band mit Persönlichkeit, no fake-ass shit. The real deal from Kiel. Der Scheiß klingt einfach, aber nur in dieser Konstellation. Einfach eine richtige Band.“

Auf die „German Angst“ folgt ein „Dark Angel“, Erklärungsversuche?

„‚German Angst‘ ist ein klassisches Außenseiter-Album: Böse Emotionen im Hitformat – ein Bollwerk. ‚Dark Angel‘ hingegen umschmeichelt den Hörer mit düsteren Punkhymnen und hat noch bessere Songs.“

Das Cover-Artwork, wer ist das? Marilyn Manson?

„Nein, Didi Hallervorden.“

Was geht ab in der „Black Church of America“?

„Seitengescheitelte Anzugträger aus den amerikanischen Südstaaten. Sie verehren den Ku-Klux-Klan, haben eine operierte Frau, sechs Kinder, sechs Schrotflinten, einen Rottweiler und viele Leichen im Keller. Sonntags gehen sie frisch geduscht zur Messe und beten zu Satan.“

Bei euch steht ein – von manchem Pressevertreter gerne strapaziertes – Proll-Image im Gegensatz zu privat ganz anders wirkenden Menschen. Wie kommt das, wie viel davon passt euch in den Kram, was nervt?

„Eigentlich sind wir alle nett: Wir verkloppen niemanden, gehen arbeiten, helfen Omis, hüten Kinder und gehen mit Wau-Wau Gassi. Voll lieb also. Aber ab und zu darf mal auf den Putz gehauen werden – halt nicht immer so langweilig. Sind schon selber Schuld dran, nervt manchmal, ist aber irgendwie auch okay. Besser überhaupt ein Image als so eine langweilige Spaghetti ‚Bolo‘.“

Ihr seid doch Punks, was finden die ganzen Metaller so toll an euch?

„Finden die uns so toll? Keine Ahnung, vielleicht weil wir immer diesen Metal-Drive und dieses hymnenhafte Element in den Songs haben. Wir sind halt die IRON MAIDEN des Hardcore-Punks, oder meinetwegen die BLACK FLAG des Heavy Metal. Wir haben uns mit unserem fetten Arsch genau zwischen diese Stühle gesetzt.“

Was bedeutet euch die Band? Ihr habt ja alle noch „bürgerliche“ Jobs ...

„Hauptsächlich haben wir alle das Helfersyndrom und retten unser jämmerliches Dasein durch das gemeinsame Musizieren im Keller. Wir fahren fast ausschließlich die D.I.Y.-Schiene, das heißt also, dass viel Arbeit und viel Liebe in das Ding investiert werden muss. Das macht aber viel Spaß.“

Was geht sonst so im SMOKE BLOW-Land?

„Izzle Dizzle and the Doggyfizzle, it’s the puff-puff-pass and ultimate punky demon dizzle!“

Na dann.